Kundgebung: „Lautstark für Wirtschaft & Pflege der Unternehmer in und um Flensburg!“ – Ratlosigkeit auf dem Südermarkt

Kundgebung auf dem Südermarkt: Nori Storm, Tatoo-Studio-Betreiber spricht zu den Anwesenden  – Foto: Jörg Pepmeyer

Gewerbetreibende beklagen massive wirtschaftliche Folgen der Corona-Maßnahmen

Jens Drews, Organisator der Kundgebung auf dem Südermarkt – Foto: Jörg Pepmeyer

Ein Beitrag von Jörg Pepmeyer

Mit einer Kundgebung auf dem Flensburger Südermarkt machten heute Gewerbetreibende auf ihre schwierige wirtschaftliche Situation aufmerksam. Aufgerufen dazu hatte Jens Drews, Optikermeister mit eigenem Fachgeschäft in der Großen Straße und gleichzeitig Vorsitzender der Flensburger Gilde, in der rund 50 Geschäftsinhaber und Kaufleute organisiert sind.

Vor mehr als 80 Teilnehmern und Passanten beklagte er, dass vielen Geschäfts- und Ladeninhabern aufgrund des Corona-Lockdowns mittlerweile das Wasser bis zum Hals stehe und zahlreiche Existenzen auf dem Spiel stünden. Die Schuld gab er nicht nur der Bundesregierung, sondern auch den Kommunalpolitikern und der Oberbürgermeisterin, die Vorschläge der Geschäftsleute zur Erleichterung ihrer Situation in Flensburg schlichtweg ignorierten. Dies gelte vor allem für die massiv in ihrer Existenz gefährdeten Gastronomiebetriebe in der Innenstadt, die ein entsprechendes Hygiene- und Bewirtungskonzept für den Außenbereich entwickelt hätten, um endlich wieder öffnen zu können. Die für den November und Dezember versprochenen Corona-Hilfen seien bei vielen Betroffenen bist heute nicht angekommen. Eine große Zahl von Gewerbetreibenden verfüge über keinerlei finanzielle Reserven mehr und sei auf die Unterstützung von Familienangehörigen und Freunden angewiesen.

Günter Blankenagel – Foto: Jörg Pepmeyer

Ähnlich äußerte sich auch Günter Blankenagel, der mit neun Mitarbeitern eine Agentur für Ferienwohnungen betreibt. Blankenagel ist gleichzeitig Vorstandsmitglied und Geschäftsführer des DEHOGA-Kreisverbandes Schleswig-Flensburg. Er kritisierte vor allem die sogenannte Tourismusabgabe, die für ihn und sein Unternehmen eine besondere Belastung sei. Derzeit könne er seinen Verpflichtungen kaum noch nachkommen, weil er schlichtweg keinen Umsatz mache. Die Lage sei für ihn und seine Angestellten mittlerweile außerordentlich kritisch und existenzbedrohend.

Auch Fabian Geyer, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands in Flensburg, kritisierte die Politik des Rathauses ohne allerdings Alternativen nennen zu können. Zwar versicherte er den Protestierenden seine Solidarität, vermied es aber wirklich sinnvolle Forderungen und Vorschläge für die Debatte beizusteuern.

Erik Jäger, nach eigenem Bekunden überzeugter Freier Demokrat und Vorsitzender der Jungen Liberalen Flensburg, konnte den Ausführungen seiner Vorredner nichts Sinnvolles hinzufügen. Allerdings brachte er es fertig, die desolate Situation der Geschäftsleute mit dem Konflikt um den Bahnhofswald zu verknüpfen.

Erik Jäger, Flensburger JuLi-Vorsitzender – Foto: Jörg Pepmeyer

Er warf insbesondere der Oberbürgermeisterin vor, die Räumung zu lange hinausgezögert zu haben. Dies habe zur Verunsicherung und zu einem Vertrauens- und Imageverlust der Stadt bei Investoren beigetragen.

Allerdings stimmte die FDP-Fraktion zusammen mit der WiF-Fraktion auf der letzten Sitzung der Ratsversammlung für eine Beschlussvorlage der WiF, die als Unterstützung der Geschäftsleute eine befristete freie Parkplatznutzung für die Innenstadt nach dem Lockdown vorsah. Alle anderen Ratsmitglieder stimmten mehrheitlich dagegen. (In einer ersten Meldung im Stadtblog hieß es dazu noch, auch die FDP habe gegen die WiF-Vorlage gestimmt, wir haben das entsprechend berichtigt)

Emotion und Ratlosigkeit statt zielgerichtetes und politisches Handeln

Alles in allem brachte die Protestaktion auf dem Südermarkt wenig Erhellendes zutage. Die Beiträge der genannten Redner, wie auch die eines Kneipiers und eines Tatoo-Studio-Betreibers zeugten zwar von großer emotionaler Betroffenheit. Aber einen Weg, wie man gemeinsam dieser Krise und den wirtschaftlichen Folgen begegnen könne, zeigten sie nicht auf. Eher waren sie von Rat- und Hilflosigkeit gekennzeichnet.

Das war sicherlich eine große Schwäche dieser Veranstaltung, die deutlich machte, dass es auch auf kommunaler Ebene keine Strategie der Betroffenen gibt, ihre Interesen zielgerichtet zu organisieren, sich geeignete Bündnisparter zu suchen und entsprechende Forderungen an die Politiker und Öffentlichkeit zu adressieren. Die Frage, wie darüber hinaus die durch die Corona-Krise bedingten Lasten solidarisch und fair verteilt werden und den mittelständischen, kleinen und familiengeführten Unternehmen im Einzelhandel, im Dienstleistungsbereich, dem Hotel- und Gaststättengewerbe perspektivisch und nachhaltig geholfen werden kann, war nicht wirklich Thema auf der Veranstaltung. Ebensowenig wurde kritisiert, dass die kleinen Gewerbetreibenden, Soloselbständigen und Küntler um ihre Existenz kämpfen, während große börsennotierte Industrie- und Krankenhauskonzerne mit Milliarden von der Bundesregierung gefüttert werden, und deren Aktionäre gleichzeitig Milliarden an Dividenen einstreichen dürfen. Es wurde auch nicht gefragt, wer diese Hunderte Milliarden schweren „Corona-Hilfen“ zurückzahlen soll.

Dass einige der Kundgebungsteilnehmer zur Lösung der Corona-Krise auf die Unterstützung der neuen Partei „die Basis“ setzen, ist sicherlich nicht die klügste Idee. Denn in deren Reihen finden sich auch Gegner der Corona-Maßnahmen, denen selbst die krudesten Weltverschwörungstheorien nicht fremd sind. Zwar sind neben ehemaligen AfD-Migliedern auch ehemalige Grüne bei der neuen Partei, aber gleichzeitig gibt es, so zahlreiche Kritiker, bei der Bewertung der staatlichen Corona-Maßnahmen Überschneidungen mit rechten, antisemitischen und völkischen Positionen.  Ein Grund für einige „Anti-Schwurbler“-Demonstranten von der Empore des Südermarktes aus die Kundgebung lautstark zu stören. Was einer der Kundgebungsteilnehmer ebenso unüberhörbar mit den Worten quittierte: „Halt´s Maul, du Fotze.“

„Anti-Schwurbler“-Protest auf der Empore des Südermarktes – Foto: Jörg Pepmeyer

Siehe dazu auch den Beitrag auf subtilus.info vom 25.03.2021: Einzelhandelsdemo, Coronaverharmlosung & „Die Basis“ unter: https://subtilus.info/2021/03/25/einzelhandelsdemo-coronaverharmlosung-die-basis/

 

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Veröffentlicht am 25. März 2021, in Bürgerbeteiligung, Bildung, Daten und Zahlen, Flensburg News, Kultur, Rat & Ausschüsse, Soziales, Wirtschaft. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Hinterlasse einen Kommentar.

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