Archiv für den Tag 9. November 2022

Einigung auf CO2-Preis-Aufteilung zwischen Mietern und Vermietern: Deutsche Umwelthilfe kritisiert fehlende Anreize zur energetischen Sanierung

Berlin, 9.11.2022: Die Ampel-Koalitionsparteien haben sich heute im Ausschuss für Bauen und Wohnen nach langer Blockade auf ein Modell verständigt, wie der CO2-Preis zwischen Mietenden und Vermietenden aufgeteilt wird. Demnach wird ein Stufenmodell verankert: je höher der CO2-Ausstoß eines Gebäudes ist, desto mehr zahlen Vermietende und desto weniger Mietende.

Dazu erklärt die Bundesgeschäftsführerin der Deutsche Umwelthilfe (DUH), Barbara Metz:

„Die gute Nachricht ist, dass es überhaupt eine Einigung gibt und die Kosten nicht weiter Hundertprozent einseitig den ohnehin durch die Energiepreise stark belasteten Mietern aufgebürdet werden. Die schlechte Nachricht aber ist, dass auch mit diesem Gesetz kaum Anreize gesetzt werden zu Energieeinsparungen durch energetische Sanierung. Denn das müssen die Vermietenden machen. Eine klare Kostenübernahme durch sie – und sei es befristet – wäre nach der einseitigen Belastung der Mieter das richtige Signal gewesen, um hier Veränderungen anzustoßen. Gerade in Anbetracht explodierender Energiepreise und der Dringlichkeit der Klimakrise ist entschiedenes und eindeutiges Handeln zwingend geboten. Deshalb ist das weniger effektive Stufenmodell der Bundesregierung eine vertane Chance – auch wenn der Prozentsatz, den Vermietende von Gebäuden der schlechtesten Effizienzklasse übernehmen müssen, nun noch einmal von 90 auf 95 Prozent erhöht wurde. Anreize fehlen künftig auch deshalb, weil der CO2-Preis nicht angehoben wird. Steigende Einnahmen sind dort aber besonders wichtig, weil sie in die Finanzierung der Gebäudesanierung durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau und das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle einfließen.“

Links:

•    Den DUH-Mythencheck zum CO2-Preis im Mietsektor sowie das DUH-Papier „CO2-Preis: Chronologie des Scheiterns“ finden Sie als Download untenstehend.

VdK: Brauchen Solidarität und Sachlichkeit in der Diskussion um das Bürgergeld

  • Bentele: „Gleichsetzung des Bürgergelds mit bedingungslosem Grundeinkommen ist absurd“

  • Anreiz für Qualifizierung und Weiterbildung ist der richtige Weg, gleichzeitig muss der Regelsatz steigen

Berlin, 9.11.2022. Morgen wird der Bundestag über das geplante Bürgergeld abstimmen. Es soll zum 1. Januar 2023 die bisherige Grundsicherung ablösen. Eine Mehrheit im Bundestag für das Gesetz gilt als wahrscheinlich. Allerdings hat die Union im Vorfeld der Abstimmung angekündigt, dass das Bürgergeld-Gesetz im Bundesrat keine Mehrheit finden könnte.

VdK-Präsidentin Verena Bentele erklärte dazu:

Verena Bentele – Präsidentin des größten deutschen Sozialverbandes VdK – © VdK / Susie Knoll

„Es ist schon absurd, wenn Friedrich Merz das geplante Bürgergeld mit einem bedingungslosen Grundeinkommen gleichsetzt und suggeriert, dass in Deutschland dann alle Menschen bequem von Transferleistungen leben würden. Dieses Grundverständnis lässt tief blicken. Wer auf Grundsicherung angewiesen ist, ist häufig im Niedriglohnsektor beschäftigt und muss aufstocken. Es sind viele Alleinerziehende und Ältere darunter. Viele Betroffene sind gesundheitlich stark eingeschränkt, würden gern arbeiten, können aber nicht. Das gesellschaftliche Klima wird durch solche Vorurteile vergiftet. Was wir brauchen, sind Sachlichkeit in der Diskussion und Solidarität mit den Schwächeren in einer Zeit, die für uns alle herausfordernd und schwierig ist. Was wir nicht brauchen, sind Nach-unten-Treten und Befeuerung von Neiddebatten, die die Bevölkerung spalten.

Der VdK begrüßt die geplante Einführung des Bürgergeldes. Es macht absolut Sinn, auf Qualifizierung und mehr Anreize für Weiterbildung statt auf Druck und Leistungskürzungen zu setzen. Bislang wurden die Menschen häufig in prekäre Jobs gedrängt, waren nach wenigen Monaten dann erneut beim Jobcenter. Dieser Drehtüreffekt könnte durch die neu geplanten Maßnahmen vermieden werden. Gut qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die schnell und vor allem langfristig in den Arbeitsmarkt integriert werden können, kommen allen zugute.

Aus unserer Sicht reicht die Regelsatz-Erhöhung auf 502 Euro aber nicht aus. Wir brauchen ein Bürgergeld, von dem die Menschen Essen, Wohnen, Kleidung und soziale Teilhabe menschenwürdig bestreiten können, auch in Zeiten galoppierender Inflation.“

Über den VdK:

Der Sozialverband VdK ist mit über 2,1 Millionen Mitgliedern die größte sozialpolitische Interessenvertretung Deutschlands. Er setzt sich seit mehr als 70 Jahren erfolgreich für diejenigen ein, die sonst zu wenig wahrgenommen werden. Der Sozialverband VdK kämpft gegen soziale Ausgrenzung, Armut und ungleiche Chancen und für faire Bezahlung, solidarisches Miteinander und für soziale Gerechtigkeit.

Der VdK bietet außerdem kompetente Sozialrechtsberatung und vertritt seine Mitglieder vor den Sozialgerichten. Die 13 Landesverbände sind mit ihren Geschäftsstellen bundesweit vor Ort präsent und organisieren Hilfe und Beratung, Informationsveranstaltungen und gemeinsame Freizeitaktivitäten.
Weitere Infos unter: www.vdk.de

Jugendgruppe des Leichtathletikklub Flensburg gewinnt bei VCD Jugendkampagne »FahrRad!«

Jugendliche aus ganz Deutschland legen bei dem Projekt „FahrRad!“ des ökologischen Verkehrsclubs VCD und der AKTIONfahrRAD für den Klimaschutz 1.3 Millionen Kilometer auf dem Fahrrad zurück. Die Jugendgruppe des Leichtathletikklub Flensburg zählen zu den Gewinnern des Wettbewerbs.

Flensburg, 08. November 2022. Mit Spaß und Bewegung etwas für den Klimaschutz tun: Unter diesem Motto schwangen sich von März bis einschließlich August die Jugendlichen des Leichtathletik Klub Weiche auf ihren Alltagswegen auf das Rad und verzichteten auf das Elterntaxi. Bereits zum sechzehnten Mal hatten der ökologische Verkehrsclub VCD und die AKTIONfahrRAD (AfR) zur Jugendkampagne „FahrRad! Fürs Klima auf Tour“ aufgerufen. Das Ziel: Heranwachsende für selbstbestimmte, gesunde und umweltfreundliche Mobilität begeistern. Rund 8.000 Jugendliche haben dieses Jahr teilgenommen. Besonders kräftig haben die jungen Sportler*innen des Leichtathletik Klub Weiche in die Pedale getreten und das Engagement hat sich gelohnt – von den 214 Gruppen aus ganz Deutschland gehört die Jugendgruppe des Leichtathletik Klub Weiche zu den diesjährigen Preisträgern der Jugendkampagne FahrRad!Die Jugendlichen aus Flensburg radelten insgesamt 57305 Kilometer, das entspricht einer CO2-Einsparung von 8022 Kilogramm. „Die im Verkehrssektor notwendige Reduzierung von Emissonen sind eine gesellschaftliche Teamleistung. Es ist daher notwendig, dass sich alle aus ihrer Komfortzone heraus bewegen. Die Jugendgruppe des Leichtathletik Klub Weiche geht dabei mit einem guten Beispiel für den Klimaschutz voran.“, erklärt Timo Höfker vom VCD Flensburg. „Jeder Meter zählt“ ergänzt Kasimir Kehrer, ein engagierter Jugendleiter des Klubs. Zusammen mit seinem Vereinskollegen Arne Metzger hat er die Jugendlichen bei dem Projekt angemeldet.

Seit 2006 hat der VCD mit der Kampagne FahrRad! bereits knapp 91.700 Jugendliche auf das Rad gebracht. Stephanie Päßler, Projektleiterin von FahrRad! beim VCD: „Mit der Jugendkampagne erreichen wir jedes Jahr tausende Kinder und Jugendliche, die sich zusammen für den Klimaschutz engagieren und ihre Wege mit dem Fahrrad zurücklegen. Das ist gut für die Umwelt, aber auch für die jungen Menschen: sie werden unabhängiger und profitieren außerdem von mehr Bewegung im Alltag. Doch damit noch viel mehr von ihnen das Fahrrad für ihre täglichen Wege nutzen können, fehlen vielerorts die richtigen Bedingungen. Der VCD fordert daher in der Stadt und auf dem Land ein dichtes und sicheres Radwegenetz.“

Die „FahrRad!“-Kampagne des VCD der AKTIONfahrRAD wird von vielen weiteren Unternehmen aus der Fahrradbranche unterstützt. Seit Start des Projekts im Jahr 2006 hat der VCD insgesamt 91.700 Jugendliche aufs Rad gebracht und eine Einsparung von 2241t CO2 angeregt. Weitere Informationen zum Projekt: www.klima-tour.de

Vortrag: „Schiffsantrieb der Zukunft im Rahmen der Klimawende am Beispiel MS Medstraum“ am 10. November im Borgerforeningen in Flensburg

Der Nautische Verein Flensburg e.V.  lädt zu einem Vortragsabend am 10. November um 19 Uhr im Borgerforeningen ein

Thema:

Schiffsantrieb der Zukunft im Rahmen der Klimawende

am Beispiel „MS Medstraum“ (Schiff des Jahres)

MS Medstraum ist das erste vollelektrische und emissionsfreie Schnellfähre der Welt. Das Schiff hat seit wenigen Wochen in ihrem Heimathafen Stavanger den Betrieb aufgenommen. ist für eine Betriebsgeschwindigkeit von 23 Knoten (ca. 42 km/h ausgelegt, befördert etwa 150 Passagiere.  MS Medstraum verkehrt auf einer Pendlerstrecke mit mehreren Stopps zwischen der Stadt Stavanger und den umliegenden Gemeinden und Inseln.

MS Medstraum: Die weltweit erste emissionsfreie Schnellfähre – Illustration auf der Herstellerhomepage unter: https://corvusenergy.com/projects/medstraum/

MS Medstraum wurde im Rahmen des EU-Projekts entwickelt und gebaut. Diese zukunftsweisendes Entwicklung steht stellvertretend für eine emissionsfreien und  umweltfreundlichen Kurzstreckenverkehr mit Schiffen. Die Hamburgischen Schiffbau- Versuchsanstalt (HSVA) war mit dem hydrodynamischen Entwurf, der Optimierung und den experimentellen Studien der Rumpfform und des Antriebssystems des Katamarans beauftragt. Aus der Entwicklungsarbeit und den hydrodynamische Herausforderungen im Entwurf wird berichtet.

Referent: Herr Dr. Florian Kluwe,  (Direktor an der HSVA und dort zuständig für den Fachbereich SHIPS).

Datum:  10. November 2022 um 19.00 Uhr im Borgerforeningen, Holm 17, 24937 Flensburg

Der Vortrag beginnt um 19:30 Uhr, davor ist Zeit und Raum fürs Kennenlernen und den maritimen Austausch.

Die Veranstaltung ist kostenlos!

Gerade in Zeiten des Klimawandels ein aktueller und spannender Vortrag, wie sich die Seeschifffahrt diesem zukünftigen Herausforderungen stellt.

Informationen zu der batteriegetriebenen Schnellfähre auch auf der Herstellerseite unter: https://corvusenergy.com/battery-powered-fast-ferry-ms-medstraum-named-ship-of-the-year/

Bestands-Erwerbsminderungsrenten: VdK und SoVD erwarten Entscheidung des Bundessozialgerichts

  • VdK-Präsidentin Verena Bentele: „Wir sehen in der derzeitigen Gesetzgebung einen klaren Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes.“
  • SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier: „Bei den gesetzlichen Verbesserungen zur Erwerbsminderungsrentenberechnung 2019 wurden 1,8 Millionen Betroffene schlicht ausgeschlossen.“

Berlin, 9.11.2022. Ob durch Unfall, Behinderung oder Krankheit – Erwerbsminderungsrente (EM-Rente) kann in Deutschland beziehen, wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erwerbsfähig ist. Der Sozialverband VdK Deutschland und der Sozialverband Deutschland (SoVD) führen dazu gemeinsam Musterverfahren, die am Donnerstag, den 10. November, beim Bundessozialgericht in Kassel zur Entscheidung anstehen.

Verena Bentele – Präsidentin des Sozialverbandes VdK – Foto: © VdK / Marlene Gawrisch

Es geht dabei um Bestands-Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner, die zwischen 2001 und 2019 in Rente gegangen sind. Zum 1. Januar 2019 hatte die Rentenversicherung die Zurechnungszeiten bei der Erwerbsminderungsrente erhöht. Allerdings gingen bei dieser Erhöhung mehr als 1,8 Millionen Menschen, die vor dem 1. Januar 2019 eine EM-Rente bezogen, leer aus.

Ungerecht und nicht nachvollziehbar, befanden der Sozialverband VdK und der Sozialverband Deutschland und reichten Klagen ein.

In der Zwischenzeit hat der Gesetzgeber nachgebessert und für die sogenannten Bestandsrentnerinnen und –rentner, deren EM-Beginn zwischen dem 1. Januar 2001 und dem 31.12.2018 lag, Zuschläge beschlossen. Je nach Rentenbeginn liegen diese Zuschläge bei 4,5 bzw. 7,5 Prozent.

Nach Ansicht des VdK und des SoVD sind diese Zuschläge zu niedrig und sollten doppelt so hoch sein – nur dann würde eine echte Gleichbehandlung hergestellt. Außerdem werden diese Zuschläge erst zum Juli 2024 eingeführt und damit viel zu spät umgesetzt. Von daher hielten beide Verbände an ihren Klagen fest.

Verena Bentele, Präsidentin des VdK erklärt dazu: „Aus unserer Sicht besteht noch immer eine erhebliche Ungleichbehandlung zwischen denjenigen Personen, die seit Januar 2019 Erwerbsminderungsrente beziehen und denen, die schon länger auf diese Rente angewiesen sind. Rentnerinnen und Rentner, die vor 2019 bereits erwerbsgemindert waren, sind noch immer schlechter gestellt, sie profitieren nicht ausreichend von den Nachbesserungen. Für viele dieser Personen ist die Rente die einzige Einnahmequelle, sie haben daher ständig existenzielle Sorgen. Wir sehen in der derzeitigen Gesetzgebung einen klaren Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes. Die bestehende Ungleichbehandlung wird von uns nicht einfach hingenommen.“

Die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier – Foto: Susie Knoll / SoVD

Bereits in den vergangenen Jahren waren Bestandsrentnerinnen und -rentner bei Rentenerhöhungen mehrfach leer ausgegangen. Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des SoVD dazu: „Mit der Klage erhoffen wir uns, dass auch diese zukünftig bei gesetzlichen Verbesserungen berücksichtigt werden und davon genauso profitieren, wie neu in die Erwerbsminderungsrente kommende Menschen. Wir hoffen daher, dass auch das Bundessozialgericht diese Einschätzung teilt und zu unseren Gunsten entscheidet. Sonst sind wir allerdings auch bereit, dies gemeinsam vor dem Bundesverfassungsgericht klären zu lassen.“

Die Musterverfahren werden am 10. November beim Bundessozialgericht in Kassel entschieden. 1,8 Millionen Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner dürfen dadurch auf höhere Renten hoffen, wenn das Gericht die verfassungsrechtlichen Bedenken vom VdK und SoVD teilt.

Weitere Infos unter: www.vdk.de

Weitere Infos unter: www.sovd.de

Forschungen zur Spätwikingerzeit: Archäologen starten mit deutsch-ukrainischem Grabungsprojekt

Fundplatz Ostriv am Ros © ZBSA / Roman Shiroukhov

Internationale Kooperation zu „Baltische Migranten an der Ostgrenze der Kiever Rus“

Im August ist in der Ukraine ein interdisziplinäres Forschungsprojekt der Ukrainischen Akademie der Wissenschaften in Kiew und des Zentrums für Baltische und Skandinavische Archäologie (ZBSA) mit Sitz in Schleswig gestartet. Funde aus einem mittelalterlichen Gräberfeld etwa 100 Kilometer südlich von Kiew sollen in den kommenden drei Jahren Aufschluss darüber geben, wie und wieso Menschen aus dem Baltikum im 11. Jahrhundert an die Grenze des Kiewer Reichs gekommen waren und wie das Leben in dieser Grenzregion zwischen verschiedenen Kultursphären ausgesehen hat.

Archäologische Ausgrabungen des Ostriv und ihre Teilnehmer, August 2022 

Als der Archäologe Dr. Jens Schneeweiß im Februar dieses Jahres federführend für die verschiedenen Institutionen das Forschungsprojekt auf den Weg brachte, hätte er nicht für möglich gehalten, dass der Ausgrabungsort kurz darauf in einem Kriegsgebiet liegen würde. Kaum hatte der Wissenschaftler am ZBSA seinen Antrag auf Förderung bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eingereicht, marschierte die russische Armee am 24. Februar 2022 in die Ukraine ein. „Wir haben dann unseren Antrag um ein weiteres Schreiben ergänzt, um deutlich zu machen, dass wir unbedingt an diesem Projekt festhalten wollen – und sei es mit Einschränkungen bei der Feldforschung.“ Denn wenn sich die Arbeitshypothesen des deutsch-ukrainischen Teams bestätigen, haben die Expertinnen und Experten dort eine wissenschaftliche Sensation entdeckt: Anhand der Funde aus dem 11. Jahrhundert könnte sich belegen lassen, dass baltische Migranten an der Südgrenze des Kiewer Reichs zur Grenzsicherung gegen Reitervölker aus den Steppen eingesetzt wurden. Diese Aufgabe konnte damals durchaus mit Prestige verbunden sein. Bisher gab es dazu nur schriftliche Quellen, die jetzt anhand der Funde neu bewertet werden können. „Wir erfahren ganz viel über ethnische Probleme, über Fremde in unterschiedlichen Gesellschaften und über deren Integration. Themen, die uns auch heute beschäftigen“, sagt Jens Schneeweiß.

Hufeisenfibel vom westbaltischen Typ, entdeckt bei Ostrivs Ausgrabungen im August 2022

Im Oktober 2017 entdeckten Forscher des Kiewer Archäologischen Instituts zwischen den Siedlungen Ostriv und Pugačivka das mittelalterliche Gräberfeld mit Körperbestattungen, das als eine der wichtigsten Entdeckungen in der postsowjetischen ukrainischen Archäologie zu bezeichnen ist. Eine daraufhin unternommene Pilotstudie, an der das ZBSA maßgeblich beteiligt war, hatte bereits Erfolg. Kernziel des jetzt gestarteten Vorhabens, an dem aus Schleswig-Holstein auch die Christian-Albrechts-Universität Kiel beteiligt ist, ist die Klärung der historischen Umstände der auf dem Gräberfeld von Ostriv nachgewiesenen Verbindungen ins Baltikum und der Rolle der Migranten bei der Sicherung der Grenze der Rus’. Dr. Roman Shiroukhov (ZBSA), einer der Initiatoren der Ostriv-Pilotstudie, koordiniert die Forschungen auf deutscher Seite und im Baltikum. Das interdisziplinäre Vorhaben verbindet zahlreiche zum gegenwärtigen Zeitpunkt vorhandene Methoden und Verfahren: archäologische Feldforschung, typochronologische, historische und historiographische Untersuchungen, anthropologische und aDNA-Analysen, Radiokarbondatierungen sowie weitere naturwissenschaftliche Analysen.

Am Fundplatz gefundener bronzener Armreif © ZBSA / Roman Shiroukhov

Freilich hat sich die Planung und die Art der internationalen Zusammenarbeit anders gestaltet, als es sich die Initiatoren einmal vorgestellt hatten. Zurzeit ist es unmöglich für die deutschen Wissenschaftler, in die Ukraine zu reisen und dort gemeinsam mit dem ukrainischen Team zu graben. Und die ukrainischen Kollegen ihrerseits dürfen wegen ihrer Wehrfähigkeit nicht ihr Land verlassen. Sie haben nun zwar mit deutscher Unterstützung, aber allein vor Ort mit den Ausgrabungen begonnen; die internationale Beteiligung und gemeinsame Auswertung findet mit digitaler Kommunikation statt. Das Gräberfeld in der Zentralukraine liege in einem Gebiet, in dem zurzeit nicht gekämpft. „Unsere ukrainischen Kollegen können besser als wir entscheiden, ob Grabungen möglich sind und würden sich nicht in Gefahr bringen.“ Jens Schneeweiß unterstreicht die wissenschaftspolitische Verantwortung archäologischer Forschung: „Die wissenschaftliche Kooperation erhält in unsicheren und Krisenzeiten eine zusätzliche kulturpolitische Relevanz, derer wir uns voll und ganz bewusst sind.“

Stadt nachhaltig gestalten: „Die Zukunft schützt sich nicht alleine!…“ am 16. November in der Dänischen Bibliothek

Stadt nachhaltig gestalten:

Am 16. November 2022 wollen wir ab 19:00 Uhr in der Dänischen Bibliothek, Norderstraße 59, in 24939 Flensburg das Thema

„Die Zukunft schützt sich nicht alleine! Weshalb Zukunftsschutzgebiete für lebenswerte Städte notwendig sind!“

vorstellen und anschließend mit Ihnen diskutieren.

Die Wortneuschöpfung „Zukunftsschutzgebiet“ stammt von einer Gruppe junger Stadtmacher*innen, die gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung vorantreiben wollen. Sie definieren Zukunftsschutzgebiete als Orte, die nicht das konservieren, was vorhanden ist, sondern in denen gemeinsam gestaltet werden kann, was sein könnte. Wir laden Sie zu einem Dialog über Freiräume für eine lebendige Stadt von morgen ein.

Anna Betsch ist Mitarbeiterin im Konglomerat e.V. und freiberuflich in der informellen Öffentlichkeitsbeteiligung unterwegs. Sie engagiert sich und arbeitet für eine andere Form der Stadtentwicklung: koproduzierend, partizipativ und ressourcenschonend.

Die Veranstaltung wird als Präsenzveranstaltung stattfinden.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter: https://www.uni-flensburg.de/nec/nec-news/news/veranstaltungsreihe-stadt-nachhaltig-gestalten

Eine Anmeldung vorab ist nicht erforderlich. Sollten Sie Personen oder Institutionen kennen, die ein besonderes Interesse an dem Thema haben, so reichen Sie bitte die Einladung entsprechend weiter.

Eine Veranstaltung im Rahmen der gemeinsamen Vortragsreihe „Stadt nachhaltig gestalten“ von Europa-Universität und Stadt Flensburg vom 13. September bis 30. November

Die Folgen des Klimawandels und der Energieknappheit machen deutlich: Das Lebenin Städten wird sich verändern. Hitze, Trockenheit und Starkregen-Ereignisse nehmen zu, Energie- und Lebenshaltungskosten steigen. Alle Menschen bekommen die Auswirkungen der Krisen zu spüren. Besonders allerdings leiden diejenigen, die wenig Einkommen haben, die älter oder gesundheitlich eingeschränkt sind. Sie können den Krisen am wenigsten entgegensetzen.

In Flensburg wird bereits lebhaft zu unterschiedlichen Fragen der Stadtentwicklung diskutiert, sei es die Finanzierung des ÖPNV, die Entwicklung des Sanierungsgebiets Hafen-Ost oder die künftige Energieversorgung. Die Reihe soll dazu beitragen, diese Diskussionen zu stärken und zu unterstützen. Denn gemeinsame Gespräche und Auseinandersetzungen über unterschiedliche Interessen und Lösungsvorschläge können die Stadt krisenfester machen.

Alle Informationen zu den Vorträgen, der Programmübersicht mit Terminen hier: https://www.uni-flensburg.de/nec/nec-news/news/veranstaltungsreihe-stadt-nachhaltig-gestalten

Bürgergeld zu niedrig: Paritätischer fordert armutsfesten Regelsatz von 725 Euro

Neue Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle liegen vor.

9. November 2022. Laut einer aktuellen Expertise des Paritätischen Wohlfahrtsverbands ist die zum Januar 2023 geplante Anhebung der Regelsätze in der Grundsicherung auf 502 Euro, über die der Deutsche Bundestag am morgigen Donnerstag im Zusammenhang mit einer Reform von Hartz IV und der Einführung eines sogenannten “Bürgergeldes” berät, viel zu niedrig. Nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle müssten die Leistungen auf mindestens 725 Euro angehoben werden, um wirksam vor Armut zu schützen. Der Verband fordert eine entsprechende Erhöhung des Regelsatzes um 276 Euro plus die vollständige Übernahme der Stromkosten und mahnt die Politik zur Eile: Angesichts der Notlage der Betroffenen sei keine Zeit zu verlieren.

Der Paritätische kritisiert die regierungsamtliche Berechnungsmethode trotz der neuen Fortschreibungsmethodik als nicht geeignet, das verfassungsrechtlich gebotene soziokulturelle Existenzminimum abzusichern. “Ob Hartz IV oder Bürgergeld, an der eigentlichen Berechnungsmethode hat sich nichts geändert, die Leistungen bleiben trickreich kleingerechnet, reichen vorne und hinten nicht und gehen an der Lebensrealität der Menschen vorbei”, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Angesichts der rasant steigenden Preise insbesondere für Energie und Lebensmittel stelle die geplante Erhöhung zum 1. Januar keine Verbesserung des Lebensstandards dar, sondern lediglich eine Anpassung an die gestiegenen Lebenshaltungskosten der letzten 12 Monate.

Die Paritätische Forschungsstelle rechnet in ihrer aktuellen Expertise die seit Jahren bereits umstrittenen und auch von anderen Sozialverbänden kritisierten statistischen Manipulationen im Regelsatz heraus und nimmt darüber hinaus eine Anpassung an die aktuelle Preisentwicklung entsprechend des von der Ampel-Koalition vorgeschlagenen neuen Fortschreibungsmechanismus vor. Im Ergebnis müsste der Regelsatz für einen alleinstehenden Erwachsenen ab dem 1.1.2023 mindestens 725 Euro statt 502 Euro betragen.

Diese Berechnungen für einen armutsfesten Regelsatz werden durch eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa gestützt, nach der die Bevölkerung mehrheitlich nicht davon ausgeht, dass der mit dem Bürgergeld vorgesehene Regelsatz ausreicht, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Mit lediglich 6 Prozent geht nur eine ausgesprochen kleine Minderheit davon aus, dass der für Ernährung vorgesehene Betrag im Bürgergeld eine gesunde und ausgewogene Ernährung ermöglicht. In Hinblick auf die bisherige Unterstützung von Menschen mit geringen Einkommen, Rentner*innen und Studierenden sowie gemeinnützigen sozialen Einrichtungen in der Energie-Krise meint jeweils eine klare Mehrheit von etwa zwei Drittel der Befragten, dass diese bisher nicht ausreichend unterstützt werden.

Die repräsentative Umfrage wurde vom 28. Oktober bis 3. November 2022 vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag des Paritätischen Gesamtverbandes durchgeführt. Insgesamt wurden 1012 Personen über 18 Jahre im Rahmen der Mehrthemenumfrage des repräsentativen Online-Befragungspanels forsa.Omninet befragt.

Dokumente zum Download

Expertise der Paritätischen Forschungsstelle zur Regelsatzhöhe 2023 (213 KB)

Aktuelle Meinungsumfrage zu Lebenshaltungskosten und Energie-Krise (544 KB)

Der Paritätische Wohlfahrtsverband

Der Paritätische ist ein Wohlfahrtsverband von eigenständigen Organisationen, Einrichtungen und Gruppierungen der Wohlfahrtspflege, die Soziale Arbeit für andere oder als Selbsthilfe leisten. Der ParitätischeGetragen von der Idee der Parität, das heißt der Gleichheit aller in ihrem Ansehen und ihren Möglichkeiten, getragen von Prinzipien der Toleranz, Offenheit und Vielfalt, will der Paritätische Mittler sein zwischen Generationen und zwischen Weltanschauungen, zwischen Ansätzen und Methoden sozialer Arbeit, auch zwischen seinen Mitgliedsorganisationen. Mehr unter:  https://www.der-paritaetische.de/verband/

%d Bloggern gefällt das: