Großstadtwahnsinn: Planungen für Projekt Hafen-Ost in Flensburg mangels Geld vor dem Aus

Sanierungsgebiet Hafen-Ost: Der vor drei Monaten beschlossene Rahmenplan ist mangels Geld nicht mehr umsetzbar – Foto: Jörg Pepmeyer
Mehrheit der Politiker hält trotzdem am Umzug von Jacob Cement fest: Teilfläche eines Landschaftsschutzgebietes soll geopfert werden
Ein Beitrag von Jörg Pepmeyer
Es war geradezu eine Bankrott-Erklärung, die Verwaltung und Teile der Politik in der Sitzung des Finanzausschusses am Donnerstagabend ablieferten. Anlass war TOP 13 der Sitzung: Mitteilungsvorlage Sachstand „Kostencontrolling Sanierungsgebiet Hafen-Ost“ FA-16/2023, in der die Verwaltung eine Kostenübersicht für das Sanierungsprojekt Hafen-Ost präsentieren sollte. Dem vorausgegangen war ein äußerst knapper Beschluss vom 15. Dezember 2022 im Finanzausschuss, (8 zu 7 Stimmen) für den sich vor allem der SSW mit Glenn Dierking, die WiF und der fraktionslose Ratsherr Andreas Zech eingesetzt hatten. Die forderten in ihrer Vorlage die Verwaltung auf am 16. März Folgendes vorzulegen:
a) einen aktuellen Finanz- und Kostenplan (Stand 31.12.2022) für das Projekt „Sanierung Hafen- Ost“.
b) im nichtöffentlichen Teil eine Übersicht, die alle, mit der Entwicklung des Hafen-Ost geplanten Verlagerungskosten und Ausgleichszahlungen an die betreffenden Betriebe inklusive der Verlagerung des Wirtschaftshafens auf die Westseite, aufführt.
c) eine Übersicht sämtlicher bisher entstandenen internen und externen Kosten bis 31.12.2022 des Sanierungsträgers, die nach Projekt Konzeptionierung, Beratung, Gutachten, Moderationen der Beteiligungsveranstaltungen, Bürokosten, Planung aufgeschlüsselt sind.
d) eine überarbeitete und aktualisierte „Kommunale Nutzenanalyse/ Wirtschaftlichkeitsberechnung Planung Hafen Ost.“
e) mit welchen Gesamtkosten der Sanierungsträger rechnet, bis das Projekt abgeschlossen werden kann.
Kein Geld: Der vor drei Monaten beschlossene Rahmenplan ist nicht mehr umsetzbar
Der etwas unverschämte Versuch von Stadtkämmerer Henning Brüggemann, das Ganze mit einem lässigen Hinweis auf die von der Verwaltung erstellte Mitteilungsvorlage am Donnerstag ganz kurz zu halten, scheiterte jedoch gründlich. Denn es war klar, dass etliche Kommunalpolitiker, so Martin Lorenzen vom SSW, der von der Mitteilungsvorlage schlichtweg „erschüttert“ war, aber auch der fraktionslose Ratsherr Andreas Zech und Gunnar Speck von der WiF sich auf diese Art nicht abspeisen lassen wollten und erheblichen Diskussionsbedarf sahen. Zumal wesentliche Forderungen des Beschlusses nicht erfüllt wurden.

Der im Dezember beschlossene Rahmenplan Hafen-Ost: Die Wunschliste für den Weihnachtsmann – vergeblich. Zum Vergrößern Doppelklick
Lediglich zu den Punkten b und c gab es mehr oder weniger zufriedenstellende Informationen durch Henning Brüggemann, der zugeben musste, dass es angesichts veränderter Förderrichtlinien, verringerter Fördersummen und -zeiträume sowie explodierender Baupreise nicht mehr möglich sei, die im Rahmenplan Hafen-Ost festgelegten Planungsziele im beabsichtigten Umfang und Zeitraum umzusetzen.
Anstatt dessen ist nun angedacht das aktuelle Fördergebiet auf eine Größe zu verkleinern, die bis 2034 finanziell umsetzbar ist. Brüggemann war aufgrund dieser Unwägbarkeiten daher auch nicht in der Lage oder willens in irgendeiner Form die möglichen Gesamtkosten für das Projekt anzugeben. Gleichfalls gab es dementsprechend von ihm auch nicht, wie ebenfalls im Beschluss vom 15.12. gefordert, eine überarbeitete und aktualisierte „Kommunale Nutzenanalyse/ Wirtschaftlichkeitsberechnung Planung Hafen Ost“. Wieviel Arbeitsstunden von der Verwaltung bereits schon für das Hafen-Ost-Projekt erbracht wurden, dazu machte er natürlich auch keine Angaben. Es liegt auf der Hand, dass dieses Projekt auch enorme Personal-Ressourcen der Verwaltung in Anspruch genommen hat, und damit die Gefahr besteht, dass andere und wichtige Planungsprojekte, wie der Bau der neuen Feuerwehrwache, nicht angemessen bearbeitet werden konnten oder sogar zurückgestellt werden mussten.
Somit bleibt letztlich eine von der Verwaltung angegebene Summe von bisher verausgabten 1,2 Mio. Euro für vorbereitende Maßnahmen und Kosten für den Sanierungsträger. Dazu kommen noch 3,1 Mio. Euro, die bereits für die Verlegung des Wirtschaftshafens und Ertüchtigung des Stadtwerke-Ufers an die Stadtwerke gezahlt wurden. (Die Mitteilungsvorlage mit den entsprechenden Angaben findet sich zur Ansicht und als Download am Ende dieses Beitrags.)
Debatte im Finanzausschuss und SUPA: Grüne outen sich als Kollaborateure eines umweltzerstörenden Wachstumssystems
Von den hochfliegenden Plänen für das Sanierungsprojekt Hafen-Ost ist damit nicht mehr viel übrig. Unverständlich in der anschließenden Debatte im Finanzausschuss war jedoch die „Weiter-so!“-Mentalität der CDU, FDP, SPD und Grünen-Ausschussmitglieder. Justus Klebe, gleichzeitig SPD-Fraktionsvorsitzender, hält trotz der von Brüggemann dargestellten Zahlen weiter an dem Projekt fest, ohne dass er wirklich stichhaltige Argumente dafür liefern konnte. Auch Stefan Thomsen und Katja Claussen von den Grünen stehen weiter dazu. Die sprach dann sogar davon, dass „wir Visonen brauchen“.
Wie sich solche Visionen andernorts ganz praktisch darstellen, konnte man jedoch zwei Tage vorher in der Sitzung des Umwelt- und Planungsausschusses miterleben, als es um den Landschaftsplan und die für das Hafen-Ost Projekt beschlossene Verlagerung von Jacob Cement ging. Die Grünen finden nichts daran im Rahmen des Umzugs eine wertvolle Grünfläche zu vernichten und zu versiegeln, die eine wichtige ökologische Rolle für andere geschützte Landschaftsteile spielt.

Protest der Anwohner des Landschaftsschutzgebiets „Slotten Heck“ oder auch neudeutsch: Geschlossenheck – Foto: Alfred Pietza
Auch die Kritik der Anwohner von Geschlossenheck daran und an der Neuaufstellung des Landschaftsplans mit dem drohenden Verlust von bisher geschützten Naturflächen fand kein Gehör bei den Grünen. So sieht der neue Landschaftsplan u.a. die Entwidmung von 35,5 Hektar Fläche im noch aktuellen Landschaftsschutzgebiet Bauernwald, Blocksberg vor, verbunden mit der Umwidmung in eine im Flächennutzungsplan ausgewiesene Bauprüffläche. Gegen all das laufen die Bewohner und ihre Unterstützer unter dem Motto „Fingers weg vun Slotten Heck“ seit Wochen Sturm. (Mehr dazu hier)
Aber trotzdem lobte Arndt Scherdin, Ausschuss-Mitglied der Grünen im SUPA am Dienstag ausdrücklich die Verwaltung für den neuen Landschaftsplan. Der wurde dann mehrheitlich mit den Stimmen der Grünen im Ausschuss beschlossen. Das hat bei etlichen Umweltschützern für Empörung gesorgt. Das erinnere an die Zustimmung der Grünen für das Hotelprojekt am Bahnhof mit der anschließenden Vernichtung des ökologisch wertvollen Waldstücks und der polizeilichen Räumung des besetzten Geländes am Bahnhof vor zwei Jahren. Apropos Besetzung, es ist ja bald wieder Frühling….
Vollendete Tatsachen schaffen?
Und offensichtlich wollte die Stadt schon im Vorfeld der SUPA-Sitzung vollendete Tatsachen schaffen. Denn schon seit dem 02.12.2022, also noch vor der Vorlage und dem Ergebnis der Abstimmung zum Beschluss des finalen Entwurfs zur Neuaufstellung des Landschaftsplans am 14.03. im SUPA und dem endgültigen Beschluss am 23.3. in der Ratsversammlung, wurden bereits ca. 4 Hektar dieser unter Landschaftsschutz stehenden Flächen aktiv, das heißt unter anderem durch Vermessung durch das TBZ, zur Vorbereitung der Änderung des Flächennutzungsplanes der Stadt und zur Aufstellung einer Bauleitplanung zur Ansiedlung des „Baustoffhandel Nordstraße“ (ugs. Fa. Umsiedlung Fa. Jacob Cement) überplant.
Nun stellt sich aber für viele Beobachter, die Anwohner von Geschlossenheck und Umweltschützer die Frage, ist die Entscheidung Jacob Cement umzusiedeln, nicht hinfällig, nachdem klar ist, dass das Sanierungsgebiet Hafen-Ost in der beschlossenen Form nicht finanzierbar und entwickelbar ist und neu überplant werden muss? Und auch für die Umsiedlung von Jacob Cement müsste die Stadt ja tief in die Tasche greifen. Insofern könne es auf der Ratsversammlung am 23.3. nur heißen: Nein zum Landschaftsplan und zur Umsiedlung von Jacob Cement.
Hafen-Ost: Wohnen und Wirtschaftshafen neu planen
SSW-Ratsherr Martin Lorenzen und der fraktionslose Ratsherr Andreas Zech machten in der weiteren Debatte im Finanzausschuss unmissverständlich klar, dass es ein „Weiter so!“ nicht geben könne. Sie machten in ihren Beiträgen ebenso deutlich, dass eine weitere Versiegelung der Landschaft nicht mehr stattfinden dürfe und das Projekt-Hafen-Ost unter ganz anderen Prämissen neu geplant werden müsse. Martin Lorenzen und die SSW-Fraktion sehen sehr wohl die Chance für ein Nebeneinander von Wirtschaftshafen und Wohnen am Ostufer. Eine Umsiedlung von Jacob Cement sei derzeit unnötig.
Lorenzen und Zech forderten ebenso wie Gunnar Speck von der WiF, dass die Verwaltung die ausgebliebenen Informationen in den nächsten Monaten nachliefern müsse. Dazu gehöre die Kommunale Nutzenanalyse/ Wirtschaftlichkeitsberechnung Planung Hafen Ost, eine Gesamtkostendarstellung auch bei einer reduzierten Realisierung der ursprünglichen Planungen und die Höhe der möglichen Fördermittel.
Übrigens musste Brüggemann ebenso einräumen, dass es für die Kosten der Verlagerung des Wirtschaftshafens an das Stadtwerke-Ufer, bisher 3,1 Mio. Euro, keine Fördermittel gibt. Angesichts des immer noch voll funktionsfähigen Wirtschaftshafens am Ostufer sind diese städtischen Millionen somit mehr oder weniger in den Sand der Förde gesetzt.
Andreas Zech wünscht sich zudem auch noch die Kostenschätzung für den Hochwasserschutz Hafen-Ost. Aufgrund des durch den Klimawandel bedingten Meeresspiegelanstiegs müssten auch die Kosten für den Hochwasserschutz neu berechnet werden.
Brüggemann versprach die geforderten Infomationen und eine Prognose der Gesamtkosten auch für ein eingedampftes Projekt Hafen-Ost in den nächsten Monaten zu liefern.
Strippenzieher im Hintergrund?
Unerklärlich bleibt jedoch, warum der Rahmenplans Hafen-Ost im Dezember durch die Ratsversammlung gepeitscht wurde. Denn dass die Risiken und Finanz-Probleme insbesondere dem Chef des mit dem Projekt massgeblich befassten städtischen Sanierungsträgers IHRSan, Markus Pahl, aber auch Henning Brüggemann nicht bekannt waren, ist kaum anzunehmen. Und der neue Oberbürgermeister Dr. Fabian Geyer, der ja schon gewählt, aber noch nicht im Amt war, hat dieses Vorgehen von Verwaltung und Kommunalpolitik bereits sehr eindeutig kritisiert. Faktisch hat man ihm mit dem Rahmenplan und dem Hafen-Ost Projekt mitsamt Verlagerung des Wirtschaftshafens ein Kuckucksei ins Nest gelegt, in der Hoffnung, dass er das brav ausbrütet. Wie heißt es bei den Juristen so schön: Cui bono? Wer würde also am meisten davon profitieren und hätte das größte Interesse an einem derartigen Beschluss in dieser Eile gehabt?.
Wäre aber bereits schon Ende November, Anfang Dezember die finanzielle Schieflage des Projekts öffentlich bekannt gewesen, vor der insbesondere die Bürgerinitiative Flensburger Hafen und Andreas Zech schon länger gewarnt hatten, hätte Fabian Geyer sicher interveniert und es wäre nicht zum Beschluss der Ratsversammlung am 1.12. für den Rahmenplan gekommen. Und insofern ist es auch interessant, wer alles am 15.12. im Finanzausschuss gegen die Beschlussvorlage zur Offenlegung der Kosten für das Sanierungsprojekt Hafen-Ost gestimmt hat. War den Beteiligten bereits klar, wie mau die Zukunft für das Projekt aussieht? Die Frage ist also, wer hat aufgrund welcher Motive welche Strippen in der Verwaltung und Kommunalpolitik gezogen? Diese Frage zu beantworten, das wäre doch mal eine Herausforderung für unsere Journalisten von der Tagespresse.
Und es ist ein Witz, dass die Stadt trotzdem noch die Märchen-Ausstellung zum Planungsprojekt Hafen-Ost bei Robbe und Berking auf ihrer Homepage für Besucher bewirbt. Offensichtlich hält man im Rathaus die Öffentlichkeit für völlig bescheuert.
Ratsherr Andreas Zech hat in einem Beitrag, der auch Grundlage seiner Stellungnahme im Umwelt- und Planungsausschuss und in der Ratsversammlung war, ausführlich seine Kritik am Sanierungsprojekt Hafen-Ost und der beabsichtigten Verlagerung des Wirtschaftshafens dargelegt. Stellungnahme von Ratsherr Andreas Zech zum Nachlesen und Download
Mitteilungsvorlage Sachstand „Kostencontrolling Sanierungsgebiet Hafen-Ost“ FA-16/2023
Veröffentlicht am 17. März 2023, in Ökologie, Bahnhofswald Flensburg, Bürgerbeteiligung, Bildung, Daten und Zahlen, Flensburg News, Haushalt, Rat & Ausschüsse, Soziales, Stadtplanung, Stadtwerke, Stadtwerke Flensburg, Wirtschaft. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 6 Kommentare.
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