Der nächste Akt: Bahnhofswaldaktivisten am 7.11. vor Gericht

Rodung und Räumung des Bahnhofswalds am 19. Februar 2021: Konfrontation am Bauzaun – Foto: Jörg Pepmeyer
Solidaritäts-Demo am 7. November – Start ab 7:30 Uhr am Bahnhofswald
Es ist soweit: der Konflikt um den Bahnhofswald geht in eine weitere Runde, diesmal vor Gericht. Im Mittelpunkt der Anklage stehen dabei jedoch keine brennenden Autos oder etwa Investoren, die Menschenleben gefährdeten, indem sie Bäume ansägen ließen, auf denen sich zum Teil noch Menschen befanden. Stattdessen sollen sich zwei Flensburger am 7. November wegen des Vorwurfes des Hausfriedensbruchs vor dem Amtsgericht Flensburg verantworten. Gegen sie wurden Strafbefehle erlassen, die für beide jeweils 15 Tage Haft bedeuten könnten – obwohl der Vorwurf nach Einschätzung der Verfolgten laut Aktenlage keinen Bestand hat.
Das Bauprojekt der beiden Geschäftsleute Jan Duschkewitz und Ralf Hansen (JARA Immobilien) erregt seit 2018 die Gemüter: »Wer in Zeiten der Klimakatastrophe mehrere hundert gesunde Bäume mitten in der Stadt rodet, hat den Schuss wohl nicht gehört«, sagt Jona von Fridays for Future Flensburg: »An ihrer Stelle soll nun ein Hotel und ein Parkhaus aus klimaschädlichem Beton gebaut werden, was zusätzlichen Verkehr in die Stadt zieht. Anscheinend hat Flensburg in Sachen Klimaschutz und Verkehrswende immer noch nichts begriffen«.
Auch die Investoren selbst sind starker Kritik ausgesetzt. »Diesen Leuten ist nicht zu trauen«, findet Armina Hansen, die Sprecherin einer Gruppe, die die Angeklagten solidarisch unterstützt: »Sie haben bereits mehrmals grob gegen die eh schon geringen Umweltauflagen im Bauplan zu verstoßen. Nachdem sie es erst so eilig hatten, die Bäume zu fällen, ist über ein Jahr lang gar nichts passiert – und dann kommt diesen Sommer plötzlich ein Bagger, der ein geschütztes Quellbiotop überplaniert und mehrere der noch stehenden Bäume beschädigt«. Dies führte in letzter Konsequenz dazu, dass das Verwaltungsgericht Schleswig im Juli einen Baustopp verhängte, bis über eine bereits laufende Klage gegen das Bauprojekt abschließend entschieden ist. Diese hatte der BUND Schleswig-Holstein mit Unterstützung der BI Bahnhofsviertel im Mai diesen Jahres eingereicht. »Die Klage hatte zunächst leider keine aufschiebende Wirkung … jetzt schon. Schlimm, dass es erst soweit kommen musste«.

Räumung des Bahnhofswalds: Hunderte UnterstützerInnen der BesetzerInnen bringen lautstark ihren Protest zum Ausdruck – Foto: Jörg Pepmeyer
Währenddessen wurden aus der Flensburger Bevölkerung über ein Dutzend Strafanzeigen gegen die Investoren gestellt. Die Investoren hatten seinerzeit Forstarbeiter angeheuert, welche im Morgengrauen des 19.02.2021 die Bäume, auf denen sich teils noch Menschen befanden, ansägten. Das Vorgehen verursachte mitten in einer Corona-Hochinzindenzphase Massenproteste und einen mehrtägigen Großeinsatz der Polizei – eine Situation, die Politik und Verwaltung eigentlich unter allen Umständen vermeiden wollten. »Die Investoren sagten vollmundig im Dialoggespräch mit Pastor Ahrens, dass sie „Flensburg etwas zurückgeben“ wollten. Ist es das etwa, was sie damit gemeint haben?!«, sagt Inken L., die damals selbst Strafanzeige gegen die Investoren eingereicht hat. »Alle Ermittlungen gegen die Investoren wurden aber eingestellt. So kam Oberstaatsanwalt Pansa zu der Einschätzung, dass die Investoren in einer „Notwehrlage“ gehandelt hätten«. Zu den nun bevorstehenden Strafprozessen gegen die Baumbeschützer stellt sie fassungslos fest: »Das ist doch lächerlich: Stattdessen befasst sich die Justiz mit den Menschen, die teils bei Minusgraden in den Bäumen ausharrten, um auf die Gefahren der Vernichtung eines schützenswerten innerstädtischen Biotops aufmerksam zu machen«.
Die anstehenden Verhandlungen finden indes nur aufgrund der ausdrücklichen Strafanzeige von JARA Immobilien statt. Die Angeklagten wundern sich: »Aus den Akten geht hervor, dass es ihnen laut Aussage ihres Anwaltes primär gar nicht um die Verfolgung des Hausfriedensbruchs ging, sondern um die Räumung des Geländes. Diese haben sie bekommen – warum ziehen sie ihre Anzeige dann nicht zurück?«.
Armina Hansen sagt dazu: »Sie können Aktivist*innen anklagen, so viel sie wollen: die Auseinandersetzung um den Bahnhofswald und das Intercityhotel sind deswegen noch lange nicht vorbei. Dieses schwachsinnige, klimaschädliche Projekt wird verhindert werden, und – um die Investoren zu zitieren – jetzt erst recht! Dann steht dort hoffentlich in ein paar Jahrzehnten wieder ein innenstädtischer Wald. Jan und Ralf (JARA) können die Aufforstung selber in die Hand nehmen und Flensburg so tatsächlich etwas zurückgeben«.
Die Unterstützer*innen der Angeklagten laden alle Interessierten ein, am Montag, dem 7.11.22 ab 8:30 Uhr die Verfahren vor dem Amtsgericht Flensburg solidarisch zu begleiten. Die Verhandlungen sind für 9 bzw. 10 Uhr angesetzt.
Außerdem ruft Fridays for Future zu einer solidarischen Demo mit den Angeklagten vom Bahnhofswald zum Gericht auf. Beginn der Demo ist 7:30 Uhr am Bahnhofswald.
Veröffentlicht am 1. November 2022 in Ökologie, Bahnhofsviertel, Bahnhofswald Flensburg, Bürgerbeteiligung, Daten und Zahlen, Flensburg News, Rat & Ausschüsse, Soziales, Stadtplanung, Wirtschaft und mit Ökologie, B-Plan 303, Bahnhofsviertel, Bahnhofswald Flensburg, Bürgerbeteiligung, Bildung, Daten und Zahlen, Engagement, Flensburg, Flensburg News, Flensburg Strategie, Flensburger Ratsversammlung, Hotel, Investoren, Jan Duschkewitz, Machtdemonstration, Oberbürgermeisterin, Oberbürgermeisterin Simone Lange, Parkhaus, Ralf Hansen, Rat & Ausschüsse, Ratsversammlung, Räumung, Simone Lange, Soziales, Stadtplanung, Stadtpolitik, Stellungnahme, Stellungnahme zum Thema Bahnhofswald, Vorfälle am Bahnhofswald getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 6 Kommentare.
Frau Holle,
Ihre Frage lässt sich mit einem klaren Ja, aber, beantworten. Die bisherigen Vereinbarungen sehen lediglich die Neuanpflanzung von sieben Linden und 33 weiteren Bäumen vor: So heißt in einem Beitrag des shz vom 5.5.2019 Hotel am Flensburger Bahnhof: Planungsausschuss stimmt über umstrittenes Projekt ab: „Von den 54 Bäumen fallen 39 unter die Baumschutzsatzung. Dies bedeutet, dass sie nicht ohne Ersatzpflanzungen gefällt werden dürfen. Sieben neue Linden sollen direkt an der Bahnhofstraße gepflanzt werden, 33 Bäume zwischen dem Wohngebiet Hochfeld und der Ringstraße. “ Bisher hat es meines Wissens aber noch keine entsprechenden Neuanpflanzungen gegeben. Da müssten Sie auch mal bei der BI und einzelnen Rastfraktionen, wie auch bei der Planungsabteilung einfach mal nachfragen. Der Link zum Beitrag des shz https://www.shz.de/lokales/flensburg/artikel/planungsausschuss-stimmt-ueber-umstrittenes-projekt-ab-41751699
Gruß, Jörg Pepmeyer
AKOPOL Stadtblog
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Ein Mitarbeiter der Abteilung Landschaftsschutz hat gesagt, es seien die vollumfänglichen Baumersatzpflanzungen im Bereich Ringstraße und im südlichen Waldbereich des Friedenshügels vorgenommen worden.
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„Baum-Ersatzpflanzungen für den Bahnhofswald inzwischen durchgeführt?“
Ich spreche Akopol Jörg Pepmeyer und alle anderen Leser, Bürgerinitiativen oder auch Wissende, Verantwortliche, zu diesem Punkt hier an.
Ich erinnere, dass die Grünen Flensburg, Clemens Schmitz und Frau Nestle sowie die Stadtverwaltung als Rechtfertigung oder Trostpflaster für die Abholzungen und die Vernichtung eines Biotops Neuanpflanzungen an anderer Stelle innerhalb des Stadtgebietes versprachen.
Ist das mittlerweile umgesetzt? Wer weiß etwas darüber?
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Kritik wird ja ohnehin in diesem Blog zensiert, trotzdem der Versuch: Eine Demo vor dem Gericht führt in unserem Rechtsstaat hoffentlich nicht zu einem anderen Urteil.
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„ohnehin zensiert“ … oha! Heftig. Ihre Erfahrung kann ich nicht bestätigen.
Dass eine Solidaritäts-Demo einen Richter nicht beeinflusst bzw. das Verfahren nicht beeinflussen wird, ist erwartbar und auf jeden Fall auch richtig; Diese Demo soll den Angeklagten moralisch den Rücken stärken aber keine Drohgebärde darstellen.
Stellte ich mir vor, dass ein Haufen rechter Glatzköpfe vor einem Gericht ein Urteil beeinflussen könnte, würde mir schlecht.
Nur meine Meinung: es stehen die Falschen vor Gericht. So ein bisschen Klassenjustiz vielleicht?
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