Für einen bezahlbaren und nachhaltigen Hafen-Ost für alle!
Recht auf Stadt Flensburg zum anstehenden Beschluss des Rahmenplans für den Hafen-Ost
In der kommenden Ratsversammlung am 01.12.22 soll der Rahmenplan für den Hafen Ost beschlossen und damit ein weiterer, großer Meilenstein genommen werden. In einem Rahmenplan werden die groben Strukturen des Quartiers festgeschrieben, etwa wie Straßen und Wege verlaufen sollen, wo in welchen Formen gebaut werden darf und wie die Nutzungen der einzelnen Flächen aussehen soll. Wer den Entwurf liest, bekommt den Eindruck, dass im Hafen Ost tatsächlich einiges anders gemacht werden soll, als man es aus Flensburg kennt. Man kann fast hoffnungsvoll werden, dass tatsächlich ein bezahlbares, nachhaltiges Quartier entsteht, dass von vielen Flensburger*innen als Wohn- oder Aufenthaltsort genutzt wird. Nichtsdestotrotz gibt es noch einige kritische Punkte, die einer tatsächlich nachhaltigen und sozial gerechten Entwicklung im Wege stehen. Vier davon haben wir hier gesammelt.
1. Zentral ist die Bezahlbarkeit des Wohnens in dem Quartier. Zwar wird der Wunsch nach bezahlbarem Wohnen auch in der Verwaltung und Politik immer wieder genannt, bisher ist aber noch nicht erkennbar, wie dies auch realisiert werden soll. Die vorgeschlagenen Erbpachtzinsen sind dafür viel zu hoch und es fehlt an gemeinnützigen und nicht profitorientierten Investor*innen. Insbesondere angesichts der rasant steigenden Baupreise, wird so im Hafen Ost kein bezahlbarer Wohnraum entstehen. „Was es von der Verwaltung braucht, ist erstens ein fundiertes Finanzierungskonzept, dass geringere Erbpachten für sozialen und bezahlbaren Wohnungsbau ermöglicht sowie zweitens Konzepte und kreative Ideen, wie kleine Genoss*innenschaften, Mietshäusersyndikate oder andere gemeinwohlorientierte Investor*innen für das Quartiert gewonnen werden können“, fordert Luisa Cordroch von Recht auf Stadt Flensburg.
2. Ein zweiter Knackpunkt sind die geplanten Parkplätze. Bis zu 1400 Stück sollen im Hafen Ost realisiert werden, davon ein Viertel für die Bewohner*innen des Quartiers und drei Viertel für Gewerbe und Tourismus. Die Wünsche aus der Bürgerbeteiligung im Sommer nach einer Reduzierung der damals kolportierten knapp 800-900 Parkplätze insgesamt, wurden also konterkariert. So viele Parkplätze für Gewerbe in einem so zentral und gut angebundenen Quartier sind alles andere als nachhaltig – und extrem teuer. Allein die Erstellung der ca. 1000 Gewerbeparkplätze könnte mindestens 10-15 Millionen Euro kosten.* Daher muss die Zahl der zu realisierenden Parkplätze deutlich nach unten korrigiert und die Kosten für die Parkplätze von den Gewerbetreibenden getragen werden.
3. Gegenwärtig ist der Abriss fast aller Gebäude im Hafen Ost geplant. Dies ist nicht nur nicht nachhaltig, sondern zerstört auch wichtige Erinnerungsorte. Damit ein nachhaltiges Quartier entstehen kann, muss die Devise Umbau statt Abriss höchste Priorität genießen.
4. Der Prozess ist sehr komplex und intransparent. Zwar gab es im Sommer eine Bürgerbeteiligungs- und Informationsveranstaltung, die Fertigstellung des Rahmenplans und die damit verbundene Diskussion im Stadtrat und Planungsausschuss wurden aber nicht mal über den stadteigenen Newsletter zum Hafen Ost angekündigt. Die Intransparenz wurde im Planungsausschuss weiter gesteigert, als der Vorsitzende Axel Korth (SPD) verkündete, dass Vertreter*innen von CDU, SPD, Grünen und FDP fünf Minuten vor der Sitzung eine grundlegende Veränderung in der Struktur des Rahmenplans vereinbart hätten. Damit wurde ein Hauptteil des Plans, in dem viele der progressiven Ziele in Bezug auf Bezahlbarkeit, Inklusivität und Nachhaltigkeit festgelegt werden, von einem Ziel zu einer Empfehlung herabgesetzt. „Diese Art der Intransparenz und Verwässerung schürt Misstrauen und öffnet Tür und Tor für Klientelpolitik“, befürchtet Philipp Lichte, von Recht auf Stadt Flensburg.
Der Hafen-Ost bietet aus unserer Sicht die Chance, ein bezahlbares, buntes und suffizienzorientiertes Quartier zu werden. Dazu muss die Stadt aber mutig sein, diesen neuen Weg zu gehen. Für Hafen-Ost heißt das aus unserer Sicht: mindestens 60% langfristig bezahlbare Wohnungen**, Förderung von gemeinnützigen Akteuren auf dem Wohnungsmarkt, keine Mobilitätshubs im Quartier, weniger als 700 Stellplätze, Umbau statt Abriss, transparente Prozesse, klare Finanzierungskonzepte und viel Mut, etwas Neues zu wagen. Wenn das gelingt, dann kann Hafen-Ost ein solcher Ort werden und auch für andere Städte ein Vorbild sein. Für einen Hafen-Ost für alle!
*Eigene Schätzung auf Basis von Beispielen andernorts:
– https://www.fnp.de/lokales/hochtaunus/kronberg-parkhaus-autos-geplant-zr-12963809.html
– https://www.sueddeutsche.de/muenchen/starnberg/starnberg-platz-fuer-300-autos-1.3519426
** beispielsweie gekoppelt an 99 Jahre Erbaupacht und/oder nicht-profitorientierter Wohnungsbau
Veröffentlicht am 1. Dezember 2022, in Flensburg News. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 2 Kommentare.
Es fehlt in der Aufzählung die Verlegung von Gewerbebetrieben (Beispiel Jacob Zement), die zu großflächiger Versiegelung an anderer Stelle des städtischen Geländes führt, .was durchaus nicht nachhaltig ist.
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Einen sehr wichtigen Aspekt haben Sie bei Ihrer Beurteilung leider vergessen: Dass am Beginn des Projektes Hafen Ost mit der Verlagerung von Jacob Cement auf Grünland an der Nordstrasse eine erhebliche Naturzerstörung und Neuversiegelung vorgenommen wird. Dieses Vorgehen ist aus umweltpolitischen Gründen untragbar und lässt die Suffizienz- und Nachhaltigkeitsbekundungen von vornerein als sehr fragwürdig erscheinen.
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