Stefan Barkleit ist Vorsitzender des PRO BAHN-Landesverbandes in Schleswig-Holstein/Hamburg. Themen zu Bahn und Bus sind seine Expertise.
Landes-Nahverkehrsplan: Gemeinschaftswerk mit vielen Verantwortlichen
- Herr Barkleit, die Stadt Flensburg und die Fraktionen haben erhebliche Einwände erhoben (vgl. Stellungnahme der Stadt Flensburg im Planungsausschuss am 07.09.2021, PDF-Datei – mehr) gegen den Entwurf zum Landes-Nahverkehrsplan.
Barkleit: Der Landesnahverkehrsplan (LNVP) gilt immer für 5 Jahre und bildet die Grundlage für die weitere Entwicklung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) und die landesweite Koordinierung des Öffentlichen Personennahverkehrs.
Der LNVP ist ein Gemeinschaftswerk zahlreicher Institutionen: Das Land Schleswig-Holstein und die NAH.SH erstellen den Entwurf. Die kommunalen Landesverbände, die Verkehrsunternehmen, die entsprechenden Gewerkschaften, Industrie- und Handelskammern, Fahrgast- und Umweltverbände, der Fremdenverkehrsverband, die unterschiedlichen Interessenvertretungen von Schüler:innen, Berufstätigen bis zu Menschen mit Behinderungen – all diese bringen sich mit ihren Stellungnahmen in die Erstellung ein.
Es ist sehr zu begrüßen, dass diese Institutionen mitwirken. Denn durch die Auswertung und Diskussion der Stellungnahmen nimmt die Entwicklung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) einen weiteren deutlichen Schritt nach vorn.
Eingleisige Streckenabschnitte auch um Kiel
- Frage: Der Landes-Nahverkehrsplan schlägt einen Innenstadthalt in Flensburg vor. Die Stadt Flensburg kritisiert, dass durch die eingleisige Strecke zwischen Wilhelminental und Flensburg-ZOB Betriebsstörungen programmiert seien.
Barkleit: In Schleswig-Holstein gibt es einen landesweiten Taktfahrplan, der inzwischen in weiten Landesteilen zu einem Integralen Taktfahrplan, dem Schleswig-Holstein-Takt, weiterentwickelt worden ist. Kern des Taktfahrplans sind die sogenannten Knoten, Orte, an denen sich die Züge zu den Knotenzeiten, beispielsweise zu den Minuten 00 und 30, treffen.
Auf eingleisigen Streckenabschnitten erreichen die Züge den Knoten nacheinander und verlassen ihn auch nacheinander. In Schleswig-Holstein wird dies beispielsweise auf den Streckenabschnitten Kiel-Hassee-Kiel Hbf, Kiel Hbf-Kiel Abzweig Ss und Neumünster Süd praktiziert.
Leistungsfähige Infrastruktur auf eingleisige Abschnitten: In Flensburg zu leisten
Solche Streckenabschnitte sollten eine möglichst leistungsfähige Infrastruktur mit nahegelegenen Ausweichsstationen bieten. Dann können sich die Züge dort begegnen und Verzögerungen im Betriebsablauf lassen sich kompensieren. In den oben genannten Kieler Streckenabschnitten ist dies nur teilweise der Fall.
Die Reaktivierung der Bahnstrecke Flensburg-Wilhelminental-Flensburg-ZOB bietet jedoch die Möglichkeit, die Infrastruktur so auszubauen, dass die nötigen Rahmenbedingungen erfüllt sind. Der eingleisige Streckenabschnitt lässt sich in wenigen Minuten zurücklegen. Mit den Ausweichmöglichkeiten zu Beginn und Ende lassen sich Begegnungssituation sicher und zeitsparend gestalten. Signaltechnische Ausrüstung unterstützt dies zusätzlich.
“Grünes Band” durch die Flensburger Innenstadt bleibt erhalten
- Frage: Eines der Ratsmitglieder erklärte, bei Reaktivierung der Strecke müssten 10 Meter rechts und links der Bahnlinie alle Bäume gefällt werden. Ist das richtig?
Barkleit: Das trifft nicht zu. Nach der VDV-Schrift 613 „Anlage und Pflege von Vegetationsflächen entlang der Schienenwege nichtbundeseigener Eisenbahnen“, Ausgabe 01/2020, sind Oberleitungsmasten freizuhalten und neben dem Gleisbereich sind ein schmaler Übergangsstreifen und eine rund 2,50 Meter breite Bewuchsgrenze für Gehölze vorzuhalten.
Durch den Erhalt von Baumbestand bzw. Bepflanzung und Rasengleis lässt sich der Damm ansprechend gestalten, so dass das “grüne Band” durch die Flensburger Innenstadt erhalten bleibt.
Ausbau der Bahnstationen um Flensburg schafft Grundlage für Regionalbahn
- Frage: Welche Züge würden denn zu einem Innenstadthalt fahren? Moniert wurde, dass aus Kiel kommende Züge einen Richtungswechsel vornehmen müssen, um einen Innenstadthalt zu erreichen.
Barkleit: 2016 haben das Land, NAH.SH und die Stadt Flensburg gemeinsam mit dänischen Partnern bei dem renommierten Beratungsunternehmen SMA und Partner ein Gutachten zur Infrastruktur in der Stadt Flensburg erstellen lassen.
Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis: Mit einer Kombination aus einer Bahnstation Flensburg-Weiche, einer Bahnstation Flensburg-ZOB und einer Bahnstation am bisherigen Standort lässt sich die Zahl der Fahrgäste deutlich steigern.
Bis in die Innenstadt könnten folgende Züge fahren:
- Die Regionalbahn-Linie Niebüll-Flensburg und die Regionalexpress-Linie Hamburg-Neumünster-Flensburg. Auch für einzelne Intercity ist dies vorstellbar.
- Über die Bahnstation Flensburg-Weiche können die Regionalbahn-Linie Tinglev-Padborg-Flensburg und die Regionalexpress-Linie Kiel-Eckernförde-Süderbrarup-Flensburg (mit Richtungswechsel an der Bahnstation Flensburg-Weiche) zur Bahnstation Flensburg-ZOB fahren.
- In einer zweiten Stufe können diese jeweils über neu zu errichtende Verbindungskurven die Bahnstation Flensburg-ZOB erreichen. Die Bahnstation am bisherigen Standort könnte mit einer Regionalexpress-/ Regionalbahn-Linie Niebüll-Flensburg-Eckernförde-Kiel bedient werden.
Im Flensburger Süden ist die Errichtung von zwei neuen Bahnstationen vorstellbar. Die neuen Bahnstationen und die reaktivierten Bahnstrecken können von Beginn an so geplant und gebaut werden, dass damit die Grundlage für die Einführung einer Stadt-Regionalbahn in Flensburg geschaffen ist.