Der Ausschuss für Umwelt, Planung und Stadtentwicklung am Dienstag, 7. September 2021, fand wieder in der beliebten Bürgerhalle statt. Verkehrsthemen gab es diesmal drei: den Radverkehr an der Hafenspitze, die Stellungnahme der Stadt zum landesweiten Nahverkehrsplan und die geänderte Verkehrsführung in der Rathausstraße.
Ausschussvorsitzender Axel Kohrt bat erneut darum, doch das Mikrophon zu benutzen. Doch nur wenige Ausschussmitglieder mochten dieser Bitte entsprechen. Dank an die, die ein paar Schritte auf sich nahmen und so verständliche Gesprächsbeiträge abgaben!
57. SUPA in der Gesamtbewertung
Verständlichkeit der Redebeiträge: 2/3
Lesbarkeit der Präsentationen: 2/3
Spannung: 3/3
Gesamtbewertung: 2/3
TOP 4: Schutz der Fußgänger:innen im Bereich der östlichen Hafenspitze
Der Einstieg in die Verkehrsthemen startete mit einem Dauerbrenner: Konfliktsituationen zwischen Fuß- und Radverkehr an der Hafenspitze. Die CDU-Fraktion hatte den Antrag (PDF-Datei – mehr) gestellt, die Verkehrsplanung möge konkrete Vorschläge machen für eine Lösung für die Strecke vom Spielplatz bis zum Kanalschuppen.
Man wolle endlich die Situation dort verbessern, so Joachim Schmidt-Skipiol (CDU) bei der Begründung. Das Gebot, in der Fußgängerzone dort Schritttempo zu fahren, werde vom Radverkehr nicht respektiert. Die unterschiedlichen Oberflächen verleiteten viele zu der Ansicht, dass dort jeweils ein getrennter Fuß- und Radweg sei.
Ungute Mischung von Fuß- und Radverkehr
In der folgenden Diskussion bestätigte Glenn Dierking (SSW) die Probleme und erklärte, man habe selbst verschiedene Alternativen geprüft. Sein Vorschlag sei, den Radverkehr auf den Hafendamm zu verlegen.
Susanne Rode-Kuhlig (FDP) sprach von einem “Radweg” an der Hafenspitze – und zeigte so, dass auch Ratsmitglieder die Verkehrssituation falsch interpretieren. Denn hier handelt es sich ja um einen Fußgängerbereich, der für Radverkehr im Schritttempo freigegeben ist.
Christiane Schmitz-Strempel (BSS) beschrieb die schwierige Situation gerade für Kinder und ältere Fußgänger:innen. Manche Radfahrende seien doch recht schnell unterwegs.
Chance für Bikelane auf dem Hafendamm?
Im Grunde stimmten alle Fraktionen überein, dass eine bessere Lösung gefunden werden müsse. Nur Stefan Thomsen (Grüne) mochte überhaupt keine Probleme an der Hafenspitze sehen. Er nehme dort nur Rücksichtnahme und Fairness wahr. Die Idee, zu Fuß Gehende vor dem Radverkehr schützen zu wollen, passe nicht zu einer Fahrradstadt.
Im Austausch wurde immer wieder der Hafendamm als alternative Wegführung für den Radverkehr ins Gespräch gebracht, ggf. auch als Bikelane. Vielleicht zeichnet sich hier die Bereitschaft zu einer Lösung ab?
Stadt: Ausführliche Stellungnahme liegt bereits vor
Frank Axen (Stadt Flensburg) erklärte schließlich, die Verkehrsplanung habe bereits diverse Optionen detailliert untersucht und eine ausführliche Stellungnahme erstellt, die er zugänglich machen werde.
Der Antrag wurde mit 2 Enthaltungen (Grüne) einstimmig angenommen.
TOP 6.-9. Straßenbaumaßnahmen Sondervermögen Infrastruktur
Die TOPs 6.-9. umfassen die Erneuerung verschiedener Straßen: Fruerlundhof, Sauermannstraße, Claus-Gabriel-Hof und Richard-Wagner-Straße. Diese Aufgabe liegt in der Zuständigkeit des TBZ, das – wie Axel Kohrt noch einmal erläuterte – eben nur das Bestehende erneuert. Änderungen und Verkehrsplanung liegen bei der Stadt. Das TBZ frage zuvor immer nach, so die Auskunft, ob verkehrsplanerisch etwas angedacht sei.
Anmerkung: Hier kann man nur hoffen, dass die Abstimmung zwischen den beiden Abteilungen gut funktioniert und optionale Verbesserungen nicht unter den Tisch fallen.
Vorgeschlagen wurde u.A. die Parkflächen so zu kennzeichnen, dass die Begrenzung auch nach längerer Zeit noch erkennbar ist. Auch wurden Bäume gewünscht. Die Erneuerungsaufträge wurden einstimmig erteilt.
TOP 10.1 MV: Landesweiter Nahverkehrsplan (LNVP) – fachliche Stellungnahme der Stadt Flensburg
Der Entwurf des Landesnahverkehrsplans (PDF-Datei – mehr) nimmt ausdrücklich eine Verkehrswende in den Blick und will die entsprechenden Grundlagen dafür schaffen. Was Flensburg betrifft, ist vor allem auf den Seiten 55-56 und 64-65 zu finden.
Darin wird Bezug genommen auf verschiedene Gutachten und ausdrücklich vermerkt: “Das Projekt wird bisher durch die Stadt Flensburg allerdings abgelehnt.” (S. 55) “Eine Höherpriorisierung dieser Maßnahme ist möglich, wenn die kommunalen Gremien der Stadt Flensburg eine Zustimmung zum Innenstadtbahnhof geben.” (S. 64)
Stellungnahme der Verkehrsplanung
Äußerst engagiert trug nun Frank Axen (Stadt Flensburg) die Stellungnahme der Stadt Flensburg dazu vor.
Es folgte eine gezielte Aburteilung der Vorschläge aus dem Landesnahverkehrsplan und zu einem Innenstadthalt:
- Die Strecke zwischen Wilhelminental und ZOB sei eingleisig, damit seien Betriebsstörungen vorprogrammiert.
- Der Bahnhof solle ertüchtigt werden. Es liege jedoch die Aussage der DB vor, dass das nur bei einem klaren Bekenntnis der Stadt zum Bahnhof umgesetzt werde. Wer andere Bahnhalte vorschlage, schade also der Ertüchtigung des Bahnhofs.
- Ein Bahnhalt in der Innenstadt sei kein attraktiver Bahnhof.
- Um einen Innenstadthalt zu erreichen, müssten Züge aus Kiel einen Umweg fahren.
- Ein angeführter Haltepunkt am Berufsschulzentrum sei nicht zugänglich (Betriebsgelände Mitsuhishi Papermills) und durch den Höhensprung im Gelände unattraktiv.
- Der Wirtschaftlichkeits-Faktor 8,25 gelte nur für die Strecke Wilhelminenthal-ZOB, man zweifle die Berechnungsgrundlage an. Die Strecke Niebüll-Flensburg rechne sich aber nur mit Innenstadthalt.
- Der “Schnellbus” solle eingestellt werden und stattdessen ein Zubringerverkehr eingerichtet werden. Anwohnende, die entfernt von der Bahnlinie wohnen, müssten dann mit dem Bus zum nächsten Bahnhof fahren. Dadurch werde Umsteigen nötig.
Das Land solle endlich aufhören, den erklärten Willen der Stadt Flensburg zu übergehen und das Gespräch mit der Stadt suchen. Man gebe sich größte Mühe, den Bahnhof und das Umfeld attraktiv zu machen. Statt der Vorschläge im Landesnahverkehrsplan wünsche man sich finanzielle Unterstützung bei der Modernisierung des Bahnhofs und für den überregionalen Busverkehr zwischen Niebüll-Flensburg und Kappeln-Flensburg.
Freude über “schallende Ohrfeige für die Landesplanung”
Gunnar Speck (WiF) äußerte sich kritisch zu der Stellungnahme der Stadt. Es seien viele Einwände möglich. Man beantrage daher die Beratung in der Ratsversammlung.
Dann erhielt Herr Axen – endlich einmal in dieser Runde! – eine Menge Lob. “Eine schallende Ohrfeige für die Landesplanung”, freute sich Joachim Schmidt-Skipiol (CDU) und beglückwünschte Herrn Axen zu seinen “klaren Worten”. Der Stadt Flensburg werde nicht der notwendige Respekt entgegengebracht.
Frank Hamann (LINKE) stieß ins gleiche Horn. Die Anbindung an den Deutschlandtakt sei gar nicht möglich, außerdem müssten 10 Meter rechts und links der Bahnlinie alle Bäume gerodet werden. Verkehrsminister Buchholz lasse sich gern mit Vertretern der neg abbilden, einem sturen Privatunternehmen. Die “blödsinnige Idee” müsse vom Tisch.
Kritik: Was ist mit Klimaschutz und Alternativen für Kfz-Verkehr?
Glenn Dierking (SSW) stellte fest, um CO2-Neutralität zu erreichen und den Verkehr aus der Stadt zu bekommen, werde nicht ein Bahnhof gebraucht, sondern mehrere. Seit über vier Jahren gebe es in Flensburg keine Weiterentwicklung in der Sache. Die Stellungnahme der Verwaltung sei nicht objektiv und sachlich.
Er monierte verschiedene Angaben und stellte fest, Mitsubishi Papermills sei obendrein grundsätzlich nicht bereit, Radfahrende auf dem Werksgelände zu akzeptieren. Damit sei der geplante Radweg unmöglich.
Dierking fand deutliche Worte über den Beitrag von Frank Axen – und Axel Kohrt als Vorsitzender drohte, ihm das Wort zu entziehen.
“Schwer zu ertragen”, so Axel Kohrt (SPD) seien für ihn Vorstöße und Stellungnahmen für eine Reaktivierung der innerstädtischen Bahnlinie. Die Mehrheitsentscheidung solle endlich akzeptiert werden.
TOP 10.2 Sachstand zur Verkehrsführung Rathausstraße
Wieder durfte Frank Axen (Stadt Flensburg) präsentieren, diesmal allerdings mit weniger Applaus. Er erläuterte noch einmal die Hintergründe für die Neuregelung der Verkehrsführung an der Rathausstraße (Gutachten als PDF-Datei – mehr)
Geplante Änderung der Verkehrsführung in der Rathausstraße
Dafür sei, wies er noch einmal hin, die Verkehrsbehörde zuständig, dies sei keine Angelegenheit der Selbstverwaltung. Die neue Regelung, die ab Oktober umgesetzt werden solle, stärke den Busverkehr, verbessere die Einsatzbereitschaft der Polizei und biete “mehr Platz zum Leben”.
Anliegerverkehr dürfe einfahren jeweils bis zur Mitte, Busse dürften durchfahren. Zum Schutz von körperlich Eingeschränkten gebe es eine Bedarfsampel. Teilweise würde sich der Kfz-Verkehr sicher neu orientieren, nach fachlicher Einschätzung sei die Verkehrsmenge aber zumutbar.
An alle Anlieger und Gewerbetreibenden würden Flyer ausgegeben zur Information, auch Plakate und Pressehinweise würden vorbereitet.
Weitere Online-Information dazu am 20. September
Frank Axen zeigte zwei Gestaltungsbeispiele mit Bäumen, spazierenden Menschen und Fahrradständern. So könne man den “Bereich zurückerobern”. Die Rathausstraße werde damit deutlich aufgewertet. Die Gestaltung sei ausdrücklich noch offen, die Entscheidung sei aber gefallen.
Die Stadt habe alle möglichen Stellen beteiligt und den Dialog mit Geschäftsleuten geführt. Am 20. September gebe es von 15:00-17:00 Uhr noch einmal einen offenen Online-Termin, bei dem das Vorhaben vorgestellt würde.
Konzept: “Funktioniert nicht!” – “Sollte klappen!”
Beim anschließenden Austausch zeigte sich Schmidt-Skipiol (CDU) überzeugt, die Attraktivierung sei gut, das Konzept sei jedoch noch nicht ausgegoren. Wo solle z.B. der querende Kfz-Verkehr bei Hochwasser an der Schiffbrücke hin?
Sein Parteigenosse Karsten Sörensen fand auch: Das Konzept werde “nicht funktionieren”.
Dr. Karin Haug (SSW) ergänzte, Verkehrszeichen würden in Flensburg erfahrungsgemäß häufig ignoriert. Es sei zu beobachten, wie sich die Verkehre und Ausweichverkehre entwickeln. Hier müsse bei Bedarf nachgesteuert werden.
Glenn Dierking (SSW) befürchtete ebenfalls erhebliche Probleme – auch beim Busverkehr – und wies noch einmal hin, die Anwohnenden müssten mitgenommen werden. Er selbst habe vor Ort bereits erklärt, dass die, die auf der Rathausstraße an den Geschäften vorbeifahren, eben keine Kunden beim Bäcker oder Kaffeegeschäft in der Fußgängerzone seien.
Bisheriger Gefahrenlage entgegenwirken, Ziel- und Quellverkehr nicht betroffen
Frank Axen nahm Stellung: Das Planungsbüro habe eine ausführliche Untersuchung angestellt, aus fachlicher Sicht sollte das Konzept gut klappen. Es sei sei u.a. auch mit Aktivbus abgestimmt. Übergeordnetes Ziel sei, den Durchgangsverkehr auf die Tangenten hin zu verlagern. Hochwasser sei eine Gefährdungssituation, dann könne die Durchfahrt ermöglicht werden.
Man müsse es jetzt probieren und die Auswirkungen anschauen. Auf jeden Fall würde die Kreuzung Rathausstraße-ZOB dadurch leistungsfähiger.
Ziel sei gewesen, so Dezernent Stefan Kleinschmidt (Stadt Flensburg), einer Gefahrenlage entgegenzuwirken und keine neuen Gefahrenlagen zu schaffen. Ziel- und Quellverkehr seien nicht betroffen. Man bleibe im Dialog.
Kommentar
Soweit dieser Dienstagnachmittag. Der Austausch war im Ganzen konstruktiv – Ausnahme war TOP 10.1 zum Landesnahverkehrsplan. Hier wurden die Stimmen lauter, der Ton wurde schärfer und die Ausdrucksweise herabsetzender. Im Vordergrund standen nicht Argumente, sondern der Wille, die eigene Position durchzusetzen.
Online-Podium: Optimierung des Bahnverkehrs im Stadtbereich Flensburg am 4. November 2021
Wer demgegenüber an einem sachlichen Austausch zum Thema interessiert ist, ist willkommen zum
-
Online-Podium von VCD und PRO BAHN zur Gestaltung des Bahnverkehrs im Stadtgebiet Flensburg
-
am 4. November, 17:00-19:00 Uhr.
Beim letzten Online-Dialogforum für die Stadt Flensburg (26. August 2021) wurde die Reaktivierung der Bahnstrecke Niebüll-Flensburg von verschiedenen Seiten beleuchtet (Bericht VCD Flensburg – mehr). Bei der kommenden Veranstaltung geht es darum, wie die Flensburger Innenstadt klimagerecht mit öffentlichen Verkehrsmitteln am besten erreichbar ist.
Varianten diskutieren und das Beste für die Stadt finden
Zugesagt haben bereits Vertreter der Lokalpolitik mit ihren unterschiedlichen Positionen – die hier aber argumentativ erörtert werden sollen. Fachleute werden jeweils dazu Stellung nehmen. Denn: Es geht nicht darum, Recht zu behalten, sondern gemeinsam herauszufinden, was das Beste für die Stadt ist.