Archiv für den Tag 2. Februar 2022

Innovationskraft: Hochschule Flensburg eröffnet Labor für nachhaltige Energienutzung

Testumgebung für die optimierte Nutzung von Windenergie in der Stromversorgung

Am Forschungsstandort Kielseng der Hochschule Flensburg wurde das letzte Labor des Projektes Grenzland Innovativ Schleswig-Holstein (GrinSH) eröffnet. 

Er wiegt 13 Tonnen und ist das Herzstück für die künftige Forschungstätigkeit am Hochschulstandort Kielseng – der neue Gasmotor. Nun wurde der Riese im Rahmen einer offiziellen Feierstunde eingeweiht.

Forscher-Duo: Prof. Dr. Michael Thiemke (li.) und Prof. Dr. Clemens Jauch Wissenschaftler forschen im GrinSH-Teilvorhaben an „Innovativen Beiträgen zur nachhaltigen Energienutzung in Schleswig-Holstein“. Herzstück ist der Gasmotor. Foto: Bärbel Ballaschke

Mit dem Labor für nachhaltige Energienutzung ist das letzte Labor im Rahmen von „Grenzland Innovativ Schleswig Holstein“ (GrinSH) eröffnet worden und steht für die Zusammenarbeit im Rahmen von Technologie- und Wissenstransfer zur Verfügung. „Mit der Beschaffung des Gasmotors stellt die Hochschule Flensburg eine wichtige Testumgebung für die optimierte Nutzung von Windenergie in der Stromversorgung zur Verfügung. Außerdem können unsere Expertinnen und Experten hier gemeinsam mit unseren Unternehmenspartnern Kraftstoffe von morgen für den Antrieb von Schiffen erproben“, sagte Hochschulpräsident Christoph Jansen.

Der Gasmotor wird zum einen eine Windkraftanlage und deren Leistungsschwankungen bei der Netzeinspeisung simulieren. Der Vorteil: Im Gegensatz zu einem E-Motor, der Energie aus dem Stromnetz zieht, läuft der Gasmotor entkoppelt vom Stromnetz, beeinflusst die Auswirkungen der Leistungsschwankungen also nicht. Zum anderen machen sich die Forschenden die Fahrprofile des Gasmotors (also die Schwankungen, die verschiedene Windbedingungen simulieren) zunutze, um Abgasuntersuchungen durchzuführen. Das Fahrprofil passt aber auch zum Verhalten von Schiffen auf See. Über die genauen Möglichkeiten informierten Prof. Dr. Michael Thiemke und Prof. Dr. Clemens Jauch die mehr als 100 Gäste der Online-Feierstunde in einem Vortrag. Die beiden Wissenschaftler forschen im GrinSH-Teilvorhaben an „Innovativen Beiträgen zur nachhaltigen Energienutzung in Schleswig-Holstein“. Herzstück ist der Gasmotor, den die Firma Rolls-Royce Solutions gebaut hat. Dr. Lukas Köhler erläuterte, welche Kraftstoffe in Zukunft auf Schiffen eingesetzt werden können und worin das Potential des Gasmotors in Kielseng für diese Entwicklung liegt.

Von einem Meilenstein in dem vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen der Bund-Länder-Förderinitiative „Innovative Hochschule“ geförderten Projekt sprach der parlamentarische Staatssekretärs bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Jens Brandenburg. Die Hochschule fördere innovative Lösungen im Kontext der Energiewende: „Ihr Forschungsdrang und Ihre Innovationskraft sind der Schlüssel für gesellschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Fortschritt.“

Der Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein, Dr. Bernd Buchholz, dankte für die Realisierung dieses Projekts. Es bringe den Standort Flensburg voran in Forschung und Lehre, könne aber auch durch den Technologietransfer zur Wertschöpfung der Wirtschaft des ganzen Landes beitragen, so der Minister. Denn es sei vorbildhaft, wie die mittelständisch geprägte Wirtschaft von einem Teststand, den sich ein einzelnes Unternehmen nicht leisten könne, profitiere.

Die Bedeutung der angewandten Forschung für die Energiewirtschaft machte Dr. Dirk Wernicke, Geschäftsführer der Stadtwerke Flensburg, deutlich. Und nicht zuletzt zeigte sich Flensburgs Oberbürgermeisterin erfreut über die Entwicklung der Hochschule Flensburg: Eine kleine, aber exzellente Hochschule habe eine herausragende Bedeutung für die Grenzregion, sagte Simone Lange. Denn auch auf kommunaler Ebene gehe es um Lösungen für das globale Problem des Klimawandels.

Info: Grenzland Innovativ Schleswig-Holstein

Innovative Beiträge zur nachhaltigen Energienutzung in Schleswig-Holstein ist Bestandteil des mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen der Bund-Länder-Förderinitiative „Innovative Hochschule“ geförderten Projektes „Grenzland Innovativ Schleswig-Holstein“.

Erweitertes Testkonzept für Kitas gilt ab Donnerstag – Quarantäne-Regelungen angepasst

KIEL. Ab Donnerstag (3. Februar) gilt wie angekündigt ein erweitertes Testkonzept für die Kindertagesbetreuung. Ziel der Regelung ist, dass Kinder bestmöglich geschützt ihre Kita oder Kindertagespflegestelle besuchen können und so an der frühkindlichen Bildung und Betreuung teilhaben. Zudem werden die Quarantäne- und Isolations-Regelungen angepasst.

Vor dem Hintergrund der Infektionsdynamik durch die Omikron-Variante des Coronavirus‘ ist die Belastung für Eltern, Kinder und Beschäftigte weiterhin hoch. Um die Sicherheit des Kitabesuchs weiter zu erhöhen, wird – angelehnt an das Testkonzept in Mecklenburg-Vorpommern – wie angekündigt eine Umfeldtestung eingeführt. Damit ist eine Testpflicht sowohl für Mitarbeitende und Kindertagespflegepersonen als auch Eltern verbunden. Hierfür stellt das Land den Eltern kostenfrei nasale Antigen-Selbsttests zur Verfügung (drei Tests pro Woche), mit denen sich eine sorgeberechtigte Person künftig dreimal wöchentlich an unterschiedlichen Werktagen testet. Dies sollte die Person sein, die üblicherweise den umfangreichsten Kontakt zum Kind in der Familie hat. Darüber hinaus können Eltern sich auch bei ihrer Arbeitsstelle (Arbeitgebertest) oder bei einem Testzentrum (Bürgertest) testen lassen. Die Sorgeberechtigten geben als Bestätigung ihrer Testung einmal wöchentlich bei ihrer Kita oder Kindertagespflegeperson eine qualifizierte Selbstauskunft ab. Die Dokumentationspflicht der Eltern ist für diese bußgeldbewehrt. Für die Einrichtungen und Kindertagespflegestellen ist damit kein aufwendiges Verfahren verbunden, da sie die Meldungen lediglich sammeln, aber nicht kontrollieren. Kontrollen können durch die Ordnungsbehörden stichprobenhaft durchgeführt werden.

Auch die Testpflicht für Mitarbeitende wird angepasst: Diese müssen sich künftig ebenfalls dreimal wöchentlich testen – unabhängig vom jeweiligen Impfstatus. Während im Rahmen der Arbeitgeberpflicht zwei Tests durch die Einrichtungen zu stellen sind, stellt das Land den Einrichtungen den dritten Test zur Verfügung. Die Testerfordernisse werden entsprechend in der Corona-Bekämpfungsverordnung angepasst. Es gilt weiterhin die Empfehlung, dass die Betreuung in den Kitas in festen Gruppen erfolgen und eine Durchmischung, wo dies möglich ist, vermieden werden soll.

Zugleich wird das Gesundheitsministerium die Quarantäneregelung im Kitabereich im so genannten Absonderungserlass anpassen. Die neuen Regeln werden nun von Kreisen und kreisfreien Städten in den jeweiligen Allgemeinverfügungen umgesetzt:

  • Kinder von infizierten Eltern gelten als enge Kontaktpersonen und müssen entsprechend der allgemeinen Regelungen als Angehörige desselben Haushalts für mindestens fünf Tage in Quarantäne.
  • Infizierte Kinder werden für mindestens sieben Tage abgesondert, während die nicht-infizierten Kinder derselben Gruppe nicht in Quarantäne müssen und somit grundsätzlich weiterbetreut werden.
  • Das Gesundheitsamt kann bezogen auf eine einzelne Einrichtung und im Austausch mit der Kita oder Kindertagespflegeperson etwas Abweichendes entscheiden und anordnen, z.B. bei einer Häufung von Infektionen in der Kita.
  • Mitarbeitende können sich nach frühestens sieben Tagen freitesten.

Die Änderungen treten am kommenden Donnerstag, 3. Februar, in Kraft.

Lockerung der Corona-Regeln in Schleswig-Holstein

Landesregierung: Zurück in die Normalität – Eckpunkte für weiteres Vorgehen

KIEL, 02.02.2022. Im Kampf gegen die Corona-Pandemie will die schleswig-holsteinische Landesregierung den Weg zurück in die Normalität ebnen. Dies kündigten Ministerpräsident Daniel Günther und seine beiden Stellvertreter, Finanzministerin Monika Heinold und Gesundheitsminister Heiner Garg, heute (2. Februar) in Kiel an.

In einem ersten Schritt werde dazu die Corona-Bekämpfungsverordnung zum 9. Februar angepasst. Danach

  • entfällt die 2-G-Regel im Einzelhandel. Die Maskenpflicht jedoch bleibt erhalten.
  • können Chöre wieder ohne Masken und auch Blasorchester wieder proben. Hier gilt die 2-G+-Regel.
  • entfällt die Sperrstunde für die Gastronomie.
  • wird der bundeseinheitliche Beschluss zu überregionalen Großveranstaltungen umgesetzt.

Bei den geplanten Schritten stützen wir uns auf das einhellige Votum unseres Expertenrates„, sagte der Ministerpräsident. In diesem Sinne äußerte sich auch Günthers Stellvertreterin Heinold: „Die Expertenrunde sagt, dass Öffnungsschritte möglich sind. Dementsprechend justieren wir an einigen Stellen nach.“ Gesundheitsminister Heiner Garg fügte hinzu: „Wir sind gemeinsam der Ansicht, dass es nun an der Zeit ist, die ersten Schritte in Richtung Normalität einzuleiten. Nach wie vor handelt es sich bei den Bekämpfungsmaßnahmen um massive Grundrechtseinschränkungen. Sie sind keine Selbstverständlichkeit, sondern müssen stets geeignet und verhältnismäßig sein. Im Fokus aller Bekämpfungsmaßnahmen muss stets der Schutz des Gesundheitssystems vor Überlastung stehen. Das Gesundheitssystem in Schleswig-Holstein ist derzeit nicht überlastet. Vor diesem Hintergrund und der erfreulich hohen Impfquote in Schleswig-Holstein ist dieser erste Schritt nur konsequent und geboten.

Günther kündigte zugleich an, dass Schleswig-Holstein sich bei den Bund-Länder-Beratungen mit dem Bundeskanzler am 16. Februar dafür einsetzen werde, den eingeschlagenen Weg zurück in die Normalität weiter zu beschreiten. „Diesen Weg sehen wir auch in vielen europäischen Ländern. Deshalb sollte eine Strategieanpassung auch bei uns schnell ins Auge gefasst werden. Das kann auch unterschiedliche Geschwindigkeiten in den Ländern aufgrund der abweichenden Impfquoten bedeuten.“ Die Landesregierung werde sich in Zukunft verstärkt auf Basisschutzmaßnahmen konzentrieren. Dies werde „für jede und jeden ein Mehr an Eigenverantwortung einschließen.“

Günther begründete die Entscheidung der Landesregierung mit der Entwicklung des Pandemiegeschehens. „Oberstes Ziel war es immer und ist es weiterhin, die Überlastung des Gesundheitssystems und zu verhindern, dass Menschen sterben, weil sie nicht in unseren Krankenhäusern behandelt werden können.

So sinke Zahl intensivmedizinischer Behandlungen in Schleswig-Holstein. Am 1. Februar lagen 341 Menschen im Krankenhaus, 45 davon auf einer Intensivstation, davon wurden 27 beatmet. Mit einer Kapazität von 1.800 Betten stehe das Land gut da. Zwar sei die Zahl der Zahl der Patientinnen und Patienten auf den Normalstationen in den vergangenen Wochen gestiegen. Für beide Bereiche gelte jedoch, dass die Lage beherrschbar sei.

Auch wenn täglich von einer bundesweit steigenden Inzidenz berichtet werde, müsse klar sein: „Diese Daten haben inzwischen eine andere Qualität als noch vor einem Jahr. Und das liegt an der hohen Impfquote.“ Mit Omikron sei zudem eine Variante des Virus vorherrschend, die nach allen Daten zwar ansteckender, aber weniger gefährlich sei. Auch sei festzustellen, dass sich die Infektionszahlen nicht signifikant auf die Intensiv-kapazitäten auswirken. Notwendig bleibe dennoch aber Kurs, der sich darauf konzentriere, schwere Krankheitsverläufe bei vulnerablen Gruppen zu verhindern.

Erneut betonte Günther: „Die Impfung schützt! Der Booster schützt noch besser!“ Schwere Verläufe unter geimpften Personen seien kaum zu verzeichnen sind, und die Infektionsgefährdung werde für diese Gruppe von den Experten des RKI als moderat eingestuft.

Nach der aktuellen Impfstatistik sind:

  • In Schleswig-Holstein 78,6 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. 61,1 Prozent haben eine Auffrischungsimpfung erhalten.
  • In der Gruppe der über 60-Jährigen sind 92,4 Prozent grundimmunisiert (zwei Impfungen), und 83,7 Prozent haben eine Auffrischungsimpfung erhalten.
  • In der Gruppe aller über 18-Jährigen liegt die Impfquote bei 89,8 Prozent (zwei-mal geimpft).
  • In der Gruppe der 12 bis 17-Jährigen wurde eine Vollimmunisierung von 72,3 Prozent erreicht.

Mit unserer Impfquote liegen wir etwa auf gleicher Höhe wie unser Nachbar Dänemark, der alle Beschränkungen aufhebt. Allerdings ist dort die Anzahl der Genesenen um ein Vielfaches höher„, sagte Günther. Die Pandemie habe den Menschen vieles abverlangt. Die Koalition habe bei jeder ihrer Entscheidungen sehr genau abgewogen, welche Maßnahmen notwendig und angemessen seien: „Alle Entscheidungen sind stets gemeinsam und unter Einbeziehung der Empfehlungen unseres Expertenrates getroffen worden.“

SSW im Landtag: Wir brauchen eine EU-weite Allianz gegen Atomkraft

Zur von der Europäischen Kommission vorgenommenen Einstufung von Atomkraft als nachhaltige Investition erklärt der Vorsitzende des SSW im Landtag, Lars Harms: 

Lars Harms, Vorsitzender der SSW-Fraktion im Landtag

Dass die Europäische Kommission diesen Rechtsakt annehmen würde, war leider erwartbar und lässt uns doch fassungslos zurück.
Deutschland hat längst gezeigt, dass es auch ohne Atomkraftwerke geht. In der Silvesternacht sind ganze drei deutsche Meiler vom Netz gegangen, darunter Brokdorf in Schleswig-Holstein, ohne dass es zu Störungen in der Versorgung gekommen ist. Und das ganz ohne Atomstrom-Importe aus Frankreich.
Was Brüssel da macht, ist Greenwashing übelster Art.
Denn als nachhaltig ließe sich Atomkraft nur dann verklären, wenn man die Müllproblematik komplett ausklammert. Also schlicht die Augen verschließt vor den Billiardenkosten und der massiven Umweltgefahr, die der Menschheit noch für hunderttausenden von Jahren im Nacken sitzen wird – und die sich mit jedem neuen Brennstab erhöht.
Diesem Wahnsinn muss ein Ende gesetzt werden. Was wir brauchen, ist eine EU-weite Allianz gegen Atomdeals. Deshalb erwarte ich von der Bundesregierung, dass sie jetzt alle diplomatischen Hebel in Bewegung setzt, um ein gemeinsames Vorgehen der Mitgliedsstaaten zu ermöglichen, die auf regenerative Energieformen setzen. Atomstrom darf in dieser Kategorie keine Zukunft haben.

VdK-Präsidentin zu hohen Energiekosten: „Es muss JETZT gehandelt werden“

  • Sozialverband fordert, EEG-Umlage sofort abzuschaffen, Stromsteuer jetzt zu senken

  • Energiekosten müssen ins Wohngeld eingerechnet und jährlich angepasst werden

Vor dem Hintergrund der massiven Energiekostensteigerungen hat ein Bündnis aus Mieter-, Umwelt-, Sozial- und Verbraucherverbänden am Dienstag Sofortmaßnahmen gefordert zur Entlastung von einkommensarmen Haushalten und für mehr Klimaschutz im Gebäudesektor. Der Sozialverband VdK ist Teil dieser Initiative. VdK-Präsidentin Verena Bentele sagt dazu:

„Die Regierung muss endlich handeln. Viele Menschen mit geringen Einkommen wissen nicht mehr, wie sie die steigenden Energiekosten stemmen sollen. Es reicht nicht nur anzukündigen, dass die EEG-Umlage abgeschafft wird, es muss JETZT passieren. Ebenso muss die Stromsteuer jetzt gesenkt werden. Denn diese Form von indirekten Steuern belasten sozial benachteiligte Haushalte überproportional stark. Gleichzeitig müssen die Energiekosten aber auch endlich in das Wohngeld eingerechnet und jährlich an die Preisentwicklung angepasst werden.“

Verbändepapier zum Download

Über den Sozialverband VdK

Der Sozialverband VdK setzt sich mit seinen mehr als 2 Millionen Mitgliedern für soziale Gerechtigkeit ein. VdK-Mitglieder profitieren von der kompetenten Beratung im Sozialrecht. Als größter Sozialverband Deutschlands vertritt der VdK wirksam die sozialpolitischen Interessen aller Bürgerinnen und Bürger: unabhängig – solidarisch – stark. Mehr unter www.vdk.de.

Paritätischer und BUND: Abschaffung der EEG-Umlage unverantwortlich

Der Paritätische Wohlfahrtsverband

Der Paritätische ist ein Wohlfahrtsverband von eigenständigen Organisationen, Einrichtungen und Gruppierungen der Wohlfahrtspflege, die Soziale Arbeit für andere oder als Selbsthilfe leisten. Der ParitätischeGetragen von der Idee der Parität, das heißt der Gleichheit aller in ihrem Ansehen und ihren Möglichkeiten, getragen von Prinzipien der Toleranz, Offenheit und Vielfalt, will der Paritätische Mittler sein zwischen Generationen und zwischen Weltanschauungen, zwischen Ansätzen und Methoden sozialer Arbeit, auch zwischen seinen Mitgliedsorganisationen. Mehr unter:  https://www.der-paritaetische.de/verband/

Wolkig mit Aussicht auf Nazis

Ein Beitrag von subtilus.info vom 1. Februar 2022

Dieser Bericht beschreibt die Perspektive einer Person in Flensburg, die an Corona erkrankt ist und von zuhause die Schwurbel-Chats verfolgt hat:

Wer kennt es nicht? Die Corona-Warn-App leuchtet in einem satten rot, nicht allzu ungewöhnlich während einer Zeit, in der die Inzidenzwerte weit über 1000 liegen.
Doof allerdings ist es, wenn Halsschmerzen dazu kommen.
Also ab zur Teststation auf der Exe. Während der Wartezeit erinnere ich mich an einen anderen Tag, als ich vor der Teststation wartete. An diesem Tag füllte sich der Parkplatz, viele Autos mit Kennzeichen SL, NF und auch PLÖ trafen ein. An einem Auto entdeckte ich einen Q-Anon-Sticker (#WWG1WGA). Einige nicht besonders sympathisch wirkende Männer laufen an mir vorbei, gekleidet in tarnfarbene Jacken. Ich erinnere mich an Unterhaltungen wie „Ich habe extra meine Nagelfeile ausgepackt“ und Schilder mit Bezug zu den COVID-Maßnahmen. An diesem Tag fand eine als Spaziergang „getarnte“ Demonstration der Schwurblis statt. Es fielen einige herablassende und überhebliche Sprüche in Richtung der Wartenden, später gab es mehrere Berichte von Gewalt gegenüber dem Gegenprotest. Nichts davon hat mich leider überrascht.

Eine Woche später:
Ich liege auf dem Sofa. Der PCR-Test war positiv, ich habe trotz des Boosters einen symptomatischen Verlauf: Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Fieber, Abgeschlagenheit, Konzentrationsprobleme, Husten. Die meisten Symptome sind nach etwa 14 Tagen verschwunden, aber was ist mit meinem Umfeld? Ich mache mir Sorgen um meine sozialen Kontakte. Habe ich jemanden angesteckt? Werde ich mich mit Long-Covid herumschlagen müssen?

Während der Quarantäne bilden soziale Netzwerke eine Brücke in die Außenwelt. Was ich dort sehe, bereitet mir allerdings oft noch mehr Sorgen.
Im Telegram-Kanal „Flensburg für Grundrechte“ wird über die „Impf-Gestapo“ diskutiert, besonders wichtig erachtet eine teilnehmende Person, ob es nicht vielleicht „Impf-Gestapo*innen“ heißen müsste. Eine einzige Person im Chat widerspricht an dieser Stelle und es fällt dieser Person auf, dass die Taten der Gestapo damit verharmlost werden. Das einzige Problem daran scheint jedoch zu sein, dass dies eine „Steilvorlage für Subtilus und Co.“ sei. Die widersprechende Person wird daraufhin im Chat niedergemacht und es spricht sich niemand für sie aus oder unterstützt sie. Außerdem wird über den „Schuldkult“ geschrieben. So sieht also die Solidarität der Schwurblis untereinander und ihr Abstand zu Nazis aus…

In der Telegram-Gruppe „Raum für Gedanken SL/FL“ wird über Lauterbach geschrieben. Man kann Politiker*innen kritisieren, damit habe ich wenig Probleme. Wenn jedoch eine geistige Behinderung als Beleidigung genutzt wird oder Morddrohungen ausgesprochen werden, hat das meiner Ansicht nach nichts mehr mit Kritik zu tun. Und ist meilenweit entfernt von den Friede, Freiheit, Demokratie-Mantras der Schwurblis.

Ich lese bei Twitter noch einige Beiträge zu Angriffen auf Pressevertreter*innen und werde wirklich wütend. Krank, Zuhause isoliert und in dem Wissen, dass Menschen in Flensburg gezielt angegriffen werden, geht es mir auf dem Sofa noch viel schlechter. Ich möchte wieder fit sein! Ob ich wohl sofort genesen werde, wenn ich fest daran glaube, dass es Corona gar nicht gibt? Oder noch ein paar Zuckerkugeln lutsche und meditiere? Für alle Möglichkeiten fühle ich mich nicht fit genug, daher schließe ich Telegram und Twitter für diesen Tag. Der Wetterbericht sagt kein gutes Wetter vorher. Wolkig mit Aussicht auf Nazis und Schwurblis am nächsten Montag also…

PS: Wer Hoffnung hat der Spuk gehe vorüber, wenn Corona nicht mehr das Geschehen bestimmt, täuscht sich. Im Chat „Flensburg – Selbstbestimmt Leben“ beispielsweise wurde schon explizit darüber geschrieben, als nächstes käme dann der „Klimaschwachsinn“…

Corona-Protest in Flensburg: Lichterketten, Hetze und Gewalt

Ein Beitrag von Subtilus.info vom 2. Februar 2022

Die Flensburger Querdenker*innen hatten für den 30.1.22 eine unangemeldete Lichterkette rund um den Hafen angekündigt. Anders als in den Wochen zuvor gab es für diesen Montag sogar ein Mobilisierungsvideo und tatsächlich folgten dem Aufruf auch rund 200 rechtsoffene Coronaverharmloser*innen. Die staunten nicht schlecht, als ihr Stammplatz an der Hafenspitze belegt war von einer angemeldeten Demonstration „gegen rechtsoffenes Geschwurbel und Coronaverharmlosung“. So hatte die Polizei auch spürbar größere Hemmungen, ausschließlich die antifaschistischen Proteste zu schikanieren. Zwar konnte die stationäre Kundgebung an der Hafenspitze den Aufmarsch durch die Stadt nicht verhindern, aber den Schwurbler*innen zumindest einen der prominentesten Plätze streitig machen.

Gegenüber den letzten Wochen war die Stimmung deutlich aufgeheizter und so kam es in der Innenstadt zu einer skurrilen Situation: Mehrere Hundert „Spaziergänger*innen“ kreisten den antifaschistischen Gegenprotest ein und brüllten „Nazis raus“, interessierten sich aber überhaupt nicht für die Antwort der eingekesselten Gegendemonstrant*innen, die darauf hinwiesen, wo in den Reihen der „Spaziergänger*innen“ auch exakt in dem Moment sich Rechte befanden. Beispielsweise Thomas K., der regelmäßig an den Spaziergängen teilnimmt und auch bei einem Treffen der faschistischen Gruppierung Akademie Engelsburg teilnahm. Ein mehrminütiges Video des Vorgangs wurde später selbstbewusst als „Gänsehautmoment“ beschrieben online gestellt – auch auf diesem ist Thomas K. gut zu erkennen. Er selbst scheint, das nur nebenbei, übrigens nicht mit zu rufen bei „Nazis raus!“. Laut mit gerufen hat hingegen Rapper Twanie (direkt neben Thomas K., beide ganz links im Screenshot zu sehen), der mit Antisemit Xavier Naidoo zusammen Musik macht.

Und auch direkte Begegnungen mit einzelnen werden spürbar aggressiver. So versuchte am 22.1.22 Thomas I., der auf mehreren Engelsburg-Treffen war, einer Fotografin ihre um den Hals gehängte Kamera zu entwenden, indem er sie an dem Kameraband hinter sich her auf die Straße zog. Thomas I. ließ erst davon ab, als mehrere dazugekommene Personen einschritten. Am 24.1.22 wurde eine Person beim Schwurbel-Sticker entfernen, von hinten mit einem Stock angegriffen. Die angegriffene Person konnte den Schlag abwehren, dadurch erhielt sie keine Verletzungen, aber der im Rucksack mitgeführte Laptop wurde stark beschädigt. Und am 29.1.22 wurden unabhängig voneinander zwei Personen aus dem „Spaziergang“ heraus gezielt angegriffen und verletzt.

Das eigentlich Erschütternde daran sind nicht nur die Gewalteskalationen an sich, sondern auch der Rückhalt, den die Täter*innen in den Reihen der radikalisierten Coronaverharmloser*innen haben. Dort scheinen wirklich hunderte von Menschen zu glauben, der Gegenprotest sei faschistisch und würde vom Staat bezahlt. Als „Nazifa“ (was auch immer das bedeuten soll außer plumper Diffamierung) wurde der Gegenprotest beschimpft. Es entbehrt jeder Logik, aber ein Teil der Protestierenden wähnt sich ernsthaft im Widerstand gegen Diktatur und Faschismus, weshalb alle, die sich ihnen in den Weg stellen, zwingend Faschist*innen seien. In den telegram Gruppen herrscht tatsächlich die Auffassung, dass wir auf die rechten Akteur*innen nur hinweisen würden, um mit der „Nazikeule“ eine Bewegung zu diskreditieren, die mit Nazis nichts zu tun habe. An diesem Glauben wird verblendet festgehalten, selbst wenn das Gegenteil offenkundig ist: Hitlergrüße, Nähe zu AfD und NPD, Antisemitismus, Sexismus, Homophobie, Gewalt, Holocaustleugnung.

„Apropos recherche. Hat mal jemand recherchiert wie gut holztüren bei gaskammern funktionieren Ich frage für einen freund“ postet bei telegram beispielsweise ein ben wonka im Chat von Flensburg für Grundrechte. An anderer Stelle schreibt er von „schuldkult“. Kein Einzelfall: Erst vor wenigen Tagen wurde ebenfalls bei Flensburg für Grundrechte ein Video beworben indem die Existenz des Vernichtungslagers Treblinka geleugnet wird. Zwar wurden solch eindeutige Botschaften in diesem Chat auch wieder gelöscht, aber auch das bietet den Schreibenden dann wieder Futter, um sich als Zensuropfer zu inszenieren: „Dachte wir sind freigeister man? Man darf jeden Genozid hinterfragen ausser…? Ja moin“. Der Vollständigkeit halber: ben wonka wurde mittlerweile tatsächlich von Alexander Kuhn aus dem Chat geworfen.

Konfrontiert mit solchen Posts bemühen sich die Querdenker*innen entweder zu betonen, sie seien unterwandert von einigen wenigen Rechten oder die Posts seien garnicht echt (oder wahlweise „nur Provokation“) und würden von uns gefälscht um deren Bewegung zu denunzieren. Oder sie sagen ganz offen, dass sie mit Nazis kein Problem haben, wie hier in einem Beitrag von berlin direkt vom 30.1.22: „Ich bin nicht für Nazis, aber auch nicht gegen Nazis“ (https://www.zdf.de/politik/berlin-direkt/berlin-direkt-vom-30-januar-2022-100.html).

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