DER ZAHN DER ZEIT – Premiere in der Theaterwerkstatt Pilkentafel am 13. Oktober um 20 Uhr
Liebes Publikum
Wir erben, ob wir wollen oder nicht. Wir werden alle in eine Welt geboren, die schon da ist, die eine Geschichte hat. Eine Geschichte von Ungleichheit, Gewalt, Ausbeutung und Privilegien, Kolonialität, patriarchaler Herrschaft, Rassismus, Naturzerstörung, Hybris, aber auch aller Erhebungen dagegen. Wir nehmen qua Geburt einen Platz in dieser Welt ein – ein materielles Erbe, das regelt, über welche Zugänge, Ressourcen und Rechte wir verfügen. Aber dieses Erbe ist auch in uns, es prägt, bildet, unter scheidet uns, macht uns aus.
Und weil es uns ausmacht, können wir es nicht sehen, denn es prägt auch die Art, wie wir sehen. »Man erbt immer ein Geheimnis. ’Lies mich!‘ sagt es, ’Wirst du jemals dazu imstande sein?‘« schreibt der französische Philosoph Jacques Derrida. Wir haben geerbt – Rum und Zucker, Elfenbein und Raub kunst, Knochen Ermordeter, die Hybris angeblicher weißer Überlegenheit, Bilder von Normalität, in unsere Körper eingeschriebene Geschichten. Alle Künstler*innen dieses Spielplans setzen sich mit ihrem Erbe auseinander – mal ganz konkret mit dem kolonialen Erbe, einem Elfenbeinzahn, Zucker und Rum, den Knochen einer Yoruba Frau, mal mit dem impliziten Erbe, der Illusion von Normalität, unseren Gewohnheiten, eben dem was uns ausmacht, ohne dass wir es uns ausgesucht hätten.
Das Erbe ist immer da. Auch wenn wir es ablehnen, kön nen wir uns ihm nicht entziehen. Wir leben in der Welt, wie sie ist. Aber wir können Geschichten anders erzählen, das Geheimnis ergründen, uns neue Perspektiven erschließen, und das sehen wir als unsere Aufgabe als Theater: Perspektiven verschieben, Haltung einnehmen, Geschichten anders erzählen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger! 5 Jahre nach der Ausstellung von Imani Tafari Ami im Schifffahrtsmuseum stellen wir noch einmal die Frage nach unserem Erbe in den Mittelpunkt dieses Spielplans. Und wir tun es nun nicht mehr nur aus der Flensburger Perspektive, sondern unsere Kolleg*innen bringen ihre Blickwinkel und Ästhetiken ein und so hoffen wir, das Bewusstsein Flens burgs über sein koloniales Erbe weiter zu bringen, neu oder wieder mit Ihnen, mit Euch, den anderen Erben, ins Gespräch zu kommen darüber, was wir vererben wollen.
Elisabeth Bohde
DAS LÄUFT ALS NÄCHSTES
Bouizedkane/Jerat/Konaté/Reimann/Wolff
Der Zahn der Zeit
Annäherung an ein fleischloses Erbe
Welche sichtbaren und unsichtbaren Vermächtnisse tragen wir mit uns herum? Da gibt es das schwierige Erbe eines ein Meter großen Elefantenzahns, der bis jetzt am väterlichen Küchenschrank lehnte. Der Großväter hat den Elefanten 1971 auf einer Safari geschossen und diese Trophäe weißer, patriarchaler Überheblichkeit stolz mit nach Hause gebracht. Seine Erzählung ist überliefert, aber wer war der Elefant? Wer waren die Jagdbegleiter?
Die Erbin fragt sich jetzt: was tun mit diesem Erbstück? So entsteht der Anlass für eine künstlerische Suche nach Verantwortung in einer Gesellschaft, deren koloniales Erbe bis heute in Museen, Kellern und Körpern haust. Wohin gehört dieser Zahn? Was macht das koloniale Erbe mit den Erbenden? Wie zeigt man ihn?
Die neu formierte Gruppe – mit Ahnen im globalen Süden und Norden – sucht einen Umgang mit vererbter Kolonialität. Zwischen Trauerritualen, familiärer Spurensuche und spekulativer Science-Fiction wollen sie fleischloses Erbe greifbar machen und dort Geschichten fabulieren, wo weiße, patriarchale Archive Leerstellen lassen. Sie nähern sich der Dekolonisierung ästhetisch, emotional und sinnlich erfahrbar an. Sie suchen jede für sich und alle zusammen eine Haltung, einen Blick auf den Zahn und seine Zeit. Svenja Wolff ist seit vielen Jahren der Pilkentafel eng verbunden, als Praktikantin, als Performerin im Theater Kormoran und zuletzt als Dramaturgin in „Escape Europe“ und „Wo wir Lebensmittel liebten!“. Jetzt kommt sie zum ersten Mal als Mitglied der Tafelrunde mit einer unabhängigen eigenen Arbeit. Die Künstler*innen der Tafelrunde produzieren und zeigen immer wieder unabhängig und verbunden ihre Arbeiten in der Pilkentafel und sind in einem dauerhaften kollegialen und solidarischen Gespräch miteinander.
TERMINE:
13. Oktober, 20 Uhr PREMIERE
14./ 15. sowie 27./ 28./ 29. Oktober, 20 Uhr
Frühstück am 30.10., 11 Uhr
PROGRAMMVORSCHAU
OKTOBER:
TachoTinta
commonnorm
Tanz zur Illusion der Normalität
Donnerstag, 20.10. 20 Uhr PREMIERE
Freitag, 21.10. 20 Uhr | Samstag, 22.10. 20 Uhr
Weggefährten
Kongress „Transform your Theatre“ in Hannover
Donnerstag, 27.10.2022 bis Freitag, 28.10.2022
Theater im Pavillon – Hannover
NOVEMBER:
Frühstück
Dr. Inken Carstensen-Egwuom im Gespräch mit den Performer*innen des Stücks Zahn der Zeit.
Sonntag, 30.10. 11 Uhr – Freier Eintritt
Pilkentafel.dasEnsemble
Vom Reisen in ehemalige Kolonien
Eine Positionsbestimmung
Donnerstag, 03.11. 20 Uhr | Freitag, 04.11. 20 Uhr | Samstag, 05.11. 20 Uhr
Ludomir Franczak
Gutta
Archiv-Performance
Donnerstag, 10.11. 20 Uhr | Freitag, 11.11. 20 Uhr – im Anschluss an dieser Vorstellung ein Austausch mit Ludomir Franczak
Merle|Mischke|Klee
Wha Change?
Are you not ok with how things are?
Donnerstag, 24.11. 20 Uhr | Freitag, 25.11. 20 Uhr | Samstag, 26.11. 20 Uhr
DEZEMBER:
TachoTinta
commonnorm
Tanz zur Illusion der Normalität
Donnerstag, 01.12. 20 Uhr | Freitag, 02.12. 20 Uhr | Samstag, 03.12. 20 Uhr
Frühstück
Prof. Dr. Christine Thon im Gespräch mit TachoTinta
Sonntag, 04.12. 11 Uhr – Freier Eintritt
Pilkentafel.dasEnsemble
Vom Reisen in ehemalige Kolonien
Eine Positionsbestimmung
Donnerstag, 08.12. 20 Uhr | Freitag, 09.12. 20 Uhr | Samstag, 10.12. 20 Uhr
Theaterwerkstatt Pilkentafel gGmbH
Pilkentafel 2 • 24937 Flensburg
Büro: 0461-24901 • Mobil: 0160 90 25 90 4
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Veröffentlicht am 11. Oktober 2022, in Bürgerbeteiligung, Bildung, Flensburg News, Kultur, Kulturtipps, Soziales, Veranstaltungstipps. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Hinterlasse einen Kommentar.
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