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Streit um Planungsfehler beim Hotelprojekt am Flensburger Bahnhof: Ignoranz und Nebelkerzen

Ehemaliger Bahnhofswald im September 2019: Das Flensburger Naturhabitat beherbergte unter anderem über 140 Jahre alte Bäume, ein Quellbiotop und geschützte Fledermäuse. – Foto: Marco Johns

Leserbrief von Christiane Schmitz-Strempel, Flensburger Umweltaktivistin und Bahnhofswaldschützerin

Ignoranz und Nebelkerzen.

Zum Leserbrief von Oberbürgermeister Dr. Fabian Geyer „Keine sachliche Kritik“ (Flensburger Tageblatt, Ausgabe vom 05. Juli 2023)

Strittig sind die Planungen für das Hotel am Bahnhof. Unser Oberbürgermeister hält die von Jörg Pepmeyer in diesem Zusammenhang formulierte Kritik an der Verwaltung für unsachlich und unhaltbar.  Wenn ich dem widerspreche, befinde ich mich in starker Gesellschaft, denn auch das Oberverwaltungsgericht weist der Flensburger Verwaltung eklatante Fehlplanungen nach.

In seinem richtungsweisenden Beschluss vom 23.05.2023 bekräftigt das Gericht einerseits den Baustopp für das Projekt, benennt darüber hinaus aber eine Vielzahl gravierender Fehlentscheidungen der Stadtplaner: In Bezug auf das geschützte Biotop „Quellbereich“ konstatiert das Gericht  einen „vollständigen Abwägungsausfall“. Hinzu kämen Fehler in Bezug auf den besonderen Artenschutz, es seien artenschutzrechtliche Vermeidungsmaßnahmen „nur unvollständig“ in den Festsetzungen des Bebauungsplans umgesetzt worden.

Die Liste der vom Gericht festgestellten Mängel ist lang und jedenfalls lang genug, um der Flensburger Verwaltung und Kommunalpolitik schwerwiegende Versäumnisse und Fehler zu bescheinigen. Dass nun aber auch unser neu ins Amt eingetretene Oberbürgermeister die alte Politik des Mauerns und der Ignoranz gegenüber öffentlich vorgetragener Kritik fortsetzt, beschämt umso mehr, als von ihm Äußerungen aus früherer Zeit in Erinnerung sind, die in eine ganz andere Richtung weisen: „In welchem Irrgarten befinden wir uns eigentlich? Wir erwarten zu Recht in Flensburg eine regelmäßige und lückenlose Aufklärung und Information über Fakten, über den Stand von Planungen und ein Ende der Nicht- und Halbwahrheiten – und zwar als Bringschuld der Verantwortlichen.“ (Flensborg Avis, 31.05.2021) – Fazit: Es ist an der Zeit, dass diese Bringschuld der Verwaltung endlich in die Tat umgesetzt wird und das ständige Werfen von Nebelkerzen in Richtung Öffentlichkeit aufhört.

Christiane Schmitz-Strempel

Hintergrund:

In einem ausführlichen Interview befragte vor zwei Wochen shz-Redakteur Julian Heldt den Flensburger Oberbürgermeister Dr. Fabian Geyer über seine ersten 100 Tage im Amt. (Siehe dazu auch den shz-online Beitrag vom 24. Juni, und als Print vom 26. Juni 2023: Flensburgs Oberbürgermeister Fabian Geyer: „Ich hatte Sorge, mich zu verrennen“) Geyer nahm unter anderem auch zu umstrittenen Planungsprojekten Stellung und äußerte sich ebenso zum Thema Hotelprojekt am Bahnhof und zum Baustopp-Beschluss des Oberverwaltungsgerichts in Schleswig. Er räumte ein, dass von den Hotel-Investoren und der Stadt Fehler gemacht wurden, aber so Geyer im Interview mit Julian Heldt: „Wir haben die Verpflichtung und den Auftrag den B-Plan entsprechend der politischen Beschlüsse anzupassen – nach den Vorgaben des Gerichts.“ Am 25. Juni erschien dazu unter dem Titel „Verantwortung?!“ ein Kommentar von Jörg Pepmeyer im Stadtblog Flensburg, der textgleich  ebenso am 3. Juli als Leserbrief im Flensburger Tageblatt: „Fehler liegt bei der Verwaltung“ veröffentlicht wurde. Jörg Pepmeyer kritisierte in seinem Beitrag scharf die Verwaltung und warf ihr massive Fehler und Versäumnisse bei der Planung für das Hotelprojekt am Bahnhofswald vor. Darauf antwortete der Flensburger Oberbürgermeister am 5. Juli im Flensburger Tageblatt unter dem Titel „Keine sachliche Kritik“ mit dem  unten dokumentierten Leserbrief , auf den sich wiederum Christiane Schmitz-Strempel in ihrer obigen Stellungnahme bezieht.

Der Kommentar von Jörg Pepmeyer  am 26. Juni im Stadtblog, im Flensburger Tagbelatt unter „Fehler liegt bei der Verwaltung“ am 3. Juli 2023

Verantwortung?!

Ich halte die von Dr. Fabian Geyer im Interview gemachten Aussagen hinsichtlich des Hotelprojekts am Bahnhof für sehr optimistisch. Dass die Stadt versuchen will, durch entsprechende Anpassungen doch noch einen rechtsgültigen Bebauungsplan aufzustellen, dürfte allerdings, wenn man sich die 34-seitige Begründung des OVG-Beschlusses zum Baustopp durchliest, ziemlich aussichtslos sein.

Tatort Bahnhofswald am 14. Juli 2022: Die Reste des Quellbiotops werden im Auftrag der Hotel-Investoren illegal abgebaggert. – Foto: Günter Strempel

Die Frage ist ebenso, war die Verwaltung wirklich gewillt, die gesetzlichen Vorschriften bei der Aufstellung des Bebauungsplans einzuhalten? Offenbar nicht, wie das OVG in seiner Begründung zum Baustopp-Beschluss deutlich erkennen lässt. Und bereits im Vorfeld, also im Rahmen der Einwände der sog. Träger öffentlicher Belange bei der vorbereitenden Bauleitplanung, hat die Verwaltung und die Rechtsabteilung des Rathauses die fachlich gut untermauerte Kritik dieser Träger förmlich vom Tisch gewischt, um den Investoren entgegen zu kommen. Und die damalige Oberbürgermeisterin hat dieses Agieren der Verwaltung nicht kritisch hinterfragt, was ihre Aufgabe als oberste Chefin der Verwaltung eigentlich gewesen wäre.

Wären die gutachterlichen Einwände der Naturschutzverbände, die Stellungnahmem des Naturschutzbeauftragten der Stadt Flensburg sowie der unteren Naturschutzbehörde und des LLUR wirklich ernst genommen worden, hätte es einen derartigen Bebauungsplan und eine Baugenehmigung nie gegeben. Nochmal, der Fehler liegt eindeutig bei der Verwaltung und dem Rathaus und die sollten auch die Verantwortung für die Folgen übernehmen.

Und aufgrund von weiteren Fehlern der Verwaltung auch bei anderen Flensburger Planungsprojekten und völlig aus dem Ruder laufenden Kosten erscheint ein Revirement bei der Leitung einzelner Fachbereiche notwendig. Es kann nicht angehen, dass wichtige Leitungsfunktionen mit Ja-Sagern und offenbar mit ihren Aufgaben überforderten Mitarbeitern besetzt werden.

Und abschließend: Das geltende Recht darf nicht zugunsten von privatwirtschaftlichen Interessen gebeugt werden!
Insofern erwarte ich von unserem Oberbürgermeister Dr. Fabian Geyer ein entsprechendes Handeln.

Siehe dazu auch den Stadtblog-Beitrag vom 24. Juni: Dritter Jahrestag des Ratsbeschlusses zum Hotelprojekt am Flensburger Bahnhofswald unter: https://akopol.wordpress.com/2023/06/24/jahrestag-des-ratsbeschlusses-zum-hotelprojekt-am-flensburger-bahnhofswald/

Und den Stadtblog-Beitrag vom 29. Mai: Baustopp am Flensburger Bahnhofswald: Stellungnahme des BUND SH zum Beschluss des Oberverwaltungsgerichts unter:  https://akopol.wordpress.com/2023/05/29/baustopp-am-flensburger-bahnhofswald-stellungnahme-des-bund-sh-zum-beschluss-des-oberverwaltungsgerichts/

Streit um naturrechtliche Verstöße und Versäumnisse der Stadt Flensburg bei den Planungen für das Hotelprojekt am Bahnhof: Ehemaliges Quellgebiet und Biotop im Bahnhofswald. Ursprünglich führte sogar eine Bach durch das Gebiet, der später verrohrt wurde. Nach Ansicht der Stadt Flensburg nicht schützenswert. Das sah das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) vollkommen anders und stellte  Anfang August 2020 das Quellgebiet unter gesetzlichen Biotopschutz .  Foto: Dr. Helmreich Eberlein

Dritter Jahrestag des Ratsbeschlusses zum Hotelprojekt am Flensburger Bahnhofswald

Bahnhofswald im September 2019: Das Flensburger Naturhabitat beherbergte unter anderem über 140 Jahre alte Bäume und geschützte Fledermäuse.  – Foto: Marco Johns

Am 25. Juni 2020 stimmte die Flensburger Ratsversammlung mehrheitlich für das Hotelprojekt am Bahnhofswald. Am 26. Mai 2023 hat das Oberverwaltungsgericht Schleswig (OVG) in einem Eilverfahren die Beschwerden der Stadt Flensburg und des Investors gegen eine Verfügung eines Baustopps des geplanten Intercity-Hotels durch das Verwaltungsgericht am 18 Juli 2022 nicht nur als unbegründet zurückgewiesen, sondern gleichzeitig schon vor dem Hauptverfahren seine „durchgreifenden Zweifel“ an der Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans geäußert.

Angesichts des Beschlusses des Oberwaltungsgerichts möchten wir den interessierten LeserInnen deshalb nochmal einen Beitrag von Jörg Pepmeyer vom 4. Juli 2020 zum Ablauf der Ratsversammlung, der Debatte und dem Abstimmungsverhalten der Fraktionen in Erinnerung rufen. Bereits im Bauleitverfahren für den zum Hotelprojekt zugehörigen Bebauungsplan „Hauptpost“ (303) hatten die BI Bahnhofsviertel Flensburg und Naturschutzverbände, wie der BUND und der NABU ihre fachlich sehr gut begründeten Zweifel und Bedenken hinsichtlich eines ausreichenden Schutzes des Bahnhofswalds als ökologisch wichtiges Biotop und Habitat vorgetragen. Und viele dieser Zweifel zum Arten- und Biotopschutz teilt auch das OVG in seiner umfangreichen, 34-seitigen Begründung zum aktuellen Baustopp-Beschluss.  Daher können die beteiligten Kommunalpolitiker jetzt nicht behaupten, ihnen sei bei ihrer Entscheidung für das Projekt nicht klar gewesen, auf was sich sie sich möglicherweise einlassen und welche Folgen dies haben könnte. Das betrifft nicht nur die unnötige Rodung und gewaltsame Räumung des besetzten Baugeländes am 21. Februar 2021, sondern insbesondere auch die Gefahr millionenschwerer Regressansprüche der beiden Hotelinvestoren Jan Duschkewitz und Ralf Hansen an die Stadt Flensburg, sollte auch im Hauptverfahren durch das Verwaltungsgericht festgestellt werden, dass der Bebauungsplan Hauptpost (303) und die Baugenehmigung für das Hotelprojekt angesichts der umweltrechtlichen Verstöße und Versäumnisse insgesamt rechtswidrig sind und somit nicht umgesetzt werden können. Untenstehend nun der angekündigte Beitrag:

Ratsversammlung stimmt für Hotelprojekt am Bahnhofswald

Auch Grüne stimmen mehrheitlich für den Bebauungsplan Hauptpost und damit für das Ende des Bahnhofswalds

Ein Beitrag von Jörg Pepmeyer

4. Juli 2020

Bevor es untenstehend zu einem Bericht über die Sitzung der Ratsversammlung am 25.06.2020 geht, vorab das Abstimmungsergebnis: Die Beschlussvorlage zum Satzungsbeschluss über den B-Plan Hauptpost (303 ), Hotel- und Parkhausprojekt am Bahnhofswald,  wurde mit 17 gegen 9 Stimmen ohne Enthaltung angenommen. Die Ja-Stimmen kamen von CDU, FDP, SPD (jeweils alle), Grüne (3), SSW (1), die Nein-Stimmen von WiF, Linke, Flensburg Wählen (jeweils alle), SSW (3), Grüne (1).  Ein Ergänzungsantrag von Flensburg Wählen! wurde mehrheitlich abgelehnt.
Die Bürgerinitiative Bahnhofsviertel Flensburg hat bereits angekündigt gegen den Satzungsbeschluss juristisch vorzugehen.

Einwohnerfragestunde: Keine Antworten auf eindeutige Fragen

Bereits in der Einwohnerfragestunde gab es mehrere Fragen von Bürger*innen zum Thema Hotelprojekt am Bahnhofswald, die von der Leiterin der städtischen Planungsabteilung, Claudia Takla Zehrfeld beantwortet wurden. Dabei wurde die besondere ökologische Bedeutung des Bahhofswaldes als innenstadtnahes Biotop von ihr heruntergespielt und konnten die Antworten die Bedenken und Zweifel der Fragestellenden an dem Bauvorhaben auch nicht annähernd ausräumen. Und auf die Frage, ob und welche Ratsmitglieder sich überhaupt vor Ort informiert hätten, gab es keine oder besser gesagt eine überaus lässige Antwort von Claudia Takla Zehrfeld. Für die Entscheidung der Kommunalpolitiker*innen lägen ausreichend Expertisen und Gutachten vor, die sähen aber keine ökologische Bedenklichkeit des geplanten Hotelprojektes angesichts der vorgelegten Planungen und Ausgleichsmaßnahmen. Anderereseits wurden die zahlreichen kritischen Stellungnahmen der Umweltverbände und der unteren Naturschutzbehörde von ihr noch nicht mal erwähnt. Die Frage, welche Kommunalpolitiker*innen denn nun das betreffende Gebiet tatsächlich in Augenschein genommen hätten, konnte oder wollte Claudia Takla Zehrfeld ebensowenig beanworten.

Mangelhafte Beteiligungsverfahren und Demokratiedefizit: Oberbürgermeisterin wehrt sich gegen Vorwürfe von Bürgerinitiativen

Anschließend nahm Oberbürgermeisterin Simone Lange die Sitzung zum Anlass, um von der Bürgerinitiative Flensburger Hafen eine öffentliche Entschuldigung zu fordern. Die Bürgerinitiative hatte in einer Broschüre das Verfahren der Bürgerbeteilung zum Hafen-Ost scharf kritisiert und insbesondere einen Mitarbeiter des städtischen Sanierungsträgers direkt angegriffen. Allerdings hatten mehrere Bürgerinitiativen, darunter auch die Bürgerinitiative Bahnhofsviertel Flensburg einen Tag vor der Ratsversammlug in einem Offenen Brief an Simone Lange und Stadtpräsident Hannes Fuhrig eine ähnliche Kritik an den Bügerbeteiligungsverfahren der Stadt formuliert und ein massives Demokratiedefizit konstatiert, jedoch von persönlichen Angriffen abgesehen. Die Initiativen hatten in dem Brief ebenso Simone Lange und Hannes Fuhrig um ein Gespräch gebeten. Simone Lange hat sich bereit erklärt, sich nach ihrem Urlaub im Juli mit den Vertreter*innen der Bürgerinitiativen zu treffen.

Die im Offenen Brief formulierte Kritik war auch in der Debatte zum Hotelprojekt am Bahnhofswald Thema. Man solle doch in die Parteien gehen und dort mitarbeiten oder gleich selber eine Partei gründen, war der wenig konstruktive Vorschlag von einigen Ratsmitgliedern. Dass aber viele Bürger*innen und zivilgesellschaftliche Akteur*innen partout ohne sich einer Partei anschließen zu wollen, ein Mehr an Demokratie in der Stadt und zusätzliche Mitwirkungs-, Mitsprache- und Anhörungsrechte fordern, wie es die schleswig-holsteinische Gemeindeordnung ausdrücklich vorsieht, das ist vielen Mitgliedern der Ratsparteien sichtlich lästig, fürchten sie offensichtlich um ihren politischen Geltungs- und Machtanspruch. Das zeigte vor einigen Wochen exemplarisch ja auch die Diskussion zur neuen Geschäftsordnung der Ratsversammlung. Anders ausgedrückt, viele Menschen trauen aufgrund ihrer schlechten Erfahrungen den Parteien einfach nicht mehr.

Hotelprojekt am Bahnhofswald: Argumente, Bedenken und Zweifel der Bürger*innen werden nicht ernstgenommen

Die Debatte in der Ratsversammlung um das Hotelprojekt an der Hauptpost war vor allem durch die Verharmlosung der ökologischen Folgen für den Bahnhofswald und der Bedenken der Anlieger*innen der Schleswiger Straße gekennzeichnet. Natürlich durfte das Totschlagsargument „Arbeitsplätze“ ebensowenig fehlen, wurde die ökonomische und städtebauliche Wichtigkeit des Projekts für die Stadt und das Bahnhofsviertel enorm aufgeblasen. Dabei wäre Platz genug auf der anderen Seite des Carlisle-Parks am Mühlendamm. Das  erinnerte stark an die Debatte um das Bauvorhaben von Gerd Theilen und Hermann Höft am Rathaus (ebenfalls ein Hotelprojekt), bei dem seit über acht Jahren Stillstand herrscht.

Hubert Ambrosius von der WiF sprach sich in seinem sehr gut formulierten Beitrag grundsätzlich gegen das Projekt aus, benannte sehr umfänglich die ökologischen Risiken und erläuterte die Bedenken und Befürchtungen der Anlieger*innen und die Gefahr von Hangrutschungen, falls man das im Bebauungsplan vorgesehene Gebiet entwaldet. Daran schloss sich die Frage an, wer dann für die Schäden haftbar gemacht würde.

Siegmund Pfingsten vom SSW machte ebenfalls auf die Bedenken und Expertise des Naturschutzbeirats aufmerksam, er möchte den Wald erhalten, wünscht sich aber, dass das Hotelprojekt in anderer Form realisiert werden kann.

Feuchtbiotop mit Quelle im Bahnhofswald. Ursprünglich führte sogar eine Bach durch das Gebiet, der später verrohrt wurde. – Foto: Dr. Helmreich Eberlein

Grüne mit hilflosem Versuch der Schadensbegrenzung

Wenig überzeugend war der das Hotelprojekt über den Klee lobende Beitrag von Clemens Schmidt von den Grünen. Die waren mit vier Ratsmitgliedern auf der Sitzung vertreten, jedoch allesamt Befürworter*innen des Bauvorhabens an der Hauptpost. Clemens Schmidt stimmte trotzdem als einziger gegen die Beschlussvorlage, um, wie er es sinngemäß formulierte, die Meinungsvielfalt in den Grünen zu diesem Thema abzubilden. Das war zwar dann eine nette Alibi-Kosmetik, aber an der Tatsache, dass die Grünen mehrheitlich in der Abstimmung ihre Hand für das Ende des Bahnhofswalds hoben, ändert das natürlich nichts. Wie formulierte Theodor W. Adorno so schön: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“

Auch LINKE-Ratsfrau Gabi Ritter machte ihre Ablehnung gegen das Projekt deutlich. Es werde sich über die Bedenken der Anwohner*innen hinweggesetzt und sie stellte wütend fest: „Wir bedienen, bedienen und bedienen die Investoren!“. Das Misstrauen in der Bevölkerung sitze tief. Zugleich kritisierte sie die Intervention von Oberbürgermeisterin Simone Lange zugunsten der Investoren beim Umweltministerium in Kiel, nachdem die untere Naturschutzbehörde in Flensburg Naturschutzgründe gegen das Projekt geltend gemacht hatte. Den Vorwurf von Gabi Ritter verbat sich zwar Simone Lange, allerdings gibt es zu diesem Vorgang einen ausführlich dokumentierten Schriftverkehr, der erhebliche Fragen aufwirft. (Der liegt auch der Redaktion des AKOPOL-Blogs vor)

Auch wenn Marc Paysen von Flensburg Wählen! zum Prügelknaben und zur Projektionsfläche zahlreicher Ratsmitglieder geworden ist, war sein Beitrag sehr vernünftig. Er kritisierte, dass es im Rahmen des B-Plans Hauptpost überhaupt keine angemessene Gesamtplanung für das Bahnhofsumfeld und -viertel gibt. Einzelvorhaben von Investoren würden genehmigt, ohne das Ganze im Auge oder ein städtebauliches Konzept zu haben. Dabei biete das Gebiet mit seinen großen Brachflächen die Chance auf die Entwicklung eines völlig neuen Stadteils. Darüber mache man sich aber in der Planungsabteilung und Politik keine Gedanken und überlasse diese eigentlich öffentliche Aufgabe kapitalkräftigen Investoren.

Auf Erfahrung und Wissen der Bürg*innen wird nur Wert gelegt, wenn es den Parteien und ihren Interessengruppen nützt

Zudem zeigte sich nicht nur an den Beiträgen zum Thema Bahnhofswald, dass viele Ratsmitglieder das bürgerschaftliche Engagement vieler Menschen nur dann schätzen, wenn sie es für ihre eigenen parteipolitischen Zwecke oder die Ziele ihrer jeweiligen Interessengruppe nutzen können. Ein wirklich ergebnisoffener Diskurs, bei dem sie sich kritischen Fragen und der Expertise der Bürger*innen stellen müssen, wird von ihnen gemieden. Geantwortet wird auf Kritik und Fragen häufig mit nichtssagenden, rhetorischen Phrasen.

Eine größere Bereitschaft der Kommunalpolitiker*innen, den Dingen bei strittigen Angelegenheiten selbst auf den Grund zu gehen und sich mit den Bürger*innen ein eigenes Bild über deren Argumente und Anliegen zu machen, wäre außerordentlich wünschenswert. Stattdessen wird sich meistens auf die Versprechungen von Investoren und auf städtische Stellungnahmen und Gutachten verlassen, die aus Zeitmangel oft gar nicht gelesen werden. Und am Ende vertrauen viele Ratsmitglieder bei ihrer Entscheidung vor allem auf die Empfehlung der Verwaltung oder einer beteiligten Interessengruppe.

Mit dieser Haltung sind Konflikte mit den Bürger*innen geradezu vorprogrammiert, verlieren die kommunale Demokratie und ihre Institutionen an Glaubwürdigkeit und Akzeptanz. Angesichts der sich in den nächsten Monaten verschärfenden wirtschaftlichen und sozialen Krise, zu deren Bewältigung die Erfahrung und das Wissen aller Bürger*innen benötigt wird, ist das überaus bedenklich.

Als abschließendes Resümee zur Entscheidung für das Hoteprojekt und im Abstand von drei Jahren der folgende Stadtblog-Beitrag vom 31. Mai 2023 mit einem Auftrag an die neu gewählte Ratsversammlung:

Baustopp am Bahnhofswald: Klüngel, Überheblichkeit, Ignoranz und die Rathaus-Blase

Tatort Bahnhofswald am 14. Juli 2022: Die Reste des Quellbiotops werden abgebaggert. – Foto: Günter Strempel

Es muss sich grundlegend etwas in Flensburg ändern!

Ein Beitrag von Jörg Pepmeyer

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts zum Baustopp des Hotelprojekts am Bahnhofswald vom 26. Mai ist geradezu eine Ohrfeige für die Stadt Flensburg und die mit dem Hotelprojekt befassten Fachabteilungen der Stadtverwaltung, wie auch für die Kommunalpolitiker, die dem Projekt in den Ausschüssen und der Ratsversammlung ihren Segen gaben. Denn ein Investor, wie aber auch die interessierte Öffentlichkeit müssen sich darauf verlassen können, dass ein städtischer Bebauungsplan und eine Baugenehmigung für ein geplantes Bauprojekt den Normen entspricht und rechtssicher aufgestellt ist. Offenbar gibt es beim Bebauungsplan Hauptpost (303) erhebliche Zweifel daran, wie das Oberverwaltungsgericht mit seinem Beschluss deutlich macht.

Überforderung oder Absicht?

 

 

Dass die Stadt Flensburg und ihre Planungsabteilung sich jetzt auf Regressforderungen seitens der Investoren einstellen müssen, falls das Verwaltungsgericht im Hauptverfahren  ebenfalls zum gleichen Schluss kommt, was sehr wahrscheinlich ist, vermittelt den Eindruck einer nicht nur mit diesem Projekt und seinen Fallstricken völlig überforderten und kopflosen Verwaltungsabteilung.

Völlig unnötig: Räumung und Rodung des Bahnhofswalds am 19. Februar 2021. Polizisten und angeheuerte private Sicherheitsleute gehen gegen Baum-Besetzer vor. – Foto: Jörg Pepmeyer

Das und den die Stadtgesellschaft spaltenden Konflikt um das Hotelvorhaben, mitsamt Besetzung und polizeilicher Räumung des Bahnhofswalds, hätte man sich bei einer entsprechenden sorgfältigeren Prüfung der umweltrechtlichen Bedenken und Einwände und bei einer vorsichtigeren politischen Herangehensweise ersparen können. Und dass die meisten Kommunalpolitiker kritiklos die Verwaltungsvorlagen abgewunken haben, ohne sich die Mühe zu machen, sich selber vor Ort zu informieren und sachkundig zu machen, ist kein gutes Zeichen. Sollen sie doch in den politischen Gremien auch das Handeln der Verwaltung gewissenhaft kontrollieren.

Kritisches Nachfragen der Politik und Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft auf Augenhöhe sind notwendig

Wenn sich jetzt einzelne Kommunalpolitiker aus der Deckung herauswagen und sich in den sozialen Medien darauf berufen, es habe ja entsprechende Gutachten gegeben, die die umweltrechtliche Problematik des Hotelvorhabens und die damit verbundenen Eingriffe in den Bahnhofswald als gering einschätzen, ist das eine faule Ausrede. Welche „Gutachten“? Etwa jene, die die Verwaltung oder die ihr zugehörige und weisungsgebundene untere Naturschutzbehörde im Rathaus selber erstellt haben? Das ist lächerlich. Die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen anderer und kritischer Gutachten wurden kaum bis gar nicht in der politischen Debatte und den Planungen für das Hoteprojekt berücksichtigt oder unzulässig verkürzt und relativiert. Das gilt ebenso für die von den Naturschutzverbänden vorgetragenen Bedenken und fachlich sehr gut begründeten Zweifel hinsichtlich eines ausreichenden Schutzes des Bahnhofswalds mitsamt der Quelle als ökologisch wichtiges Biotop und Habitat. Und viele dieser Zweifel zum Arten- und Biotopschutz teilt auch das OVG in seiner Begründung zum Baustopp-Beschluss.

Überheblich und unverschämt: Verwaltung, Politik und Investoren vs. Zivilgesellschaft

Die Kritik der Umweltschützer interessierte in der Politik und der Stadtverwaltung so gut wie keinen und ebenso wenig die damalige Oberbürgermeisterin. Und die verletzende Überheblichkeit und Ignoranz der verantwortlichen Verwaltungsmitarbeiter und Fachbereichsleiter, wie auch zahlreicher Kommunalpolitiker gegenüber den zivilgesellschaftlichen Akteuren und ihren Argumenten, war vor allem in den Sitzungen der politischen Gremien geradezu greifbar. Die wirtschaftlichen Interessen der beiden stadtbekannten und gut vernetzten Investoren Jan Duschkewitz und Ralf Hansen galt es offensichtlich zügig zu bedienen, da störten kritische Umweltschützer nur und wurden als ewig nörgelnde Fortschrittsverweigerer denunziert. Dumm nur, dass die jetzt trotz allem einen Sieg auf ganzer Linie errungen haben.

Durchsichtige Strategie von Stadt und Investoren zur Abwendung des völligen Projekt-Aus

 

Tatort Bahnhofswald am 14. Juli 2022: Abschließende Begutachtung durch Jan Duschkewitz und Mitarbeiter der Abbruchfirma – Foto: Claus Kühne

Und bevor ein von beiden Seiten, also BI Bahnhofsviertel, BUND SH und Investoren benannter unabhängiger Gutachter zum Thema Sickerquelle wie vereinbart seine Arbeit aufnehmen konnte, haben Jan Duschkewitz und Ralf Hansen illegal am 14. Juli 2022 auf dem Baugelände vollendete Tatsachen schaffen lassen. Damit war ein wesentlicher Beweis für die Existenz einer Quelle zumindest temporär erstmal vernichtet.

Trotz aller Krokodilstränen der Stadt über dieses Vorgehen war ihr das offenbar recht. Denn wenn der Gutachter die bereits vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) Anfang August 2020 kartierte und unter Biotopschutz gestellte Quelle bzw. eine Sickerquelle im Bahnhofswald bestätigt hätte, wäre das auch für die Stadt zu einem echtem Problem geworden.

Die wird sich daher mit Zähnen und Klauen auch in der Hauptverhandlung vor dem Verwaltungsgericht dagegen wehren, dass ihr „Bebauungsplan Hauptpost (303)“ und die Baugenehmigung wegen grundlegender umweltrechtlicher Verstöße und Versäumnisse zerlegt und endgültig für rechtsunwirksam erklärt werden. Neben der damit verbundenen Blamage könnten dann nämlich die Hotel-Investoren, wie bereits erwähnt, die Stadt auf Regress verklagen, und das dürfte sehr teuer werden. Und wahrscheinlich werden sie dann versuchen, weil auf dem Gelände kein Bauvorhaben mehr möglich ist, die Stadt gerichtlich auch auf Rückabwicklung des Kaufs der beiden Flurstücke an der Bahnhofstraße zu zwingen.

Kommunalpolitiker und Verwaltung dürfen sich nicht zu einseitigen Sachwaltern von Investoreninteressen machen

Wie naiv, intellektuell limitiert und/oder investorenfreundlich muss man daher als Kommunalpolitiker sein, wenn man diese Zusammenhänge nicht durchschaut oder bewusst ausblendet und blindlings der Argumentation der Stadt, der Rechtsabteilung des Rathauses und der Leiterin der Planungsabteilung vertraut, die ernsthaft behauptete, bei der Quelle handele es sich lediglich um eine „Pfütze“? Wo bleibt da der prüfende und gesunde Menschenverstand?

Nur eine Pfütze? Sickerquelle mit neuem Bewuchs auf dem abgeräumten Gelände am Bahnhofswald – Foto: Jörg Pepmeyer, 28. Mai 2023

 

Umso mehr sollte die neue Ratsversammlung das Thema noch mal in aller Tiefe beleuchten, das Verwaltungshandeln besonders kritisch unter die Lupe nehmen und sich dazu mit der 34 Seiten umfassenden Begründung des OVG-Beschlusses vom 26. Mai intensiv auseinandersetzen. Damit werden den Kommunalpolitikern hoffentlich die Augen geöffnet.

Und Oberbürgermeister Fabian Geyer sollte sich dringenst über notwendige, fachbereichsübergreifende Personalumbesetzungen in der Stadtverwaltung Gedanken machen.

Gleichzeitig braucht es eine grundsätzlich andere Haltung und Einstellung von Politik und den Verantwortlichen in der Verwaltung gegenüber den Akteuren der Zivilgesellschaft, schließlich sind sie mit ihrem Engagement und ihrer Expertise ein außerordentlich wichtiger Motor für Veränderung und die Demokratie in unserem Land.

Offener Brief der BI Bahnhofsviertel am 16. Juni 2023 an den Oberbürgermeister Dr. Fabian Geyer, die Leiterin der Planungsabteilung Claudia Takla-Zehrfeld und die Mitglieder der Flensburger Ratsversammlung

Ein Gericht spricht Klartext – Sie aber schweigen

Nachdem das Oberverwaltungsgericht mit seinem Beschluss vom 26. Mai den Baustopp für das geplante Intercity-Hotel am Bahnhof Flensburg bis zum Hauptverfahren bestätigt  und gleichzeitig Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans hat, steht die Zukunft des Hotelprojekts und Baugeländes nun in den Sternen.  Aus diesem Grund hat die Bürgerinitiative Bahnhofsviertel einen Offenen Brief vom 16. Juni 2023 an den Oberbürgermeister Dr. Fabian Geyer, die Leiterin der Planungsabteilung Claudia Takla-Zehrfeld und die Mitglieder der Flensburger Ratsversammlung adressiert:

Baustopp am Flensburger Bahnhofswald: Stellungnahme des BUND SH zum Beschluss des Oberverwaltungsgerichts

Aktuell: Sickerquelle und sich neu bildendes Feuchtbiotop auf dem abgeräumten Gelände am  ehemaligen Bahnhofswald. Das Wasser läuft in einem breiten Streifen auf den oben zu sehenden Parkplatz. – Foto Günter Strempel, 25. Mai 2023.

Flensburger Bahnhofswald gerettet?

  • Oberverwaltungsgericht bestätigt Baustopp für das geplante Intercity-Hotel am Bahnhof Flensburg bis zum Hauptverfahren

  • Das Gericht hat seine „durchgreifenden Zweifel“ an der Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans geäußert

Flensburg. Am 26. Mai hat das Oberverwaltungsgericht Schleswig (OVG) in einem Eilverfahren die Beschwerden der Stadt Flensburg und des Investors gegen eine Verfügung eines Baustopps des geplanten Intercity-Hotels nicht nur als unbegründet zurückgewiesen, sondern gleichzeitig schon vor dem Hauptverfahren seine „durchgreifenden Zweifel“ an der Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans geäußert.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Schleswig-Holstein e.V. (BUND SH) hatte gegen die im Januar 2021 erteilte Baugenehmigung der Stadt Flensburg zum Bebauungsplan Nr. 303 „Hauptpost“ im November 2021 Klage eingereicht und damit einen vorläufigen Baustopp bewirkt. Da der Projektträger JARA Immobilien GmbH trotzdem illegalerweise mit massiven Erdarbeiten im Bereich des Baufeldes begann, war der BUND SH gezwungen beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht, um einen einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen. Dem folgte das OVG damals und verfügte umgehend eine Baustilllegung. Dagegen legten die Stadt Flensburg sowie JARA am 25. Juli 2022 Beschwerde ein, über die das OVG nun in seinem richtungsweisenden Urteil verfügte.

Denn nach Ansicht des Gerichts ist voraussichtlich schon die zugrundeliegende Bauleitplanung der Stadt Flensburg aus verschiedenen Gründen unwirksam. Im Vordergrund stehen Verstöße gegen den gesetzlichen Biotop- und Artenschutz sowie eklatante Abwägungsfehler. Unabhängig davon erweise sich die angefochtene Baugenehmigung zudem wegen einer defizitären Artenschutzfestsetzungen als voraussichtlich rechtswidrig.

Ole Eggers, Landesgeschäftsführer des BUND SH

„Mehr geht kaum!“ freut sich Ole Eggers, Landesgeschäftsführer des BUND SH. „In der Begründung zur Ablehnung sind die wesentlichen Rechtszweifel zu der Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans, die den BUND SH zur Klageerhebung veranlasst haben, vollumfänglich aufgenommen. Dem anstehenden Hauptverfahren sehen wir nun mit einer gewissen Gelassenheit entgegen“. Weiterhin betont Eggers, dass der Umweltverband trotz der rabiaten Wald- und Biotopvernichtung der JARA im Februar 2021 in der Folgezeit mehrfach das Gespräch mit dem Projektträger gesucht habe, um einen außergerichtlichen Ausgleich zu bewirken.

Christiane Schmitz-Strempel und Günter Strempel von der mit dem BUND SH kooperierenden Bürgerinitiative Bahnhofsviertel Flensburg ergänzen: „Wir sind erleichtert, dass nach den vielen Jahren engagierten Widerstands endlich auch gerichtlich Klarheit über die große Bedeutung des Biotops geschaffen wurde. Wir hoffen, dass die Stadt Flensburg nun ihren B-Plan zurücknimmt und wirkungsvolle Maßnahmen ergreift um das Quellgebiet und ehemaligen Bach zu renaturieren und den für die Stadt so notwendigen Biotopverbund zu sichern.“ 

BUND

Der BUND  auf seinen sozialen Medien:
bei Twitter unter @SHBUND, bei Facebook unter @BUNDSchleswigHolstein und bei Instagram unter @bund_sh und auf seiner Website unter: https://www.bund-sh.de/


Weitere Infos der Stadtblog-Redaktion zum Hintergrund der  Entscheidung des OVG:

14. Juli 2022: Die Reste des geschützten Quellbiotops werden im Auftrag der Hotel-Investoren Jan Duchkewitz und Ralf Hansen rechtswidrig weggebaggert. – Foto: Günter Strempel

Der BUND und die BI Bahnhofsviertel sammelten bereits seit dem Jahr 2020 Belege dafür, dass sich auf dem vorgesehenen Baugelände eine schützenswerte Sickerquelle befindet. Die Ergebnisse dieser Nachforschungen wurden den Investoren mitgeteilt. Daraufhin gab es Gespräche, die bereits soweit gediehen waren, dass man sich auf einen renommierten Gutachter verständigte, der im Juli 2022 seine Arbeit aufnehmen sollte. Das allerdings wurde am 14. Juli 2022 durch eine Aktion der Investoren unmöglich gemacht, mit der sie offensichtlich Fakten schaffen wollten. Die beauftragten nämlich eine Abbruchfirma, die die Fläche mit dem geschützten Quellbiotop abbaggerte und planierte. Anschließend wurde das Ganze mit einer 50 Zentimeter dicken Sandschicht zugedeckt.

Tatort Bahnhofswald am 16. Juli 2022: Die mit Sand aufgefüllte Fläche des zerstörten und geschützten Quellbiotops – Links am Bildrand die vom Bagger zusammengeschobenen Reste der Biotop-Vegetation – Foto: Jörg Pepmeyer

Schon Monate zuvor hatte der BUND bereits Klage gegen die erteilte Baugenehmigung für das Hotel erhoben. Als Reaktion auf die Vorgänge am 14. Juli  2022 wandten sich der BUND wie auch die BI Bahnhofsviertel noch am gleichen Tag mit einem Eilantrag gegen die (sofortige) Vollziehung der Baugenehmigung an das Verwaltungsgericht in Schleswig und hatten Erfolg: der erkennende Vorsitzende Richter beurteilte die Interessen des BUND an der objektiven Rechtmäßigkeit des Baus, wobei umweltbezogene Rechtsvorschriften des Bundes, des Landes und der EU zu prüfen seien, als vorranging gegenüber dem Vollzugsinteresse der beigeladenen Immobiliengesellschaft. Das Gericht verfügte einen sofortigen Baustopp und legte bei seiner Entscheidung ebenso  maßgeblich zugrunde, dass bereits seitens der Stadt Flensburg als Antragsgegnerin ein Baustopp verfügt worden sei.

Mit dem Beschluss vom 26. Mai 2023 bestätigt das Oberverwaltungsgericht nun die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 14. Juli, macht aber in seiner ganz am Ende dieses Beitrags folgenden Pressemitteilung explizit deutlich, dass der Bebauungsplan „Hauptpost“ (303) und die Baugenehmigung für das Hotelprojekt angesichts der naturrechtlichen Verstöße insgesamt rechtswidrig sind und somit nicht umgesetzt werden dürfen.

Ehemaliges Quellgebiet und Biotop im Bahnhofswald. Ursprünglich führte sogar eine Bach durch das Gebiet, der später verrohrt wurde. Nach Ansicht der Stadt Flensburg nicht schützenswert. Das sah das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) vollkommen anders und stellte  Anfang August 2020 das Quellgebiet unter gesetzlichen Biotopschutz .  Foto: Dr. Helmreich Eberlein

Mehr zum Eilantrag des BUND vom 14. Juli 2022 in dem Stadtblog-Beitrag vom 20. Juli 2022: Verwaltungsgericht stoppt Bauarbeiten im Bahnhofswald Flensburg – Eilantrag des BUND erfolgreich! unter: https://akopol.wordpress.com/2022/07/20/verwaltungsgericht-stoppt-bauarbeiten-im-bahnhofswald-flensburg-eilantrag-des-bund-erfolgreich/

Und ebenso in dem Stadtblog-Beitrag vom 15.07.2022: Bahnhofswald Flensburg: Plötzlich rollen die Bagger – BUND hält dagegen! unter: https://akopol.wordpress.com/2022/07/15/bahnhofswald-flensburg-plotzlich-rollen-die-bagger-bund-halt-dagegen/

Die Beschlussvorlage (RV-51/2020) und alle weiteren Unterlagen zum Bebauungsplan Hauptpost (303) findet man hier 

Der Planentwurf Bebauungsplan „Hauptpost“ (Nr. 303) https://akopol.files.wordpress.com/2020/07/planentwurf-zur-vorlage-rv-51-2020-.pdf

Spannend auch das Entwässerungsgutachten für das Plangebiet, das auch den ehemaligen Bach erwähnt

 

Beschluss des Oberverwaltungsgerichts: Hotelvorhaben am Bahnhof Flensburg droht das Aus

Aktuell: Sickerquelle und sich neu bildendes Feuchtbiotop auf dem abgeräumten Gelände am  ehemaligen Bahnhofswald. Das Wasser läuft in einem breiten Streifen auf den oben zu sehenden Parkplatz. – Foto Günter Strempel, 25. Mai 2023.

OVG in Schleswig bestätigt Baustopp für das Hotelprojekt am Flensburger Bahnhofswald – Entscheidung des Gerichts nicht anfechtbar

Große Freude bei Umweltschützern und der BI Bahnhofsviertel Flensburg

Ein Beitrag von Jörg Pepmeyer

Der Baustopp für das geplante  Intercity Hotel am Flensburger Bahnhof gilt weiter. Heute hat das Oberverwaltungsgericht in Schleswig den Beschluss der 8. Kammer des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts  vom 18. Juli 2022 bestätigt. Die hatte  anläßlich eines Eilantrags und der Klage des BUND Schleswig-Holstein gegen die erteilte Baugenehmigung für das geplante Hotelprojekt  im Juli letzten Jahres einen sofortigen Baustopp angeordnet (AZ 8 B 54/22). 

„Durchgreifende Zweifel“ zur Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans

In der Pressemitteilung des OVG zu seiner Entscheidung von heute heißt es dazu: „Nach umfänglicher Prüfung teilt das Gericht vor allem die natur- und artenschutzrechtlichen Bedenken, die der BUND (als Antragsteller und Kläger), der NABU und eine Bürgerinitiative schon gegen den Bebauungsplan Nr. 303 „Hauptpost“ und gegen die auf dieser Grundlage im Januar 2021 von der Stadt Flensburg erteilte Baugenehmigung erhoben hatten.“ Das Gericht macht deutlich, dass  insbesondere an der Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans  „durchgreifende Zweifel“ bestünden. So heißt es weiter in der Mitteilung: „Er verstoße voraussichtlich gegen den gesetzlichen Biotopschutz – unter anderem deshalb, weil Hinweisen auf die Existenz einer oder gar mehrerer Quellen im Baufeld des geplanten Hotels nicht ausreichend nachgegangen worden sei. Ferner fehle es an ausreichenden Schutzvorkehrungen im Interesse des Artenschutzes, insbesondere der im Stadtgebiet selten vorzufindenden Brutvögel und einiger streng geschützter Fledermausarten, für die das Plangebiet mit teilweise altem Baumbestand als Teil eines innerstädtischen Biotopverbundsystems bedeutsam sei.“ Und geradezu eine Klatsche für die Planungsabteilung des Rathauses und die Stadt Flensburg: „Schließlich sei nicht nachvollziehbar, dass die Stadt das Interesse des Investors an der Errichtung einer Parkpalette und eines Hotels als gewichtiger eingestuft habe als das öffentliche Interesse am Erhalt der im Plangebiet liegenden Waldfläche als hochwertigen Lebensraum für verschiedene, teils streng geschützte Tier- und Pflanzenarten.“  Und abschließend heißt es: „Der heutige Beschluss des OVG zum Baustopp ist nicht anfechtbar.“ (Die heutige Pressemitteilung des OVG steht ganz am Ende dieses Beitrags zur Ansicht und zum Download bereit)

Große Freude und Genugtuung bei der Bürgerinitiative Bahnhofsviertel Flensburg

Die Entscheidung des Gerichts hat bei den Umweltaktivisten der BI Bahnhofsviertel geradezu Feierlaune ausgelöst. Günter Strempel, Sprecher der BI, in einem Statement am heutigen Abend: „Es herrscht große Freude bei uns, dass das lange Durchhalten und der jahrelange Kampf der Bürgerinitiative gegen das Bauprojekt sich als erfolgreich erwiesen haben. Wir haben das insbesondere auch der Zusammenarbeit mit dem BUND Schleswig-Holstein zu verdanken.“ Christiane Schmitz-Strempel, Sprecherin der BI, ist vor allem von der Begründung des Oberverwaltungsgerichts beeindruckt, das „durchgreifende Zweifel“ an der Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans deutlich machte.  Christiane Schmitz-Strempel: „Für uns als BI scheint mit der Entscheidung des OVG eine klare Wegweisung vorgezeichnet, nämlich dass auf diesem Gelände weder ein Hotel, noch ein anderes Bauprojekt realisert werden darf.“ Und Günter Strempel schließt mit einer klaren Forderung an Stadt und Investoren: „Die Natur, deren übergeordnete Bedeutung das Gericht mit seinem Beschluss ausdrücklich anerkennt, sollte zu ihrem Recht kommen.  Wir fordern als BI daher, dass das Gelände unter Erhalt der dortigen Quellen renaturiert und unter dauerhaften Schutz gestellt wird.“

Riesenblamage für Investoren und Stadt Flensburg

Für die beiden Flensburger Hotel-Investoren Jan Duschkewitz und Ralf Hansen, wie auch die Stadt Flensburg ist der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts und der weiterhin geltende Baustopp geradezu der SUPER-GAU, denn eine Wiederaufnahme der Bauarbeiten für das Hotelprojekt ist derzeit völlig ausgeschlossen. Entsprechende Planungen der Investoren sind somit obsolet und nicht mehr umsetzbar. Allerdings dürfte dies auch angesichts der veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wohl das endgültige Aus für das geplante Intercity Hotel sein. Das Ganze könnte zudem mit teuren Regressforderungen  der Investoren an die Stadt Flensburg enden, denn die hatte das Gelände mit seinem Quellgebiet als nicht schutzwürdig eingestuft und den rechtlich zweifelhaften Bebauungsplan gegen erheblichen Widerstand von etlichen Kommunalpolitikern und zahlreichen Umweltschützern durch die politischen Gremien gepeitscht.  Wollte man den Investoren damit einen besonderen Gefallen erweisen? Diese Frage und warum sollte schleunigst von den Beteiligten beantwortet werden.

Weitere Infos zum Hintergrund der heutigen Entscheidung des OVG:

14. Juli 2022: Die Reste des geschützten Quellbiotops werden im Auftrag der Hotel-Investoren Jan Duchkewitz und Ralf Hansen rechtswidrig weggebaggert. – Foto: Günter Strempel

Der BUND und die BI Bahnhofsviertel sammelten bereits seit dem Jahr 2020 Belege dafür, dass sich auf dem vorgesehenen Baugelände eine schützenswerte Sickerquelle befindet. Die Ergebnisse dieser Nachforschungen wurden den Investoren mitgeteilt. Daraufhin gab es Gespräche, die bereits soweit gediehen waren, dass man sich auf einen renommierten Gutachter verständigte, der im Juli 2022 seine Arbeit aufnehmen sollte. Das allerdings wurde am 14. Juli 2022 durch eine Aktion der Investoren unmöglich gemacht, mit der sie offensichtlich Fakten schaffen wollten. Die beauftragten nämlich eine Abbruchfirma, die die Fläche mit dem geschützten Quellbiotop abbaggerte und planierte. Anschließend wurde das Ganze mit einer 50 Zentimeter dicken Sandschicht zugedeckt.

Tatort Bahnhofswald am 16. Juli 2022: Die mit Sand aufgefüllte Fläche des zerstörten und geschützten Quellbiotops – Links am Bildrand die vom Bagger zusammengeschobenen Reste der Biotop-Vegetation – Foto: Jörg Pepmeyer

Schon Monate zuvor hatte der BUND bereits Klage gegen die erteilte Baugenehmigung für das Hotel erhoben. Als Reaktion auf die Vorgänge am 14. Juli  2022 wandten sich der BUND wie auch die BI Bahnhofsviertel noch am gleichen Tag mit einem Eilantrag gegen die (sofortige) Vollziehung der Baugenehmigung an das Verwaltungsgericht in Schleswig und hatten Erfolg: der erkennende Vorsitzende Richter beurteilte die Interessen des BUND an der objektiven Rechtmäßigkeit des Baus, wobei umweltbezogene Rechtsvorschriften des Bundes, des Landes und der EU zu prüfen seien, als vorranging gegenüber dem Vollzugsinteresse der beigeladenen Immobiliengesellschaft. Das Gericht verfügte einen sofortigen Baustopp und legte bei seiner Entscheidung ebenso  maßgeblich zugrunde, dass bereits seitens der Stadt Flensburg als Antragsgegnerin ein Baustopp verfügt worden sei.

Mit dem Beschluss vom 26. Mai 2023 bestätigt das Oberverwaltungsgericht nun die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 14. Juli, macht aber explizit deutlich, dass der Bebauungsplan „Hauptpost“ (303) und die Baugenehmigung für das Hotelprojekt angesichts der naturrechtlichen Verstöße insgesamt rechtswidrig sind und somit nicht umgesetzt werden dürfen.

Ehemaliges Quellgebiet und Biotop im Bahnhofswald. Ursprünglich führte sogar eine Bach durch das Gebiet, der später verrohrt wurde. Nach Ansicht der Stadt Flensburg nicht schützenswert. Das sah das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) vollkommen anders und stellte  Anfang August 2020 das Quellgebiet unter gesetzlichen Biotopschutz .  Foto: Dr. Helmreich Eberlein

Mehr zum Eilantrag des BUND vom 14. Juli 2022 in dem Stadtblog-Beitrag vom 20. Juli 2022: Verwaltungsgericht stoppt Bauarbeiten im Bahnhofswald Flensburg – Eilantrag des BUND erfolgreich! unter: https://akopol.wordpress.com/2022/07/20/verwaltungsgericht-stoppt-bauarbeiten-im-bahnhofswald-flensburg-eilantrag-des-bund-erfolgreich/

Und ebenso in dem Stadtblog-Beitrag vom 15.07.2022: Bahnhofswald Flensburg: Plötzlich rollen die Bagger – BUND hält dagegen! unter: https://akopol.wordpress.com/2022/07/15/bahnhofswald-flensburg-plotzlich-rollen-die-bagger-bund-halt-dagegen/

Planentwurf Bebauungsplan „Hauptpost“ (Nr. 303) https://akopol.files.wordpress.com/2020/07/planentwurf-zur-vorlage-rv-51-2020-.pdf

Spannend auch das Entwässerungsgutachten für das Plangebiet, das auch den ehemaligen Bach erwähnt

Kommunalwahl: Programmatische Versprechungen und politische Praxis

Dass die praktische Politik der Parteien oft im Gegensatz zu den programmatischen Versprechungen steht, die sie während eines Wahlkampfs machen, ist nichts Neues. Dennoch sollte jede Wählerin und jeder Wähler angesichts der Kommunalwahl in Flensburg und unter Berücksichtigung der Ereignisse der letzten fünf Jahre sorgfältig prüfen, welcher Partei oder Wählergruppe  sie diesmal ihre Stimme geben.  Insbesondere auch dann, wenn sich Ratsmitglieder zur Wiederwahl stellen. Zur Erinnerung und Entscheidungsfindung deshalb der Stadtblog-Beitrag vom 19. Februar 2020 zum Grünen Ja zum Hotelprojekt am Bahnhofswald. Übrigens folgte diesem Ja anschließend auch die mehrheitliche Zustimmung der Flensburger Grünen zum Hotelprojekt und der damit verbundenen Vernichtung des kleinen Waldhabitats und Feuchtgebiets am Bahnhof in der Ratsversammlung am 26. Juni 2020.

Grünes Ja zum Hotelprojekt am Bahnhofswald: Offener Brief von Boje Maaßen an die Flensburger Grünen

19. Februar 2020 Verfasst von akopol

Bahnhofswald in Not: Die Grünen Ausschussmitglieder Irene Zeppenfeld und Stefan Thomsen sichern mit ihrer Zustimmung im Flensburger Umwelt- und Planungsausschuss die Mehrheit für das Hotelprojekt – Foto Marco Johns

Scharfe Kritik am Abstimmungsverhalten der Grünen im Umwelt- und Planungsausschuss

Grüne Stimmen sichern Mehrheit für das umstrittene Hotelprojekt am Bahnhof und die Abholzung des Bahnhofswalds

In der Sitzung des Umwelt- und Planungsausschusses gab es gestern eine Mehrheit für den Entwurfs- und Auslegungsbeschluss für den Bebauungsplan 303 Hauptpost und das Hotelprojekt am Bahnhof. SPD, CDU und FDP votierten geschlossen für den Beschluss, die Vertreter von WiF, Flensburg Wählen und Die Linke ebenso geschlossen dagegen. Vom SSW stimmten zwei der drei Ausschussmitglieder gegen den Aufstellungsbeschluss. Entscheidend waren somit die Stimmen der Grünen, sie bildeten das Zünglein an der Waage. Während Arndt Scherdin mit einer lupenreinen, grünen Begründung gegen die Beschluss-Vorlage stimmte, sicherten die beiden Grünen Ausschussmitglieder Stefan Thomsen und  Irene Zeppenfeld mit ihrer Zustimmung die notwendige Stimmen-Mehrheit für das umstrittene Hotelprojekt und die damit verbundene drohende Abholzung des Bahnhofswalds. Hätten die beiden dagegen gestimmt, wäre das Projekt bei Stimmengleicheit im Umwelt- und Planungsausschuss gescheitert.

Aus dem Kommunalwahlprogramm der Flensburger Grünen 2018, S. 23: Alles nur Schall und Rauch?

Das Abstimmungsverhalten hat in der Öffentlichkeit, bei den Naturschützern und Hotelprojekt-Gegnern für große Wut und Enttäuschung gesorgt. Zumal die Grünen im Kommunalwahlkampf 2018 versprochen hatten, innerstädtisches Grün zu erhalten und Stefan Thomsen ebenso ausdrücklich in einer Wahlkampfbroschüre versprach, sich dafür einzusetzen:

„Ich kandidiere um der Natur in Flensburg eine starke Stimme zu geben. Ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, dass wir in der wachsenden Stadt nicht alles zubauen und asphaltieren.“

Das steht im krassen Gegensatz zu seinem Abstimmunsgverhalten im Umwelt- und Planungsausschuss am Dienstagabend.

Ebensowenig nachvollziehbar war die zum Teil bizarre und zynische Begründung von Stefan Thomsen für sein eigenes Abstimmungsverhalten und desssen Folgen, so schob er unter anderem die Verantwortung für die mögliche Abholzung des Bahnhofswaldes auf die Forstbehörde. Am Ende seiner Rede warf er den Wald- und Umweltschützern sogar wahrheitswidrig vor, sich bei anderen Bauprojekten wie z. B. für den Krankenhausneubau am Peelwatt, nicht für den Erhalt dortiger Naturbiotope eingesetzt zu haben, und stellte die Frage, warum sie sich jetzt ausgerechnet für den Erhalt des Bahnhofswalds einsetzen würden.  Für viele Gäste und Beobachter der Ausschuss-Sitzung  im rappelvollen Paul-Ziegler-Zimmer waren diese Ausführungen ein trauriger Höhepunkt der „grünen“ Selbstoffenbarung.

Grund genug für Boje Maaßen in einem Offen Brief an die Flensburger Grünen dies, siehe unten, ebenso scharf zu kritisieren. Nun sollte man wissen, dass Boje Maaßen nicht irgendwer ist. Er ist Mitbegründer der Grünen, war Mitglied im Kreistag in Nordfriesland und ist seit Jahrzehnten aktiver Naturschützer. Er forschte und arbeitete lange Zeit auch als Dozent an der Universität Flensburg und promovierte dort zum Thema Naturerleben. (Mehr zu ihm auch auf wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Boje_Maa%C3%9Fen)

Offener Brief von Boje Maaßen

Werte Grüne,

gestern war ich auf der Gründung der Bürgerinitiative „Für den Erhalt des Bahnhofwaldes!“ und war sehr angetan, von dem kompetenten Engagement für ökologische Belange. Allerdings nicht angetan war ich von dem, was ich von den Grünen Flensburgs hören musste.

Bevor ich das erläutere, einige Erläuterungen zu mir: Zur Kommunalwahl 1978 in Schleswig-Holstein hatten sich im Kreis Steinburg und Nordfriesland zwei ökologische Gruppierungen unter dem Namen „Grüne Liste“ gebildet. Beide kamen in die jeweiligen Kreistage, also zum ersten Mal als ökologische Partei. Ich war im Kreistag NF Fraktionsvorsitzender. Habe dann alle Gründungsversammlungen der Grünen im Bundesgebiet aktiv mitgemacht. Ich gehörte zu den Realos, was aber eine vollkommene unsinnige Behauptung war, denn ich war gleichzeitig ökologischer Fundamentalist und in der Durchsetzung ökologischer Realist wie der sozialistische Flügel marxistisch, aber in der Durchsetzung Realos war.

Nach der Landtagswahl 1983 in SH, in der ich Spitzenkandidat für die Grünen war, bin ich aus den Grünen wegen der damals starken nicht-ökologischen Kräfte ausgetreten. Habe aber weiterhin primär in der Theorie und im privaten Bereich (so autofrei und keine Flugreisen) versucht, ökologisch weiterzudenken und zu handeln. Siehe „boje-maassen.de – Beiträge zur politischen Ökologie“, „Eigenbewegung (Anthropologie)“ und „Eigenbewegung (Anthropologie) Boje Maaßen“ und viele Beiträge in dem Online-Magazin „Iley“ und zahlreiche Leserbriefe im bis vor kurzem noch liberalen Flensburger Tageblatt. Praktisch politisch war ich eine Null. So kenne ich nach unserem Umzug von Föhr 1990 nicht inhaltlich und personal die Flensburger Szene. Hörte also erst gestern, dass Ihr auf der SUPA-Sitzung dem Bau des Hotels und des Parkhauses zugestimmt habt. Das ist keine ökologische Politik, weil Aufgabe des ökologischen Fundamentums. Natürlich könnt Ihr nicht unökologische Projekte verhindern, aber Ihr dürft Ihnen nicht zustimmen oder gar fordern. Der Hotelbau dient dem Wirtschaftswachstum, vielleicht auch der Vergrößerung Flensburgs, aber nicht der Ökologie, es ist übrigens auch keine soziales Projekt, sondern schlicht ein Weitermachen bisheriger Kommunalpolitik.

Ich bitte Euch, diese Einwände, auch wenn Ihr Empfänger sie nicht teilt, allen Mitgliedern der Grünen Flensburgs zukommen zu lassen, also einer grünen internen Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.

Mit ökologischen Grüßen, Boje“

Noch eine Bemerkung zu Marx: Er hatte, was Ausbeutung, anging uneingeschränkt Recht, aber er trug (konnte es damals wohl auch) nichts zur Lösung der ökologischen Problematik bei.

Herzlich Boje

Gründungsversammlung der Bürgerinitiative Bahnhofsviertel Flensburg” beschließt weiter für den Erhalt des Bahnhofswalds zu kämpfen – Möglichkeit des Bürgerentscheids soll geprüft werden

Fast 30 Gegner des Hotelprojekts haben sich noch am gleichen Tag im Aktivitetshuset in der Norderstraße getroffen, um eine Bürgerinitiative zum Erhalt des Bahnhofswalds zu gründen. Sie wollen trotz des Beschlusses im Umwelt- und Planungsausschuss weiter für den Erhalt des Bahnhofswalds kämpfen und sich zudem in die städtebaulische Neuplanung für das Bahnhofsviertel einmischen. Sie fordern eine ökologische Planung und einen sozialen und nachhaltigen Wohnungsbau im Bahnhofsviertel. Ebenso soll geprüft werden, ob es möglich ist einen Bürgerentscheid in Gang zu setzen.

Das nächste Treffen der Bürgerinitiative ist am Dienstag, 25. Februar 2020 um 17.30 Uhr im Gemeinderaum von St. Nikolai, Südermarkt 15.
Interessierte Bürger*innen sind herzlich willkommen.

Grüne Ausschussmitglieder votierten ursprünglich mehrheitlich gegen das Projekt

Es ist außerordentlich bemerkenswert, wie sich die beiden Grünen SUPA-Mitglieder dem Druck der Investoren und der Verwaltung gebeugt haben. Denn sehr wohl gab es schon einmal eine Ablehnung der Hotelpläne am Bahnhof im Umwelt- und Planungsausschuss, bzw. kam keine entsprechende Stimmen-Mehrheit für das Projekt zustande. Und zwar im Mai letzten Jahres. Deshalb haben Investoren und Lobby-Politiker, wie auch die Verwaltung enormen Druck gemacht und das nochmal auf die politische Agenda gesetzt, damit das gewünschte Ergebnis irgenwann und irgendwie zustande kommt. Und ursprünglich waren auch die Grünen Ausschussmitglieder mit guten Argumenten mehrheitlich dagegen. Dazu auch der AKOPOL-Beitrag vom 7. Mai 2019: Keine Mehrheit im Flensburger Planungsausschuss für Hotel- und Parkhausprojekt am Bahnhof unter: https://akopol.wordpress.com/2019/05/07/keine-mehrheit-im-flensburger-planungsausschuss-fuer-hotel-und-parkhausprojekt-am-bahnhof/

Zu den Argumenten der Waldschützer und Gegner des Hotelprojekts auch der AKOPOL-Beitrag vom 13.02.2020: Bahnhofswald in Flensburg: Anmerkungen von Cordelia Feuerhake zur Sitzung des Umwelt- und Planungsausschusses – Offener Brief mit Fragen und Appell an die Kommunalpolitiker
unter: https://akopol.wordpress.com/2020/02/13/bahnhofswald-in-flensburg-anmerkungen-von-cordelia-feuerhake-zur-sitzung-des-umwelt-und-planungsausschusses/

Weitere Beiträge und Infos zum Thema Bahnhofswald und Hotelprojekt gibt es hier

Protest gegen Landschaftsfraß in Flensburg

Geänderter Landschaftsplan: Rot eingekreist die geplante Fläche für Jacob Cement

In der Stadt Flensburg wurde vor kurzem in den politischen Gremien, auch mit den Stimmen der Grünen,  die Änderung bzw. Neu-Aufstellung verschiedener Landschafts- und Flächennutzungspläne beschlossen. Damit verlieren bisher geschütze Landschaftsflächen in Flensburg ihren Status. Gleichzeitig soll so die Möglichkeit für neue Bauflächen geschaffen werden. Damit droht  bei einer Überbauung der Verlust und die Versiegelung dieser naturnahen und ökologisch wichtigen Flächen mitsamt ihren Bachläufen und Feuchtgebieten.

Gegen das Vorgehen von Verwaltung und Kommunalpolitik gab es jedoch schon im letzten Sommer erheblichen Widerstand von zivilgesellschaftlichen und Umweltgruppen. Als Entscheidungshilfe der Wählerinnen und Wähler für die kommende Kommunalwahl, den Konflikt um ein geplantes neues interkommunales Gewerbegebiet Flensburg/Glücksburg bzw. den Umzug von Jacob Cement auf eine ökologisch wichtige  Fläche nahe Wees (Geschlossenheck) dokumentieren wir als Stadtblog-Redaktion deshalb untenstehend den Offenen Brief zivilgesellschaftlicher und Umwelt-Gruppen aus dem Juni 2022 noch einmal:

Offener Brief an die Fraktionen der Flensburger Ratsversammlung und die Verwaltung der Stadt Flensburg zur Neuauflage des Landschaftsplans

Als Flensburger Akteur*innen im sozial-ökologischen Bereich sind wir von städtischer Seite eingeladen, unsere Ideen in die Stadtentwicklungsstrategie “Flensburg 2030” einzubringen. Diese Strategie ist ausgerichtet an den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen und den Anforderungen der Neuen Leipzig-Charta an eine gerechte, grüne und produktive Stadt. Eine derart zukunftsgewandte Ausrichtung ist sehr zu begrüßen und trägt den aktuellen sozial-ökologischen Herausforderungen Rechnung. Gleichzeitig sind wir über den laufenden Beteiligungsprozess auf aktuelle Planungen der Stadt zur Neuauflage des Flensburger Landschaftsplans aufmerksam geworden. Zu dem Landschaftsplan zählt auch die Neuordnung der Landschaftsschutzgebiete. Darin wird deutlich: Auch wenn bei der Neuordnung Flächen hinzukommen, so gehen unter dem Strich 11 Hektar Landschaftsschutzgebiet verloren. Besonders schwer wiegt dabei die geplante Bebauung von ca. 41 Hektar der Flächen (29 ha Gewerbe und 12 ha Wohnungsbau). Dazu kommen weitere, die im Flächennutzungsplan als Prüfflächen für Gewerbe genannt werden. Angesichts des zunehmenden Klimastresses ist jede neu versiegelte Fläche in der Stadt negativ zu bewerten. Unversiegelte, naturnahe Flächen spielen sowohl für den Wasserhaushalt als auch die Temperaturverteilung in der Stadt eine zentrale Rolle. Hinzu kommt die Bedeutung für die ökologische Vielfalt und der Erholungswert für Menschen. Nicht zuletzt handelt es sich bei einigen Flächen um zum Teil intensiv genutzte Kleingärten, die ebenfalls eine wichtige ökologische aber auch soziale Rolle erfüllen – wie nicht zuletzt die Covid19-Pandemie gezeigt hat.

Aus dem Grund stellt sich uns als sozial-ökologisch engagierten Akteur*innen folgende Frage: Wie passen die Planungen und besonders die Neuversiegelung von Flächen mit der Stadtentwicklungsstrategie zusammen? Die geplanten Vorhaben stehen sowohl von ihrer Art als auch von ihrem Umfang her in einem starken Widerspruch zur städtischen Nachhaltigkeitsstrategie und den langfristig angestrebten Zielen. Hinzu kommt ein Widerspruch zu den Zielen der Bundes- und Landesregierung, den Flächenverbrauch kontinuierlich zu senken und bis 2050 auf null zu reduzieren.

Deshalb fordern wir die Mitglieder der Ratsversammlung auf, dem Landschaftsplan in der derzeitigen Entwurfsfassung nicht zuzustimmen, sondern entsprechende Änderungen vornehmen zu lassen. Insbesondere die Umwidmung von Landschaftsschutzgebieten, die den Weg für eine Bebauung freimacht, gilt es zu verhindern. Zudem fordern wir von der Politik in Zusammenarbeit mit der Verwaltung eine langfristig gedachte Abwägung in der Flächennutzung, die ökologisch und sozial zur Lebensqualität der Stadt beiträgt und sich mit den Zielen der Stadtentwicklungsstrategie “Flensburg 2030” in Einklang bringen lässt. Dies bedeutet auch, dass die Hauptplanungsinstrumente, der Landschaftsplan sowie der Flächennutzungsplan, aufgrund ihrer langfristigen Wirkung mit der “Flensburg 2030” Strategie nicht nur inhaltlich sondern auch zeitlich sinnvoll synchronisiert werden.

Im Sinne der Leipzig Charta: Eine gerechte Stadt ist eine grüne Stadt, da öffentliche Grünflächen allen Menschen zugute kommen. Eine produktive Stadt bedeutet nicht die Ausbreitung von Wohn- und Gewerbegebieten auf Kosten der verbleibenden Grünflächen bei gleichzeitigem Leerstand, sondern die Förderung zukunftsweisender Konzepte, die ökologische, soziale und wirtschaftliche Aspekte synergetisch miteinander vereinen.

Unterzeichner*innen aus dem Strategieprozess “Flensburg 2030”

  • BUND Flensburg
  • Europa Universität Flensburg, Abteilung Energie- und Umweltmanagement (EUM)
  • Fridays for Future Flensburg
  • Klimabegehren Flensburg
  • Initiative Recht auf Stadt – Flensburg
  • NABU Flensburg
  • Students for Future Flensburg
  • Wandelküche – Raum für Ernährungswende e.V. (Projektraum Hundertacht)

Der Brief zum Download

Mehr zum Thema auch in dem Stadtblog-Beitrag vom 6. März 2023 „Fingers weg vun Slotten Heck!“ – Keine Zustimmung zum Landschaftsplan am 14. März! unter: https://akopol.wordpress.com/2023/03/06/fingers-weg-vun-slotten-heck-keine-zustimmung-zum-landschaftsplan-am-14-marz/

Die beschlossenen Pläne mit den Stellungnahmen aus der Beteiligung der Öffentlichkeit und Träger öffentlicher Belange gibt es zur Ansicht und zum Download hier Allerdings sind diese Unterlagen außerordentlich umfangreich und nicht einfach zu lesen.

Weiterhin gibt es die Pläne auch mit den Abwägungsvorschlägen und  Stellungnahmen unter: https://bob-sh.de/verfahren/e0caf864-5d56-4862-82d7-03580fab6331/public/detail#procedureDetailsDocumentlist

Am 7. Juni 2022 gab es zudem eine Sitzung des Umwelt- und Planungsausschusses, bei der es Änderungsanträge zu den Planentwürfen der Verwaltung gab. (Mehr zur SUPA-Sitzung am 7. Juni und die Beschlussvorlagen zum Thema: https://ratsinfo.flensburg.de/tops/?__=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZUK_C06ALzuaF7NzdIsYKTM

Zu der Neuaufstellung der Landschafts- und Flächennutzungspläne auch die Hinweise und Begründungen städtischerseits: (siehe dazu auch die Einladung der Stadt Flensburg zur öffentlichen) Informationsveranstaltung über die Neuaufstellung von Landschaftsplan und Flächennutzungsplan am 18. August 2020 im Flensburger Rathaus unter https://akopol.wordpress.com/2020/08/13/informationsveranstaltung-ueber-die-neuaufstellung-von-landschaftsplan-und-flaechennutzungsplan-am-18-august-im-flensburger-rathaus/)

Flächennutzungsplan – Ausschnitt

Aus dem Einladungstext der Stadt Flensburg  für die Veranstaltung am 18.08.2020:

Flächennutzungplan und Landschaftsplan:

Die aktuell gültigen Planwerke Flächennutzungsplan und Landschaftsplan sind aus dem Jahr 1998. Seitdem haben sich die Vorzeichen der Stadtentwicklung verändert. Seit ca. 10 Jahren wächst die Stadt und die Prognosen des Landes Schleswig-Holstein gehen davon aus, dass dieser Trend bis 2030 und darüber hinaus anhält.

Vor diesem Hintergrund werden die zentralen übergeordneten Planwerke grundlegend überprüft und auf Basis des Integrierten Stadtentwicklungskonzepts „Perspektiven für Flensburg“ neu aufgestellt.

Grundlage für die Überarbeitung der Planwerke im Auftrag der Ratsversammlung sind die naturräumlichen Gegebenheiten wie z.B. die Topographie, die Grünzüge, Schutzgebiete und Erholungsflächen. Im Landschaftsplan werden die Qualitäten von Natur und Landschaft, für die gesamte Stadt Flensburg erhoben und dargestellt. Für die zukünftige Entwicklung der Landschaft in Flensburg wird das bisherige Modell der Grünringe und Landschaftsachsen qualitativ weiterentwickelt. Vernetzung und identitätsstiftende urbane Grünräume rücken stärker in den Fokus. Der Landschaftsplan schlägt Entwicklungsschwerpunkte wie z.B. zur Sicherung und Aufwertung des Biotopverbundes vor und benennt Maßnahmen, die die Multifunktionalität von Grünräumen fördern.

Aufbauend auf den Aussagen des Landschaftsplanes z.B. zu Optionen für Siedlungsbereiche stellt der Flächennutzungsplan die aktuelle und zukünftige städtebauliche Entwicklung dar. Dies geschieht über die vorgesehene Art der Bodennutzung, die in den Grundzügen für alle Flächen des Stadtgebietes bestimmt wird. Der Flächennutzungsplan bildet dadurch den übergeordneten Entwicklungsrahmen für die verbindliche Bauleitplanung, die gemäß Baugesetzbuch z.B. über Bebauungspläne konkrete planerische Lösungen für einzelne Grundstücke ausgestaltet.

Propaganda und Wirklichkeit: Die Grünen und eine gefakte Planzeichnung für das Hotelprojekt

Was sind die programmatischen Versprechen der Flensburger Grünen für die kommende Kommunalwahl wert?

Eine ökologisch wichtige Landschaftsfläche soll für den Umzug von Jacob Cement geopfert werden. Mit Zustimmung der Grünen.

Während die Grünen sich in ihrem kürzlich veröffentlichten  Kommunalwahl-Programm wieder einmal als Partei präsentieren, die sich den Schutz der Natur und Umwelt in Flensburg auf ihre Fahnen geschrieben hat, sieht die Wirklichkeit und die politische Praxis der Grünen etwas anders aus.

So machte Grünen-Ratsherr Stefan Thomsen  in seiner Rede auf der Ratsversammlung am 23.3. zum Thema Landschaftsplan, dem Umzug von Jacob Cement und Projekt Hafen-Ost unmissverständlich klar, dass er die Inanspruchnahme und die Versiegelung von ökologisch wichtigen Landschaftsflächen zugunsten der Ansiedlung von Gewerbebetrieben für notwendig hält. Dies betrifft insbesondere auch Geschlossenheck nahe  Wees.
Damit unterstrich er seine außerordentlich wirtschaftsfreundliche Haltung, die er so auch schon auf der Sitzung des Finanzausschusses am 16.3.  dargelegt hatte.

Das, wie auch die Zustimmung der Grünen zur Bebauung des parkähnlichen Geländes der KITA Schwedenheim an der Helenenallee 15-17, das mitsamt KITA und Baumbestand einem Wohnungsprojekt weichen soll, spricht nach Ansicht vieler Umweltaktivistinnen und -aktivisten jedoch nicht für eine Partei, die sich konsequent für den Erhalt von Natur und Umwelt in Flensburg einsetzt. Ebensowenig hätten die Grünen auf die  Kritik des Naturschutzbeauftragten Dr. Ralph Müller an diesem Projekt reagiert. Auch die Offene Anfrage der Bürgerinitiative Bahnhofsviertel  an die Ratsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, CDU, FDP, SSW und SPD, wie auch der Offene Brief der BI Bahnhofsviertel zum Bauvorhaben auf dem Gelände der KITA Schwedenheim, hatte die Flensburger Grünen leider nicht zu einer Stellungnahme bewogen oder Ralph Müller, die BI Bahnhofsviertel sowie weitere Umweltschützerinnen und -schützer zu einem klärenden Gespräch einzuladen.

Gezielte Desinformation durch die Grünen beim Streit um das Hotelprojekt am Bahnhof?

Dass die Grünen zur Rechtfertigung ihrer Zustimmung zum Hotelprojekt am Bahnhof und der Vernichtung eines kleinen, aber ökologisch bedeutsamen Waldhabitats und geschützten Quellbiotops nicht davor zurückschreckten, sich vor zwei Jahren sogar einer gefälschten Planzeichnung zu bedienen, haben vielleicht einige Menschen in unserer Stadt schon vergessen. Bis heute haben sich  die damalige Kreisvorsitzende und die Flensburger Grünen von dieser irreführenden und wahrheitswidrigen Zeichnung  nicht distanziert und sich für deren Verwendung ebensowenig entschuldigt. Objektiv haben sie sich damit ohne Not einseitig zu Sachwaltern der Wirtschaftsinteressen der Hotelinvestoren gemacht, das Vertrauen nicht nur ihrer Wählerinnen und Wähler missbraucht, sondern auch den programmatischen Zielen der Grünen grob  zuwidergehandelt. Deshalb sei allen Stadtblog-Leserinnen und Lesern zu diesem Thema der gleich folgende Beitrag der Bürgerinitiative Bahnhofsviertel Flensburg vom Februar 2021 nochmal wärmstens zur Lektüe empfohlen.

Und jede Wählerin und jeder Wähler ist gut beraten, die politische Praxis und das Abstimmungsverhalten der Mandatsträgerinnen und -träger in den letzten Jahren mit dem Programm und Wahlversprechen ihrer jeweiligen Parteien kritisch zu vergleichen. Denn Papier kann ziemlich geduldig sein…

Gezielte Desinformation? – Mit falschen Planzeichnungen für das Hotel

Ein Fiasko für die Flensburger Grünen

Ein Beitrag der Bürgerinitiative Bahnhofsviertel Flensburg vom 3. Februar 2021

Die Kreisvorsitzende der Grünen untermauert in einem Beitrag auf Facebook am 10. Januar 2021 ihre Argumentation für das Hotel mit dem Hinweis auf die im Bild gezeigte Planskizze. Diese vermittelt den Eindruck, als würde das geplante Hotel im wesentlichen auf schon versiegelter Fläche errichtet – auf dem Parkplatz der Post.

Diese Darstellung erschien mehrmals ohne Urhebernennung auf Facebook-Posts und Kommentaren und vermittelt den Eindruck, sie sei eine offizielle Planskizze der Stadt Flensburg. Fragezeichen von der BI eingefügt. Die offizielle Planzeichnung der Stadt findet sich am Ende dieses Beitrags

Tatsächlich handelt es sich bei dieser Darstellung um eine recht plumpe und irreführende Verfälschung. Die Auskunft der Flensburger Verwaltung hierzu lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: “Uns ist eine solche Planung nicht bekannt.” (Fachbereich Stadtentwicklung und Umweltschutz am 28.01.2021)

Dreist ist sicher der Versuch, mit dieser Falschdarstellung die tatsächliche Dimension des Hotelneubaus zu verschleiern und so auch die mit ihm einhergehende Zerstörung des Bahnhofswaldes. Wirklich brisant aber ist die Tatsache, dass die Grünen ihre Entscheidung für das Hotel (sie stimmten in der Ratsversammlung am 25.06.20 mehrheitlich für die Bauplanung) mit dieser Fälschung untermauern. Ein Ratsmitglied der Grünen hat uns gegenüber das Argument, es werde fast gar keine Fläche neu versiegelt mehrfach wiederholt, und nun schreibt die zweite Kreisvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen ebenfalls am 10.01.21 auf Facebook:

“Insofern war es keine schwarzweiß Entscheidung und die Tatsache, dass ein Großteil des zu bebauenden Geländes eben bereits versiegelt ist (nein, nicht die Fläche im Wald, ist auch klar), spielte bei der Entscheidung meines Wissens eine wichtige Rolle.”

Noch am selben Tag präsentiert die Kreisvorsitzende zum Beweis dieser Behauptung die besagte Planfälschung. Richtigzustellen ist aber: Die offiziellen Planzeichnugen belegen – völlig anders als hier dargestellt – dass dem Hotel alle Bäume entlang der Straße zum Opfer fallen und der Hotelkörper fast bist zur Grundstücksgrenze nach Süden reichen soll. Da wird es keine gerodete Grünfläche mehr geben. Tatsächlich wird nach den offiziellen Angaben die Hälfte der künftig versiegelten Fläche neu versiegelt sein (2.464 m² von 4.635 m²).

Welche Schlüsse ziehen wir daraus?
Vor allem aber: Welche Schlüsse zieht die Ratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen?

Haben die Flensburger Grünen ihre Entscheidung pro Hotel- und Parkhausbau auf der Basis solcher Falschinformationen getroffen, dann sollten sie heute konsequent sein, ihrer Verantwortung für Klima- und Artenschutz gerecht werden und offen zugeben, dass ihre Entscheidung pro Hotelbau falsch war.

Bürgerinitiative Bahnhofsviertel Flensburg – c/o Christiane Schmitz Strempel und Günter Strempel, Tiesholz 1, 24941 Flensburg, Telefon: 0461 – 16 87 627 – E-Mail: bahnhofswald-fl@grain.one

Offizielle Planskizze (Baumkataster zum B-Plan Nr. 303 „Hauptpost“) der Stadt Flensburg für das Hotelprojekt am Bahnhofswald: Rot eingefärbt die Baukörper für das geplante Hotel und das Parkhaus, rosa die voll- und teilversiegelten Freiflächen, grau die bestehenden Gebäude. Gestrichelte Linie im Plangebiet: Grenze der im Bestand bereits vollversiegelten Fläche. Mit x sind die von der Fällung bedrohten Bäume gekennzeichnet. Allerdings sind die ebenfalls bedrohten „untermaßigen“ Bäume hierbei nicht berücksichtigt. –  Für eine größere Darstellung auf die Zeichnung klicken

 

Mehr zum Thema auch in dem Stadtblog-Beitrag vom 30.07.2020: Flensburger Bahnhofswald: Mit Falschinformationen die Öffentlichkeit hinters Licht führen unter:https://akopol.wordpress.com/2020/07/30/flensburger-bahnhofswald-mit-falschinformationen-die-oeffentlichkeit-hinters-licht-fuehren/

Und als Nachtrag zwei Fotos der Fläche vor und nach der Rodung:

Der Wald im Herbst 2020 – Foto: Bernd Schütt 01.11.2020

Aus der Quelle in der Mitte des Rodungs-Fotos tritt weiterhin Wasser aus und läuft in dem dunkelbraunen Streifen bis auf den Postparkplatz. Wer will, kann auf das Bild zwei Mal klicken, um es zu vergrößern und die Baumstümpfe zählen…. – Foto: Bernd Schütt 24.02.2021

Weitere Infos, Beiträge und Fotos zum Thema Hotel- und Parkhausprojekt am Flensburger Bahnhofswald auch hier

Großstadtwahnsinn: Planungen für Projekt Hafen-Ost in Flensburg mangels Geld vor dem Aus

Sanierungsgebiet Hafen-Ost: Der  vor drei Monaten beschlossene Rahmenplan ist mangels Geld nicht mehr umsetzbar – Foto: Jörg Pepmeyer

Mehrheit der Politiker hält trotzdem am Umzug von Jacob Cement fest:  Teilfläche eines Landschaftsschutzgebietes soll geopfert werden

Ein Beitrag von Jörg Pepmeyer

Es war geradezu eine Bankrott-Erklärung, die Verwaltung und  Teile der Politik in der Sitzung des Finanzausschusses am Donnerstagabend ablieferten. Anlass war TOP 13 der Sitzung: Mitteilungsvorlage Sachstand „Kostencontrolling Sanierungsgebiet Hafen-Ost“ FA-16/2023, in der die Verwaltung eine Kostenübersicht  für das Sanierungsprojekt Hafen-Ost präsentieren sollte. Dem vorausgegangen war ein äußerst knapper Beschluss vom 15. Dezember 2022 im Finanzausschuss, (8 zu 7 Stimmen) für den sich vor allem der SSW mit Glenn Dierking und Martin Lorenzen, die WiF und der fraktionslose Ratsherr Andreas Zech eingesetzt hatten. Die forderten in ihrer Vorlage die Verwaltung auf am 16. März Folgendes vorzulegen:

a) einen aktuellen Finanz- und Kostenplan (Stand 31.12.2022) für das Projekt „Sanierung Hafen- Ost“.
b) im nichtöffentlichen Teil eine Übersicht, die alle, mit der Entwicklung des Hafen-Ost geplanten Verlagerungskosten und Ausgleichszahlungen an die betreffenden Betriebe inklusive der Verlagerung des Wirtschaftshafens auf die Westseite, aufführt.
c) eine Übersicht sämtlicher bisher entstandenen internen und externen Kosten bis 31.12.2022 des Sanierungsträgers, die nach Projekt Konzeptionierung, Beratung, Gutachten, Moderationen der Beteiligungsveranstaltungen, Bürokosten, Planung aufgeschlüsselt sind.
d) eine überarbeitete und aktualisierte „Kommunale Nutzenanalyse/ Wirtschaftlichkeitsberechnung Planung Hafen Ost.“
e) mit welchen Gesamtkosten der Sanierungsträger rechnet, bis das Projekt abgeschlossen werden kann.

Kein Geld: Der  vor drei Monaten beschlossene Rahmenplan ist nicht mehr umsetzbar

Der etwas unverschämte Versuch von Stadtkämmerer Henning Brüggemann, das Ganze mit einem lässigen Hinweis auf die von der Verwaltung erstellte Mitteilungsvorlage am Donnerstag ganz kurz zu halten, scheiterte jedoch gründlich. Denn es war klar, dass etliche Kommunalpolitiker, so Martin Lorenzen vom SSW, der von der Mitteilungsvorlage schlichtweg „erschüttert“ war, aber auch der fraktionslose Ratsherr Andreas Zech und Gunnar Speck von der WiF sich auf diese Art nicht abspeisen lassen wollten und erheblichen Diskussionsbedarf sahen. Zumal wesentliche Forderungen des Beschlusses nicht erfüllt wurden.

 

Der im Dezember beschlossene Rahmenplan Hafen-Ost: Die Wunschliste für den Weihnachtsmann – vergeblich. Zum Vergrößern Doppelklick

Lediglich zu den Punkten b und c gab es mehr oder weniger zufriedenstellende Informationen durch Henning Brüggemann, der zugeben musste, dass es angesichts veränderter Förderrichtlinien, verringerter Fördersummen und -zeiträume sowie explodierender Baupreise nicht mehr möglich sei, die im Rahmenplan Hafen-Ost festgelegten Planungsziele im beabsichtigten Umfang und Zeitraum umzusetzen.

Anstatt dessen ist nun angedacht das aktuelle Fördergebiet auf eine Größe zu verkleinern, die bis 2034 finanziell umsetzbar ist. Brüggemann war aufgrund dieser Unwägbarkeiten daher auch nicht in der Lage oder willens in irgendeiner Form die möglichen Gesamtkosten für das Projekt anzugeben. Gleichfalls gab es dementsprechend von ihm auch nicht, wie ebenfalls im Beschluss vom 15.12. gefordert, eine überarbeitete und aktualisierte „Kommunale Nutzenanalyse/ Wirtschaftlichkeitsberechnung Planung Hafen Ost“. Wieviel Arbeitsstunden von der Verwaltung bereits schon für das Hafen-Ost-Projekt erbracht wurden, dazu machte er natürlich auch keine Angaben. Es liegt auf der Hand, dass dieses Projekt auch enorme Personal-Ressourcen der Verwaltung in Anspruch genommen hat, und damit die Gefahr besteht, dass andere und wichtige Planungsprojekte, wie der Bau der neuen Feuerwehrwache, nicht angemessen bearbeitet werden konnten oder sogar  zurückgestellt werden mussten.

Somit bleibt letztlich eine von der Verwaltung angegebene Summe von bisher verausgabten 1,2 Mio. Euro für vorbereitende Maßnahmen und Kosten für den Sanierungsträger. Dazu kommen noch 3,1 Mio. Euro, die bereits für die Verlegung des Wirtschaftshafens und Ertüchtigung des Stadtwerke-Ufers an die Stadtwerke gezahlt wurden. (Die  Mitteilungsvorlage mit den entsprechenden Angaben findet sich zur Ansicht und als Download am Ende dieses Beitrags.)

Debatte im Finanzausschuss und SUPA: Grüne outen sich als Kollaborateure eines umweltzerstörenden Wachstumssystems

Fett rot umrandet: Das soll die neue Gewerbefläche für Jacob Cement werden

Von den hochfliegenden Plänen für das Sanierungsprojekt Hafen-Ost ist damit nicht mehr viel übrig. Unverständlich in der anschließenden Debatte im Finanzausschuss war jedoch die „Weiter-so!“-Mentalität der CDU, FDP, SPD und Grünen-Ausschussmitglieder. Justus Klebe, gleichzeitig SPD-Fraktionsvorsitzender, hält trotz der von Brüggemann dargestellten Zahlen weiter an dem Projekt fest, ohne dass er wirklich stichhaltige Argumente dafür liefern konnte. Auch Stefan Thomsen und Katja Claussen von den Grünen stehen weiter dazu. Die sprach dann sogar davon, dass „wir Visonen brauchen“.

Wie sich solche Visionen andernorts ganz praktisch darstellen, konnte man jedoch zwei Tage vorher in der Sitzung des Umwelt- und Planungsausschusses miterleben, als es um den Landschaftsplan und die für das Hafen-Ost Projekt beschlossene Verlagerung von Jacob Cement ging. Die Grünen finden nichts daran im Rahmen des Umzugs eine wertvolle Grünfläche zu vernichten und zu versiegeln, die eine wichtige ökologische Rolle für andere geschützte Landschaftsteile spielt. 

Protest der Anwohner des Landschaftsschutzgebiets „Slotten Heck“ oder auch neudeutsch: Geschlossenheck – Foto: Alfred Pietza

Auch die Kritik der Anwohner von Geschlossenheck daran und an der Neuaufstellung des Landschaftsplans mit dem drohenden Verlust von bisher geschützten Naturflächen fand kein Gehör bei den Grünen. So sieht der neue Landschaftsplan u.a. die Entwidmung von 35,5 Hektar Fläche im noch aktuellen Landschaftsschutzgebiet Bauernwald, Blocksberg vor, verbunden mit der Umwidmung in eine im Flächennutzungsplan  ausgewiesene Bauprüffläche. Gegen all das laufen die Bewohner und ihre Unterstützer unter dem Motto „Fingers weg vun Slotten Heck“ seit Wochen Sturm. (Mehr dazu hier)

Aber trotzdem lobte Arndt Scherdin, Ausschuss-Mitglied der Grünen im SUPA am Dienstag ausdrücklich die Verwaltung für den neuen Landschaftsplan. Der wurde dann mehrheitlich mit den Stimmen der Grünen im Ausschuss beschlossen. Das hat bei etlichen Umweltschützern für Empörung gesorgt. Das erinnere an die Zustimmung der Grünen für das Hotelprojekt am Bahnhof mit der anschließenden Vernichtung des ökologisch wertvollen Waldstücks und der polizeilichen Räumung des besetzten Geländes am Bahnhof vor zwei Jahren. Apropos Besetzung, es ist ja bald wieder Frühling….

Vollendete Tatsachen schaffen?

Und offensichtlich wollte die  Stadt schon im Vorfeld der SUPA-Sitzung vollendete Tatsachen schaffen. Denn  schon seit dem 02.12.2022, also noch vor der Vorlage und dem Ergebnis der Abstimmung zum Beschluss des finalen Entwurfs zur Neuaufstellung des Landschaftsplans am 14.03. im SUPA und dem endgültigen Beschluss am 23.3. in der Ratsversammlung, wurden bereits ca. 4 Hektar dieser unter Landschaftsschutz stehenden Flächen aktiv, das heißt unter anderem durch Vermessung durch das TBZ, zur Vorbereitung der Änderung des Flächennutzungsplanes der Stadt und zur Aufstellung einer Bauleitplanung zur Ansiedlung des „Baustoffhandel Nordstraße“ (ugs. Fa. Umsiedlung Fa. Jacob Cement) überplant.

Nun stellt sich aber für viele Beobachter, die Anwohner von Geschlossenheck und Umweltschützer die Frage, ist die  Entscheidung Jacob Cement umzusiedeln, nicht hinfällig, nachdem klar ist, dass das Sanierungsgebiet Hafen-Ost in der beschlossenen Form nicht finanzierbar und entwickelbar ist und neu überplant werden muss? Und auch für die Umsiedlung von Jacob Cement müsste die Stadt ja tief in die Tasche greifen. Insofern könne es auf der Ratsversammlung am 23.3. nur heißen: Nein zum Landschaftsplan und zur Umsiedlung von Jacob Cement.

Hafen-Ost: Wohnen und Wirtschaftshafen neu planen

SSW-Ratsherr Martin Lorenzen

SSW-Ratsherr Martin Lorenzen und der fraktionslose Ratsherr Andreas Zech machten in der weiteren Debatte im Finanzausschuss unmissverständlich klar, dass es ein „Weiter so!“ nicht geben könne. Sie machten in ihren Beiträgen ebenso deutlich, dass eine weitere Versiegelung der Landschaft nicht mehr stattfinden dürfe und das Projekt-Hafen-Ost unter ganz anderen Prämissen neu geplant werden müsse.  Martin Lorenzen und die SSW-Fraktion sehen sehr wohl die Chance für ein Nebeneinander von Wirtschaftshafen und Wohnen am Ostufer. Eine Umsiedlung von Jacob Cement sei derzeit unnötig.

Lorenzen und Zech forderten ebenso wie Gunnar Speck von der WiF, dass die Verwaltung die ausgebliebenen Informationen in den nächsten Monaten nachliefern müsse. Dazu gehöre die Kommunale Nutzenanalyse/ Wirtschaftlichkeitsberechnung Planung Hafen Ost, eine Gesamtkostendarstellung auch bei einer reduzierten Realisierung der ursprünglichen Planungen und die Höhe der möglichen Fördermittel.

Der fraktionslose Ratsherr Andreas Zech

Übrigens musste Brüggemann ebenso einräumen, dass es für die Kosten der Verlagerung des Wirtschaftshafens an das Stadtwerke-Ufer, bisher 3,1 Mio. Euro, keine Fördermittel gibt. Angesichts des immer noch voll funktionsfähigen Wirtschaftshafens am Ostufer sind diese städtischen Millionen somit mehr oder weniger in den Sand der Förde gesetzt.

Andreas Zech wünscht sich zudem auch noch die Kostenschätzung für den Hochwasserschutz Hafen-Ost. Aufgrund des durch den Klimawandel bedingten Meeresspiegelanstiegs müssten auch die Kosten für den Hochwasserschutz neu berechnet werden.

Brüggemann versprach die geforderten Infomationen und eine Prognose der Gesamtkosten auch für ein eingedampftes Projekt Hafen-Ost in den nächsten Monaten zu liefern.

Strippenzieher im Hintergrund?

Unerklärlich bleibt jedoch, warum der Rahmenplans Hafen-Ost im Dezember durch die Ratsversammlung gepeitscht wurde. Denn dass die Risiken und Finanz-Probleme insbesondere dem Chef des mit dem Projekt massgeblich befassten städtischen Sanierungsträgers IHRSan, Markus Pahl, aber auch Henning Brüggemann nicht bekannt waren, ist kaum anzunehmen. Und der neue Oberbürgermeister Dr. Fabian Geyer, der ja schon gewählt, aber noch nicht im Amt war, hat dieses Vorgehen von Verwaltung und Kommunalpolitik bereits sehr eindeutig kritisiert. Faktisch hat man ihm mit dem Rahmenplan und dem Hafen-Ost Projekt mitsamt Verlagerung des Wirtschaftshafens  ein Kuckucksei ins Nest gelegt, in der Hoffnung, dass er das brav ausbrütet. Wie heißt es bei den Juristen so schön: Cui bono? Wer würde also am meisten davon profitieren und hätte das größte Interesse an einem derartigen Beschluss in dieser Eile gehabt?.

Wäre aber bereits schon  Ende November, Anfang Dezember die finanzielle Schieflage des Projekts öffentlich bekannt gewesen, vor der insbesondere die Bürgerinitiative Flensburger Hafen und Andreas Zech schon länger gewarnt hatten, hätte Fabian Geyer sicher interveniert und es wäre nicht zum Beschluss der Ratsversammlung am 1.12. für den Rahmenplan gekommen. Und insofern ist es auch interessant, wer alles am 15.12. im Finanzausschuss gegen die Beschlussvorlage zur Offenlegung der Kosten für das Sanierungsprojekt Hafen-Ost gestimmt hat. War den Beteiligten bereits klar, wie mau die Zukunft für das Projekt aussieht?  Die Frage ist also, wer hat aufgrund welcher Motive welche Strippen in der Verwaltung und Kommunalpolitik gezogen?  Diese Frage zu beantworten, das wäre doch mal eine Herausforderung für unsere Journalisten von der Tagespresse.

Und es ist ein Witz, dass die Stadt trotzdem noch die Märchen-Ausstellung zum Planungsprojekt Hafen-Ost bei Robbe und Berking  auf ihrer Homepage für Besucher bewirbt. Offensichtlich hält man im Rathaus die Öffentlichkeit für völlig bescheuert.

Ratsherr Andreas Zech hat in einem Beitrag, der auch Grundlage seiner Stellungnahme im Umwelt- und Planungsausschuss und in der Ratsversammlung war, ausführlich seine Kritik am Sanierungsprojekt Hafen-Ost und der beabsichtigten Verlagerung des Wirtschaftshafens dargelegt. Stellungnahme von Ratsherr Andreas Zech zum Nachlesen und Download

Mitteilungsvorlage Sachstand „Kostencontrolling Sanierungsgebiet Hafen-Ost“ FA-16/2023

Wolkenkuckucksheim Hafen Ost?

Sanierungsgebiet Hafen-Ost: In Zukunft drohen dem geplanten neuen Wohnquartier durch die Folgen des Klimawandels regelmäßig Überflutungen – Foto: Jörg Pepmeyer

Ein Beitrag von Dr. Helmreich Eberlein

Zur Zeit stellt die Stadt in einer Ausstellung bei Robbe und Berking ihre Rahmenplanung für Hafen Ost vor. Ich hab‘ sie mir angesehen, und auf den ersten Blick ist es ganz beeindruckend, was für tolle Gedanken sich die Stadtplaner da gemacht haben. Man würde sich wünschen, diese Prinzipien wären für die ganze Stadt gültig! Beim zweiten Nachdenken frage ich mich allerdings, ob uns da nicht ein Wolkenkuckucksheim vorgestellt wird: Die Finanzierung auf tönernen Füßen, die Nebenwirkungen wie die Auslagerung von Jacob Cement nach Wees mit der großflächigen Versiegelung dort unterschlagen, und finden sich überhaupt Investoren, die unter diesen weitgehenden Vorgaben die tollen Pläne realisieren wollen? In welchen Zeiträumen denn? Und vor allem: mitten im Hochwassergebiet.

Dr. Helmreich Eberlein während einer Podiumsdiskussion im Offenen Kanal Flensburg 

Das Problem ist den Planern durchaus  bewusst: wegen der erwarteten Überschwemmungen dürfen die Häuser nur ab der ersten Etage bewohnt werden, im Erdgeschoss soll es nur Nebenräume geben und  Gastronomie. Wie? Welcher Gastronom eröffnet ein Lokal da, wo es mehrfach im Jahr unter Wasser steht? Der Meeresspiegel wird steigen, die Planer rechnen mit bis zu 1 m in diesem Jahrhundert. Aber da bleibt es nicht stehen; das Abschmelzen des Grönland-Eises ist schon jetzt nicht mehr zu stoppen, es beschleunigt sich immer mehr, und ebenso das Abschmelzen großer Eisflächen in der Ost- und West-Antarktis. Das kann leicht dazu führen, dass Ende des Jahrhunderts der Meeresspiegel auch zwei Meter höher steht (und langfristig 7 m höher), und wenn dann die unvermeidlich zunehmenden Stürme mit immer häufigeren Hochwassern von 2, 3 m oben drauf kommen, dann möchte ich nicht in dem Gebiet wohnen!

Wer plant einen neuen Stadtteil für nur 50 Jahre? Wäre es nicht besser, langfristig haltbare Stadtentwicklung zu planen, und das hieße, die Wohnbebauung eher von den Fördeufern zurück zu ziehen? An Pfahlbauten wie in Unteruhldingen ist ja nicht gedacht …

(Aber auf jeden Fall ist Unteruhldingen am Bodensee eine Reise wert, die Stadtblog-Redaktion: https://www.pfahlbauten.de/ )


Auch der fraktionslose Ratsherr Andreas Zech hat in einem Beitrag, der Grundlage seiner Stellungnahme im Umwelt- und Planungsausschuss und in der Ratsversammlung war, ausführlich seine Kritik am Sanierungsprojekt Hafen-Ost und den unzureichenden Planungen hinsichtlich des Hochwasserschutzes für den neuen Stadtteil  dargelegt. Mehr dazu in dem Stadtblog-Beitrag vom 3.12.2022: Scharfe Kritik am Beschluss der Ratsversammlung zum Rahmenplan Hafen-Ost unter https://akopol.wordpress.com/2022/12/03/scharfe-kritik-am-beschluss-der-ratsversammlung-zum-rahmenplan-hafen-ost/

Mehr zum Thema auch auf der Webseite der Bürgerinitiative Flensburger Hafen: https://flensburg-hafen.de/

2. Jahrestag der Räumung und Rodung am Bahnhofswald – Kundgebung und Aktion am 19. Februar im Carlisle-Park

Räumung des Bahnhofswalds am 19. Februar 2021: Hunderte UnterstützerInnen der BesetzerInnen bringen lautstark ihren Protest zum Ausdruck – Foto: Jörg Pepmeyer

Die BI Bahnhofsviertel lädt alle ein am Sonntag den 19.02.2023 um 14 – 16 Uhr in den Carlisle Park

In Kürze jährt sich die Räumung und Rodung am Bahnhofswald zum zweiten Mal. Am 19. Februar 2021 kulminierte der Streit um den Bahnhofswald mit einem Akt der Selbstjustiz, den die Investoren verübten. Sie schickten einen privaten Sicherheitsdienst und einen Trupp Baumsäger, die damit begannen, die durch Aktivisten in Baumhäusern besetzten Bäume abzusägen.

Der Flyer zum Download

Die Polizei stoppte das erst nach Stunden, setzte dann aber mit einem der größten Polizeieinsätze der Flensburger Geschichte über mehrere Tage die Räumung und Rodung des Gehölzes fort. Man sorgte damit für eine große Ansammlung der schockierten Flensburger*innen – mitten in der Corona-Welle samt nächtlicher Ausgangssperre für die Stadtbewohner. Die Aktion spaltete die Stadtgesellschaft.

Inzwischen sprach das Amtsgericht einen der angeklagten Aktivisten frei: Seine Hausbesetzung sei wegen „rechtfertigendem Notstand“ straffrei. Klimaschutz habe Verfassungsrang und gehe vor dem Eigentumsrecht der Investoren. Der am Bahnhofswald geplante Hotelbau steckt bis heute wegen einer Klage des BUND gegen die Baugenehmigung fest.

Am Sonntag den 19.2.2023 erinnert die Bürgerinitiative an diese Ereignisse mit einer Veranstaltung im Carlisle-Park (direkt gegenüber der Kahlschlagsfläche).
Jedermann und jedefrau ist eingeladen teilzunehmen.
Beginn ist um 14 Uhr. 

Mit MUSIK von

ÜZE OLDENBURG Drehleier/Dudelsack

LEON MANCILLA voc., guit.

DIE BLÖDE BUNNIES BAND voc., guit., bass

Mit REDEBEITRÄGEN und einer AKTION,

mit der auf eine neue geplante Umweltsünde in der Nähe aufmerksam gemacht wird:
Auch die Baumgruppe auf dem Gelände der Kita Schwedenheim in der Helenenallee soll einer Blockrandbebauung weichen. (Mehr dazu mit Fotos hier und in einem Beitrag der BI Bahnhofsviertel )

Die BI Bahnhofsviertel legt allen Flensburger*innen nahe, bei der Kommunalwahl im Mai die Ereignisse am Bahnhofswald zu bedenken:

Die repräsentative Demokratie funktioniert nur, wenn die Parteien sich für ihr Handeln verantworten müssen.

Eine Veranstaltung der BI Bahnhofsviertel Flensburg www.bahnhofsviertelflensburg.de

Dazu auch ein Stadtblog-Beitrag vom 6. Februar 2023 Hotelprojekt: Die Märchenerzähler von Flensburg

Trotz naturrechtlichem Schutz dem Erdboden gleichgemacht: Ehemaliges Quellgebiet und Feuchtbiotop im Bahnhofswald – Die Stadt Flensburg bestritt die Existenz einer Quelle und berief sich auf eigene Gutachten. Das sah das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) vollkommen anders und stellte das Quellgebiet am 5. August 2020 unter gesetzlichen Biotopschutz (Das entsprechende Schreiben gibt es hier: https://akopol.files.wordpress.com/2020/08/quelle_erfassungsbogen-und-lage.pdf ). – Foto: Dr. Helmreich Eberlein, Anfang Mai 2020

Das Böömdorp im besetzten Bahnhofswald am 17. Januar 2021 – Foto: Jörg Pepmeyer

2. Jahrestag der Räumung und Rodung am Bahnhofswald – Kundgebung und Aktion am 19. Februar in Flensburg

Räumung des Bahnhofswalds am 19. Februar 2021: Hunderte UnterstützerInnen der BesetzerInnen bringen lautstark ihren Protest zum Ausdruck – Foto: Jörg Pepmeyer

Die BI Bahnhofsviertel lädt alle ein am Sonntag den 19.02.2023 um 14 – 16 Uhr in den Carlisle Park

In Kürze jährt sich die Räumung und Rodung am Bahnhofswald zum zweiten Mal. Am 19. Februar 2021 kulminierte der Streit um den Bahnhofswald mit einem Akt der Selbstjustiz, den die Investoren verübten. Sie schickten einen privaten Sicherheitsdienst und einen Trupp Baumsäger, die damit begannen, die durch Aktivisten in Baumhäusern besetzten Bäume abzusägen.

Der Flyer zum Download

Die Polizei stoppte das erst nach Stunden, setzte dann aber mit einem der größten Polizeieinsätze der Flensburger Geschichte über mehrere Tage die Räumung und Rodung des Gehölzes fort. Man sorgte damit für eine große Ansammlung der schockierten Flensburger*innen – mitten in der Corona-Welle samt nächtlicher Ausgangssperre für die Stadtbewohner. Die Aktion spaltete die Stadtgesellschaft.

Inzwischen sprach das Amtsgericht einen der angeklagten Aktivisten frei: Seine Hausbesetzung sei wegen „rechtfertigendem Notstand“ straffrei. Klimaschutz habe Verfassungsrang und gehe vor dem Eigentumsrecht der Investoren. Der am Bahnhofswald geplante Hotelbau steckt bis heute wegen einer Klage des BUND gegen die Baugenehmigung fest.

Am Sonntag den 19.2.2023 erinnert die Bürgerinitiative an diese Ereignisse mit einer Veranstaltung im Carlisle-Park (direkt gegenüber der Kahlschlagsfläche).
Jedermann und jedefrau ist eingeladen teilzunehmen.
Beginn ist um 14 Uhr. 

Mit MUSIK von

ÜZE OLDENBURG Drehleier/Dudelsack

LEON MANCILLA voc., guit.

DIE BLÖDE BUNNIES BAND voc., guit., bass

Mit REDEBEITRÄGEN und einer AKTION,

mit der auf eine neue geplante Umweltsünde in der Nähe aufmerksam gemacht wird:
Auch die Baumgruppe auf dem Gelände der Kita Schwedenheim in der Helenenallee soll einer Blockrandbebauung weichen. (Mehr dazu mit Fotos hier und in einem Beitrag der BI Bahnhofsviertel )

Die BI Bahnhofsviertel legt allen Flensburger*innen nahe, bei der Kommunalwahl im Mai die Ereignisse am Bahnhofswald zu bedenken:

Die repräsentative Demokratie funktioniert nur, wenn die Parteien sich für ihr Handeln verantworten müssen.

Eine Veranstaltung der BI Bahnhofsviertel Flensburg www.bahnhofsviertelflensburg.de

Dazu auch ein Stadtblog-Beitrag vom 6. Februar 2023 Hotelprojekt: Die Märchenerzähler von Flensburg

Trotz naturrechtlichem Schutz dem Erdboden gleichgemacht: Ehemaliges Quellgebiet und Feuchtbiotop im Bahnhofswald – Die Stadt Flensburg bestritt die Existenz einer Quelle und berief sich auf eigene Gutachten. Das sah das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) vollkommen anders und stellte das Quellgebiet am 5. August 2020 unter gesetzlichen Biotopschutz (Das entsprechende Schreiben gibt es hier: https://akopol.files.wordpress.com/2020/08/quelle_erfassungsbogen-und-lage.pdf ). – Foto: Dr. Helmreich Eberlein, Anfang Mai 2020

 

Sanierungsprojekt Hafen-Ost: Das Märchen vom suffizienten und sozialen Stadtquartier

Sanierungsprojekt Hafen-Ost in Flensburg: Bestimmen am Ende doch wieder die Investoren und Bauspekulanten wohin die Reise geht? Foto: Jörg Pepmeyer

Das Ostufer als Spielwiese von Investoren und Immobilienspekulanten – und die öffentliche Hand zahlt?

Ein Beitrag von Jörg Pepmeyer

Ob die vorgestellten Planungen für das Sanierungsprojekt Hafen-Ost in absehbarer Zeit realisiert werden, steht mittlerweile in den Sternen. Denn die Kosten für die Umsetzung der Sanierungspläne werden für die Stadt Flensburg voraussichtlich ganz erheblich höher ausfallen, als gedacht. Das zeigen die durchaus seriösen Berechnungen der Bürgerinitiative Flensburger Hafen und kritischer Kommunalpolitiker. Aufgrund der vorhandenen Altlasten im Hafengebiet, des schwierigen Baugrunds und des notwendigen Hochwasserschutzes dürfte ebenso der Neubau von Wohnungen und Büros immens teuer werden. Das würde darauf hinauslaufen, dass die Stadt die Grundstücke am Hafen-Ostufer gezwungenermaßen an darauf wartende Bau-Investoren preiswert und parzellenweise verkaufen wird bzw. wird müssen, um ihre eigenen Kosten decken zu können. Auch wenn das Land Fördermittel in Aussicht gestellt hat, dürften die kaum ausreichen und droht der städtische Haushalt absehbar mit zig Millionen ohne entsprechende Einnahmen belastet zu werden, so die Kritiker des Hafen-Ost-Projektes.

Fehlende Kostenübersicht

Ratsherr Andreas Zech fordert eine aktuelle Kostenübersicht – Foto: privat

Besonders die Umsiedlung der im Hafen ansässigen Gewerbebetriebe, wie z. B. Jacob Cement dürfte für die Stadt überaus teuer werden. Suffizient wie beabsichtigt, ist die schon mal gar nicht, wie der Konflikt um die angedachte Umsiedlungsfläche nahe eines Naturschutzgebiets bei Wees zeigt. In diesem Sinne ist es überaus bemerkenswert, dass die Verwaltung bis heute keine aktualisierte und seröse Kostenübersicht für das Sanierungsprojekt Hafen-Ost der Öffentlichkeit vorgestellt hat, die den veränderten Rahmenbedingungen seit 2020 Rechnung trägt. Das soll die Verwaltung zwar am 16. März 2023 aufgrund eines äußerst knappen Beschlusses vom 15. Dezember im Finanzausschuss, (8 zu 7 Stimmen) für den sich vor allem der SSW, die WiF und der fraktionslose Ratsherr Andreas Zech stark machten, nachholen. Ob die Verwaltung und der Sanierungsträger dann allerdings auch die Risiken in vollem Umfang transparent darstellen werden, bezweifeln viele Beobachter. Auch wer glaubt, dass die von der Politik verbindlich beschlossene Erbpacht-Regelung für das Sanierungsgebiet Hafen-Ost tatsächlich umgesetzt wird, wurde mit dem vor kurzem erfolgten Verkauf des ehemals in städtischen Besitz und im Sanierungsgebiet befindlichen Alten Pumpwerks eines Besseren belehrt.

Suffizientes und soziales Stadtviertel?

Rahmenplan Hafen-Ost: Die Wunschliste für den Weihnachtsmann – Zum Vergrößern Doppelklick

Und es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass bei den derzeit explodierenden Baupreisen und steigenden Zinsen private Investoren tatsächlich bereit sind, in größerem Umfang Sozialwohnungen zu schaffen, die ihren Profit schmälern. Die werden nicht das erste Mal sagen: „Das lässt sich leider wirtschaftlich nicht darstellen“. Wenig Bereitschaft dürften sie auch zeigen, aus Suffizienzgründen bestehende Gebäude umzubauen und nicht abzureißen. Investoren wollen am liebsten planierte Flächen für den Neubau. Dafür lassen sie in Flensburg im Zweifelsfall mit dem Segen der Stadt und Politik auch einen geschützten und besetzten Wald gewaltsam räumen und roden.

Absehbar ist, dass wie gehabt, in den Ausschüssen und der Ratsversammlung die Ansprüche an die Investoren klammheimlich reduziert werden, damit die dann doch hochprofitable Miet- oder Eigentumswohnungen und Büros am Wasser bauen dürfen. Mit dem Hinweis, andernfalls würde das Gelände möglicherweise nicht bebaut und jahrelang brach liegen und der Stadt weiterhin viel Geld kosten. Um das zu vermeiden werden dann auch mal schnell Bebauungspläne entsprechend geändert. Und der Rahmenplan gibt ja nur den groben Rahmen vor.

Es wäre zudem nicht das erste Planungsprojekt, bei dem auf ehemaligem städtischen Grund und Boden, anstatt wie von Investoren und Verwaltung versprochen, dann doch keine Sozialwohnungen für Menschen mit niedrigen Einkommen herausspringen.

Verlagerung des Wirtschaftshafens teuer und unsinnig

Hier geht´s zum Download

Grundsätzlich ist der Erhalt des Wirtschaftshafens und der zugehörigen Infrastruktur mitsamt den Hafenbetrieben aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen überaus sinnvoll. In Zukunft braucht es mehr Güterverkehr weg von der Straße aufs Wasser. Dafür ist ein funktionierender und zukunftsfähiger Wirtschaftshafen, der mit seinen Betrieben gleichzeitig Arbeitsplätze schafft und erhält, und verkehrstechnisch gut angeschlossen ist, absolut notwendig.

Mit der vermeintlichen Verlagerung an das Stadtwerke-Ufer sollen offensichtlich die Kritiker des Projekts Hafen-Ost ruhig gestellt werden. Nur ist der ursprüngliche Umzugstermin aufgrund der Energiekrise und der verstärkten Nutzung des Stadtwerke-Kais für Kohleanlandungen bereits Makulatur und erscheint auch für die nächsten zwei Jahre nicht realisierbar. Aber auch unabhängig davon ist die Umsiedlung des Wirtschaftshafens völliger Unsinn und würde, wenn man es halbwegs vernünftig und ohne Einbußen in der Funktionsfähigkeit machen wollte, Unsummen kosten. Ganz abgesehen von den Belastungen, die eine mögliche Hafenverlagerung an das Westufer für die Bevölkerung der Neustadt bedeuten würde. Zu den Auswirkungen und Kosten der Umsiedlung des Wirtschaftshafens auch die Machbarkeitsstudie von wk Consult aus dem Herbst 2019 .            

Instrumentalisierung der BürgerInnen

Dabei gab es in den ersten Beteiligungsrunden und Planungsworkshops zum Hafen-Ost den ausdrücklichen Wunsch der beteiligten BürgerInnen den Wirtschaftshafen am Ostufer im Kern mitsamt dem wesentlichen Teil seiner Infrastruktur und der Hafenbetriebe zu erhalten. Über dieses Votum haben sich Verwaltung und Politik im Verlauf der letzten Jahre leider konsequent hinweggesetzt. Gleichzeitig gibt es Kommunalpolitiker, die von der kompletten Aufgabe des Wirtschaftshafens sprechen und ersatzweise dafür Apenrade ins Auge gefasst haben. Und es besteht die Gefahr, dass es am Ende genau darauf hinauslaufen wird.

Die „Beteiligung“ der BürgerInnen an den Planungen für das neue Stadtquartier Hafen-Ost erscheint dabei eingebettet in eine  perfide Strategie den gesamten Prozess und das Projekt mehr oder weniger nach außen hin demokratisch, sozialverträglich und ökologisch wirken zu lassen, um schlussendlich doch die Profitinteressen der Investoren und Bauspekulanten zu bedienen. Damit die auf ehemals städtischem Grund zum eigenen Vorteil eine schickes neues Stadtviertel hinstellen, dessen Wohnungen für viele FlensburgerInnen nicht bezahlbar sein werden. Oder anders ausgedrückt, die BürgerInnen sollen als „Verschlimmbesserer“ von wirtschaftlichen Interessengruppen und ihren Politikern, die ihre Karten nicht auf den Tisch legen, missbraucht werden. Die Stadtplanung und zugehörigen Beteiligungsprozesse werden damit nur noch privaten Interessen unterworfen. 

Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft notwendig

Ohne die Neugründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft, die zumindest einen Teil des Areals überplant und dort auch mit Fördermitteln von Land und Bund Sozial-Wohnungen baut, ist das Sanierungsprojekt Hafen-Ost auch nicht annähernd vorstellbar. Andererseits gibt es in Flensburg genügeng Flächen die nachhaltiger, suffizienter und mit erheblich geringerem Aufwand und öffentlichen Mitteln für den Wohnungsbau entwickelt werden können. Auf denen könnte ebenso dringend benötigter sozialer Wohnraum geschaffen werden. Das gilt besonders für die Neustadt, deren Wohnungsbestand mehr als zu wünschen übrig lässt. Auch dafür wäre die Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft eine entsprechende und geeignte Maßnahme. Die städtischen Millionen, die man jetzt in das Sanierungsprojekt Hafen-Ost stecken will, wären dort auf jeden Fall sinnvoller angelegt.

Zusammenfassend bleibt festzustellen: Wer beim Sanierungsprojekt Hafen-Ost nicht kritisch Fragen nach den eigentlichen Akteuren und Profiteuren und ihren Motiven stellt, und sich ebensowenig die Mühe macht, die Antworten darauf zu finden, landet womöglich da, wo er/sie auf keinen Fall landen will, nämlich beizutragen, dass die Stadt zum Selbstbedienungsladen von Bauspekulanten und Investoren wird.

Umso mehr heißt es für die BürgerInnen dieser Stadt darauf zu achten, dass dies nicht passiert. Und wenn die derzeitigen KommunalpolitikerInnen nicht dazu in der Lage oder willens sind, gehören sie bei der nächsten Kommunalwahl im Mai 2023 schlichtweg abgewählt.

Mehr zum Thema:

Die Fraktionen von SSW, WIF und der fraktionslose Ratsherr Andreas Zech befürchten ausufernde Kosten und fordern eine Übersicht sämtlicher bisher entstandenen internen und externen Kosten. Dazu der Stadtblog-Beitrag vom 13. Dezember 2022: Ist die Finanzierung für Sanierung Hafen-Ost zukunftsfest? – Fraktionen fordern Finanzplan im März 2023 unter: https://akopol.wordpress.com/2022/12/13/ist-die-finanzierung-fur-sanierung-hafen-ost-zukunftsfest/

SSW-Ratsherr Glenn Dierking übte vor kurzem scharfe Kritk an der geplanten Verlagerung des noch im Hafen befindlichen Baustoffhandels Jacob Cement. Dazu der Stadtblog-Beitrag vom 30.11.2022: Flensburg: SSW stimmt gegen Gewerbegebiet nahe Wees unter: https://akopol.wordpress.com/2022/11/30/flensburg-ssw-stimmt-gegen-gewerbegebiet-nahe-wees/

Ratsherr Andreas Zech hat in einem Beitrag, der auch Grundlage seiner Stellungnahme im Umwelt- und Planungsausschuss und in der Ratsversammlung war, ausführlich seine Kritik am gesamten Sanierungsprojekt Hafen-Ost, der beabsichtigten Verlagerung des Wirtschaftshafens und der dort ansässigen Gewerbebetriebe dargelegt. Mehr dazu in dem Stadtblog-Beitrag vom 3.12.2022: Scharfe Kritik am Beschluss der Ratsversammlung zum Rahmenplan Hafen-Ost unter https://akopol.wordpress.com/2022/12/03/scharfe-kritik-am-beschluss-der-ratsversammlung-zum-rahmenplan-hafen-ost/

Mit der ausführlichen Stellungnahme von Ratsherr Andreas Zech zum Nachlesen und Download