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Flensburger Streit um Ausschuss-Sitze: „Schlechte Verlierer beschädigen die kommunale Demokratie“
Durchsichtiges und undemokratisches Machtspiel von CDU, SSW und SPD
Ein Beitrag von Jörg Pepmeyer
Das Flensburger Kommunalwahlergebnis hat bei einigen Parteien offensichtlich für wenig Einsicht in die eigenen Fehler und kommunalpolitischen Versäumnisse gesorgt. Während die Grünen drei Sitze, DIE LINKE und die FDP jeweils einen Sitz in der Ratsversammlung durch den Wählerwillen dazu gewannen, mussten vor allem die SPD, die CDU, der SSW und die WiF enorm Federn lassen. Das Wahlergebnis bedeutet für die CDU einen Verlust von zwei Ratssitzen und für die SPD von einem. Der SSW behielt trotz eines Stimmverlustes von 1,4% mit Ach und Krach seine bisherigen acht Sitze, während die WiF von den WählerInnen regelrecht abgestraft wurde und zwei Mandate verlor. Nun aber wollen vor allem die Wahlverlierer SPD, CDU und SSW ihr schlechtes Wahlergebnis mit einem unverschämten Coup drehen.
Mit einem Dringlichkeitsantrag, der mehrheitlich auf der Hauptausschuss-Sitzung am 22.5.2018 abgesegnet wurde, wird die Verwaltung beauftragt, eine Beschlussvorlage für die Ratsversammlung am 14.6.2018 zur Änderung der Hauptsatzung zu erarbeiten. Konkret geht es um die Vergrößerung der Ausschüsse von derzeit 11 bzw. 12 auf 15 Mitglieder. In den Ausschüssen erfolgt unter Beisein der interessierten Öffentlichkeit die eigentliche kommunalpolitische Debatte und Arbeit, werden weichenstellende Beschlüsse gefasst und Entscheidungen der Ratsversammlung vorbereitet.
Was wie eine Petitesse wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen allerdings als dreister Versuch das Kräfteverhältnis in den Ausschüssen zugunsten der Wahlverlierer zu drehen. Denn der damit verbundene neue Verteilungsmodus würde bedeuten, dass die vier jetzt gleichgroßen Fraktionen von CDU, SPD, SSW und Grünen mit jeweils 8 Ratsmandaten proportional erheblich mehr Ausschuss-Sitze bekommen würden, als die kleinen Fraktionen, wie FDP, Linke und die WiF. Das Verhältnis würde sich von 3:1 bei den bisherigen 11er Ausschüssen zukünftig auf 4:1 bei den 15er Ausschüssen verändern. Damit würde das Wahlergebnis aber gleichsam auf den Kopf gestellt und die kleinen Fraktionen enorm benachteiligt.
Die Grünen, die mit 18,8% und drei zusätzlichen Mandaten zu den Top-Gewinnern gehören, lehnten ebenso wie die kleinen Fraktionen den Antrag ab. Ob aus Dummheit oder Kalkül gab allerdings auch die FDP ihr Okay. Das, obwohl auch sie Leidtragende des neuen Verteilungsmodus wäre. Insider vermuten denn auch, dass es zwischen den drei großen Fraktionen und der FDP hinsichtlich ihrer Zusstimmung möglicherweise einen Deal gibt, die FDP dafür z.B. mit einem Ausschuss-Vorsitz belohnt werden könnte. Im anderen Fall hätte die FDP regelrecht geschlafen. Auf der Sitzung der Ratsversammlung am 14.6. soll abschließend mit einer Beschlussvorlage der Verwaltung die Änderung der Hauptsatzung und die Vergrößerung der Ausschüsse beschlossen werden. Mit 24 von 43 Ratssitzen könnten somit CDU, SPD und SSW mehrheitlich vollendete Tatsachen schaffen.
Droht eine Neuauflage des Flensburger Modells?
Das alles erinnert stark an das unselige „Flensburger Modell“, mit dem CDU, SPD und SSW über Jahrzehnte hinweg sich Posten und Pöstchen zuschanzten, und gleichzeitig die kommunale Demokratie in Flensburg und ihre Institutionen für sich und ihre Klientel instrumentalisierten, Hinterzimmerpolitik betrieben und eine öffentliche und demokratische Kontrolle ihres Handelns enorm erschwerten. Im Ergebnis stand die Pleite der Stadtsparkasse, die Fast-Pleite der Stadtwerke, hochspekulative Swap-Geschäfte zum Nachteil der Stadt Flensburg usw. usf. Natürlich streiten die kommunalpolitischen Akteure von damals auch heute noch jede Verantwortung dafür ab.
Der Streit um die Vergrößerung der Auschüsse und die damit verbundenen Folgen, nicht nur für die kommunale Demokratie wird also noch länger die politische Debatte in unserer Stadt bestimmen. Auch für die Vorsitzende der Flensburger Ratsfraktion DIE LINKE, Gabi Ritter, war dies Grund sich überaus kritisch zu Wort zu melden:
„Schlechte Verlierer beschädigen die kommunale Demokratie“
Die Fraktion DIE LINKE lehnt die von CDU, SPD und SSW beabsichtigte Erhöhung der Ausschusssitze von bisher 12 auf 15 ab. Die drei antragstellenden Parteien haben bei der Kommunalwahl erheblich Stimmen und damit insgesamt 3 Ratssitze verloren. Nun wollen sie das Wahlergebnis trotzdem in eine Richtung verschieben, die sie weiterhin auf ihre gefühlte Größe aufbläht und ihnen ihre Posten sichert.
Die Vergrößerung der Ausschüsse begründen sie mit „… den Willen der Wähler*innen in den Gremien der Stadt wieder zu spiegeln. Tatsächlich – so die die Vorsitzende der Linksfraktion, Gabi Ritter – marschieren sie an diesem Ziel meilenweit vorbei.
Wärend sowohl das Wahlergebnis (Wähler*innen-Wille), als auch in der Ratsversammlung das Verhältnis der „großen“ zu den kleinen Fraktionen 3:1 beträgt, wollen es die drei Fraktionen durch die Vergrößerung der Ausschüsse auf 4:1 zu ihren Gunsten verändern.
Es geht also wiedermal um Pöstchenverteilung und Machterhalt auf Kosten von Demokratie, Minderheitenschutz, Transparenz und Wähler*innenwille.
Darüber hinaus belasten die Sparfüchse der Vergangeheit mit ihrem selbstgemachten, unverhältnismäßigen Wachstumsschub in den Ausschüssen die klamme Kasse der Stadt. Pro Person und Sitzung schlagen rund 50,. Euro zu Buche. Wer so handelt, hat aus dem Wahlergebnis nichts gelernt und muss sich über die Politikerverdrossenheit der Menschen nicht wundern!
Das es auch anders geht zeigen die Grünen. Die, mit 3 hinzu gewonnenen Mandaten wirklichen Gewinner der Wahl schlagen vor, die Ausschüsse auf 11 Sitze zu verkleinern.
Das Flensburger Tageblatt berichtete am 24.5.2018 über den Streit in dem untenstehenden Artikel (auch auf shz.de unter: https://www.shz.de/lokales/flensburger-tageblatt/gerangel-um-groesse-der-ausschuesse-im-neuen-rat-id19946971.html )
Hier der besagte Antrag von CDU, SPD, SSW und FDP zur Vergrößerung der Ausschüsse Beschlussvorlage_HA-18-2018
Mehr Demokratie wagen? Flensburger Hauptausschuss debattiert über „Leitlinien zur Bürgerbeteiligung“
Flensburg übt mehr Demokratie….
Auf der letzten Hauptausschuss-Sitzung am 24.9. debattierten die Flensburger KommunalpoltikerInnen eifrig über mehr Bürgerbeteiligung in der Stadt. Nachdem die Legitimationsbasis der Kommunalpolitik außerordentlich schwächelt, fast 2/3 der Flensburger Wahlberechtigten hatten bei der letzten Kommunalwahl den KommunalpolitikerInnen und den Parteien den Rücken gekehrt, sollen es nun neue „Leitlinien zur Bürgerbeteiligung“ richten. Dafür hatten die MitarbeiterInnen des Büros für Grundsatzangelegenheiten der Stadt Flensburg eine entsprechende Beschlussvorlage vorgelegt, mit der erste Schritte und Verfahren zur Erarbeitung der Leitlinien festgelegt werden sollten. Blumig wird darin als Globalziel genannt: „Flensburg will dein Engagement und macht es möglich.“ Und ein wenig konkreter als Teilziel: „Flensburg etabliert eine transparente und moderne Beteiligungskultur.“
Allerdings drängt sich beim Lesen der Vorlage der Verdacht auf, dass es letztlich gar nicht um tatsächliche und verbindliche „Leitlinien“ oder Verfahren für mehr demokratische Teilhabe der BürgerInnen an den politischen Entscheidungsprozessen in Flensburg geht. Offensichtlich will man vor allem den Eindruck erwecken, als würde man sich wirklich um mehr Demokratie bemühen, jedoch ohne den eigenen Pelz nass machen zu müssen. Wie heißt es in der Vorlage HA-45/2013: „Ab sofort sind bei der Vorbereitung von öffentlichen Beschlussvorlagen, die einzelne oder mehrere Stadtteile betreffen, die betroffenen Bürgerforen, Interessengemeinschaften etc. zu beteiligen. Deren Stellungnahme ist in der Begründung der Vorlage unter dem Punkt „Beteiligung“ darzustellen, damit sie in den politischen Entscheidungsprozess einfließen kann.“ Nur ist damit gar keine Beteiligung im Sinne einer demokratischen Entscheidung der Bevölkerung oder z. B. gewählter Stadtteilbeiräte über die sie betreffenden Angelegenheiten angedacht. Gemeint ist damit lediglich „Stellung nehmen“ zu können im politischen Entscheidungsprozess, also angehört zu werden. Das können die Träger öffentlicher Belange bereits jetzt schon. Besonders „beteiligungsdemokratisch“ ist das sicherlich nicht. Und weiter heißt es in der Vorlage „Zur Erarbeitung der „Leitlinien zur Bürgerbeteiligung“ wird eine Arbeitsgruppe aus Politik (1Vertreter je Ratsfraktion = 7 Vertreter), Verwaltung (4 Vertreter) und Bürgerschaft (4 Vertreter) gebildet. Die Vertreter der Verwaltung werden vom Oberbürgermeister benannt. Die Vertreter der Bürgerschaft können von der Arbeitsgemeinschaft der Bürgerforen und eventuell anderen Gruppierungen benannt werden.“ Was machen dann die Stadtteile, in denen es keine Bürgerforen gibt? Denn davon gibt es eine ganze Menge. Hört die Bürgerbeteiligung somit in den Stadtteilen auf, in denen es keine Bürgerforen gibt? Und die Verwaltung stellt die gleiche Anzahl von VertreterInnen, wie die Bürgerschaft? Da ist das Ergebnis doch absehbar.
Und was solche Leitlinien letztlich wert sind, zeigt beispielhaft der von der Ratsversammlung beschlossene Flensburger Kodex. Weichgespült, in vielen Teilen unverbindlich und mit fehlenden Sanktionsmöglichkeiten, wenn dagegen verstoßen wird und zudem nicht wirklich an konkrete Verfahren geknüpft. In der Praxis konnte man schon bei der Entlassung der TBZ-Geschäftsführerin Maren Reimann und von Finn Jensen, dem Geschäftsführer der Flensburg Fjord TourismusGmbH, erleben, dass noch nicht mal dieser weichgespülte Kodex eingehalten wird. Gleiches gilt für die geschlechtergerechte Besetzung von städtischen Leitungspositionen und Aufsichtsgremien kommunaler Unternehmen. Was sollen dann also Leitlinien für die Bürgerbeteiligung? Und es ist kaum anzunehmen, dass angesichts dieses Umgehens mit dem Flensburger Kodex, die Parteien und ihre in der Ratsversammlung sitzenden VertreterInnen auch nur einen klitzekleinen Teil ihrer Macht an die BürgerInnen übertragen werden. Das dokumentierten beispielhaft die SPD-Vertreter im Ausschuss, die keine BürgerInnen an der Erarbeitung der Leitlinien beteiligen wollten. Selbst da hapert es bei den sozialdemokratischen Genossen schon.
Wer gibt somit den politisch interessierten BürgerInnen und der Flensburger Bevölkerung die Garantie dafür, dass diese „Leitlinien“ nicht genauso blumig und unverbindlich sein werden, wie der Flensburger Kodex und dass es mit diesen Leitlinien tatsächlich mehr „Bürgerbeteiligung“ in unserer Stadt geben wird?
Zusammenfassend bleibt also festzustellen: Demokratie ist vor allem an konkrete Verfahren der Beteiligung, Beratung, Meinungsbildung und Entscheidung gebunden. Wie sollen also Verfahren der Stadtteildemokratie in Flensburg konkret aussehen und wie hoch soll der Beteiligungs- und Entscheidungsgrad der BürgerInnen bei den politischen Beschlüssen sein? Diese grundsätzlichen Fragen sollte man vorher klären, bevor man irgendwelche blumigen und unverbindlichen Leitlinien verabschiedet. Aber vielleicht sind unsere KommunalpolitikerInnen und die Verwaltung ja lernfähig.
Jörg Pepmeyer
Nachtrag und Kommentar von Jörg Pepmeyer (29.9.2013):
Mehr direkte Demokratie in Flensburg!
Angesichts einer sehr engagierten Debatte zu diesem Thema in der Flensburger Facebook-Gruppe „Wenn Du in Flensburg wählen könntest….“ ( https://www.facebook.com/groups/215005051894864 ) hier noch ein paar ergänzende Gedanken: Ich hätte es besser gefunden, wenn gleichzeitig in der Vorlage von direkter und aktiver Beteiligung der EinwohnerInnen der Stadt an den politischen Entscheidungen die Rede gewesen wäre und nicht von „Stellung nehmen“ können. Das gilt auch für die Diskussion über die Leitlinien, die letztlich von einer starken Übermacht der Kommunalpolitik und Verwaltung gekennzeichnet sein wird. Politisch, inhaltlich und institutionell präferiere ich von der Bevölkerung in den Stadtteilen gewählte Stadteilbeiräte, wie sie in der SH-Gemeindeordnung vorgesehen sind und wie es sie in Kiel und anderen deutschen Städten schon seit längerem gibt. Im Übrigen haben die EinwohnerInnen auch in Schleswig-Holstein aufgrund von Änderungen in der Gemeindeordnung jetzt die Möglichkeit, verstärkt Bürgerentscheide und Bürgerbegehren zu nutzen. Deshalb wundere ich mich über die Formulierungen in der Vorlage, die das mit keinem Wort erwähnt. War das vorauseilender Gehorsam der Verwaltung, um die Vorlage möglichst konfliktfrei durch den Ausschuss zu bekommen und fürchtet man die Folgen direktdemokratischer Entscheidungsverfahren in Flensburg? Warum haben die WiF- und die VertreterInnen der LINKEN im Hauptausschuss nicht sofort darauf insistiert? Denn dieses Thema ist sehr ausführlich schon vor Jahren in der WiF, wie auch in der LINKEN diskutiert worden. Die Einführung und Nutzung direktdemokratischer Verfahren in der Flensburger Kommunalpolitik war zudem ein wichtiger Programmpunkt der WiF bei der Kommunallwahl 2008. Ich finde, nicht nur die WiF, sondern auch DIE LINKE solltet da erheblich mutiger sein und mehr Druck in dieser Richtung machen.
Untenstehend deshalb noch mal ein Hinweis auf die Seite des schleswig-holsteinischen Inneministeriums mit den derzeit möglichen Beteiligungsverfahren auf Grundlage der novellierten Gemeindeordnung und anderer gesetzlicher Vorgaben:
Bürgerrechte in Schleswig-Holstein: Mitsprache in den Kommunen unter: http://www.schleswig-holstein.de/IM/DE/KommunalesSport/Kommunalrecht/Buergerrechte/Buergerrechte_node.html
Hier geht es zur Vorlage „Leitlinien zur Bürgerbeteiligung – hier: erste Schritte und Verfahren“: Beschlussvorlage_HA-47-2013
Als Teaser zum Thema Stadtteildemokratie und entsprechender Verfahren: Mehr Stadtteildemokratie: Beirätegesetz muss grundlegend novelliert werden unter: http://www.dielinke-bremen.de/politik/presse/detail/browse/150/zurueck/presse/artikel/mehr-stadtteildemokratie-beiraetegesetz-muss-grundlegend-novelliert-werden-3/
Und passend zum Thema auch die Ankündigung: »Demokratie im Stadtteil – nur mit uns!« zum Aktionstag des Netzwerks Hamburger Stadtteilbeiräte am 27. April unter: http://www.netzwerk-buergerbeteiligung.de/themen-diskurse/aktuelle-meldungen/detailansicht/article/demokratie-im-stadtteil-nur-mit-uns/