Aktionen gegen die Schwerfälligkeit in der Politik – denn der Klimawandel macht keine Pause

Zwei Tage im Zeichen des Dialogs und des Protests in Flensburg

Ein Beitrag von Sabine Scholl

Am 24. und 25.9.2020 stand Flensburg ganz unter dem Zeichen der Auseinandersetzung mit dem fortschreitenden Klimawandel, einem Prozess, der für den gesamten Planeten im Moment der Bedrohlichste ist. Aber es ist ebenso ein Kampf gegen Schwerfälligkeit und Ignoranz, auch in der Flensburger Stadtplanung.

Die Zukunft der Energiewende in Flensburg

Am Donnerstagabend fanden sich deshalb im Borgerforeningen fachkundige und interessierte Menschen ein, um an den Flensburger Klima Dialogen teilzunehmen. (Die Veranstaltung und Diskussion ist auch auf youtube zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=1aZ26Onv5kk )
Hier gab es die Gelegenheit, über den Tellerrand zu schauen und zu erfahren, wie man andernorts versucht, spätestens 2030 klimaneutral zu werden. Und zwar 100% klimaneutral, „keine halben Sachen“, so wie es Lasse Sørensen von den Stadtwerken Aarhus sinngemäß ausdrückte. Nach den Vorträgen verschiedener Expert*innen entspann sich eine sehr angeregte Diskussion und auch als Laie konnte man verstehen, dass durch den Austausch von Wissen und Erfahrung, jede Kommune eine auf ihre Verhältnisse zugeschnittene Lösung entwickeln könnte, um mindestens das festgeschriebene Klimaziel zu erreichen.

Wie können Kommunen möglichst bald ohne fossile Brennstoffe auskommen? Die Anwesenden verfolgen interessiert Ausführungen zu diesem Thema. – Foto: Mohammad Talluzy / MT Design, fb.com/mohammad.talluzy.3

Leider zeichnete sich der Vertreter der Flensburger Stadtwerke nicht durch Interesse an anderen Lösungen aus, als die, die man nun für die nächste Jahre in Flensburg vorsieht. Noch immer wird auf Kohle und Gas gesetzt. Karsten Müller-Janßen, Geschäftsbereichsleiter Anlagenbau- und Projekte bei der Stadtwerke Flensburg GmbH hatte eigentlich gar keine Fragen an die Expert*innen und Forschenden anderer Kommunen. Aber haben wir in einem westlichen Wohlstandsland nicht die Möglichkeit und vor allem die menschliche Verpflichtung alles zu tun, um Lösungen für eine echte Energiewende zu entwickeln?

Aus einzelnen Projekten könnte durch Erfahrungsaustausch und Zusammenarbeit schneller etwas bewegt werden, als jetzt nochmal auf alte Pferde zu setzen. Weshalb startet Flensburg nicht wenigstens ein ernsthaftes Versuchsprojekt in Richtung fossiler Unabhängigkeit? Ideen und Entwickler*innen gibt es hierfür.

Mehr Tempo bei der Bewältigung der Klimakrise!

Zu Recht kritisierten die Fridays for Future Aktivist*innen beim Klimastreik am nächsten Tag die Schwerfälligkeit, mit der sich die Politik der Klimaproblematik annimmt.

„Es werden noch viel mehr Klimaflüchtlinge kommen, wenn so weitergemacht wird! Und auch wir selbst können in der Zukunft zu Flüchtlingen werden, weil zu wenig getan wurde, als es noch möglich war!“ Diese Kritik galt auch der Stadt Flensburg mit den Stadtwerken, die Kohle aus Russland beziehen und dabei in Kauf nehmen, dass durch die Förderung dort Menschen aus ihrer Heimat vertrieben werden. Das nun vermehrt eingesetzte Erdgas, das auch zum Teil durch Fracking gewonnen wird, macht durch Schlupf in der vorgelagerten Produktions- und Lieferkette die Reduktion des CO₂-Ausstoßes in der ökologischen Bilanz zunichte.

Auch der Umgang der Stadtplaner mit Flensburgs Grünflächen könnte in eine ganz andere Richtung gehen. Bauvorhaben müssten vor dem Hintergrund des bereits spürbaren Klimawandels ganz anders abgewogen werden, um Gärten, Parks und Wälder zu erhalten – besonders innerstädtische. Auch hier ist keine Wende erkennbar. Im Gegenteil. Das zeigt sich ganz deutlich im Bahnhofsviertel, aber auch an der geplanten „Sanierung“ der Grünflächen und Baumbestände um den Museumsberg und dem Verlust von immer mehr Kleingartenkolonien, deren Flächen bebaut werden.

Weiterhin fahren und parken auch zu viele Autos in unserer Stadt. Anreize, den Öffentlichen Nahverkehr oder das Fahrrad besser nutzen zu können, gibt es zu wenige.

EARTH FIRST: Sitzblockade am Freitag im Anschluss an den Klimastreik-Protest in der Rathausstraße

Um hierfür ein deutliches Zeichen zu setzen, gab es noch eine Aktion nach der offiziellen Demo: die Rathausstraße wurde von Aktivist*innen spontan noch zum Verweilen, gemütlichen Zusammensitzen und Ballspielen genutzt. Zwei PKW-Fahrer versuchten trotzdem an den friedlich sitzenden Menschen vorbei zu fahren. Linienbusse wurden sofort durchgelassen, aber der motorisierte Individualverkehr musste sich eine andere Strecke suchen. Das gefiel nicht allen. Ein älterer Passant forderte einen Polizisten laut schimpfend auf, „doch mal seine Arbeit zu tun“ und „das“ zu beenden. Der Ordnungshüter schickte daraufhin den aufgeregten Menschen und ankommende PKW in die andere Richtung.

Der empörte Mitbürger war vielleicht zwischen 60 und 70 Jahre alt. Denen, die für eine knappe Stunde die Straße mit Leben füllten, um zu zeigen, dass man Straßen auch anders nutzen kann, ist es ihnen nicht zu wünschen, dass sie auch noch 70 Jahre in einer intakten Umwelt vor sich haben?

Dann muss sich die Politik konsequent bewegen. Jetzt!

Forderung nach mehr Transparenz und öffentliche Beteiligung

Ein Kommentar dazu von Siegfried Manzel:

Moin, ich möchte mich einmal für den Artikel über unsere Veranstaltung bedanken und den Fokus auf einen anderen, aus meiner Sicht deutlich relevanteren Aspekt richten als auf die Bereitschaft der Stadtwerke – hier in der Person des technischen Leiters Müller-Janßen – sich mit neuen Technologie-Ansätzen zu beschäftigen. Ich hatte die Gelegenheit, mit ihm noch einige Worte nach der Veranstaltung zu wechseln und mein persönlicher Eindruck war, dass Herr Müller-Janßen sich sehr wohl mit den Inhalten der Vorträge auseinandersetzt.

Doch jetzt zu meinem Fokus:
In unserer Veranstaltung am 04.Juni 2020 hat der Aufsichtsrats-Vorsitzende Rolf Helgert explizit gesagt, dass die Geschäftsführung der Stadtwerke Flensburg vom Aufsichtsrat beauftragt und kontrolliert wird und somit der Aufsichtsrat für die technologische Entwicklung der Stadtwerke die Weichen stellt. Der Aufsichtsrat ist überwiegend durch die politischen Parteien besetzt.
Deshalb:
Wir müssen die politischen Parteien überzeugen, den Stadtwerken andere Prioritäten zu geben. Natürlich ist der wirtschaftliche Erfolg der Stadtwerke für den Haushalt der Stadt von beachtlicher Bedeutung, doch die Einhaltung des Pariser Abkommens ist auch für Flensburg verbindlich.
Kurzer Exkurs:
Nach Aussagen der Stadtwerke wird die CO2-Emission nach der Inbetriebnahme des Kessel 13 (fossiles Erdgas) bei 420.000 Tonnen liegen. Das bedeutet für jeden Bürger Flensburgs eine tägliche Emission von 11,5 kg CO2. Zur Zeit liegt die Zahl bei ca. 15kg.

Es gibt zur Zeit keinen Plan, wie nach der Inbetriebnahme von Kessel 13 die Emissionen weiter gesenkt werden sollen als durch die Annahme, dass „Grüner Wasserstoff aus erneuerbarem Strom“ eingespeist werden kann. Woher diese Mengen kommen sollen, wäre ein relevanter Bestandteil des für 2021 unter der Führung des neuen GF Dr. Wernicke zu erstellenden Strategieplanes der Stadtwerke.
Hier muß die Politik durch klare Vorgaben dafür sorgen, dass der Weg der weiteren Emissionssenkung mit konkreten Maßnahmen hinterlegt wird. Wir haben mehrfach dafür geworben, dass es zur Festlegung der Strategieplanung einen öffentlichen Prozeß geben muß, damit neben den Gremien auch die Bürger unmittelbar ihre Wünsche vortragen können.Denn wir erleben an vielen Stellen, dass mangelnde Transparenz der „Politik“ zu immer größer werdendem Vertrauensverlust bei den Bürgern führt.

Ich fordere deshalb die politischen Gruppierungen und Gremien auf, hier eine durchgängige Transparenz exemplarisch umgesetzt wird.

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Veröffentlicht am 28. September 2020, in Ökologie, Bürgerbeteiligung, BGE Grundeinkommen, Flensburg News, Rat & Ausschüsse, Soziales, Stadtplanung, Stadtwerke, Stadtwerke Flensburg, Wirtschaft. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 3 Kommentare.

  1. Moin Siegfried, Zufälle gibts nicht, und so kann ich hier DANKE sagen zu Deinem TUN.
    2 Anmerkungen könnten evt. fruchtbar sein für Euch an der Förde:
    1) Habt Ihr Kontakte zur: http://www.fsg-ship.de/wordpress/de/ ?, um Euch mit denen über jüngste fossilfreie Schifffahrtsentwicklungen auszutauschen?
    2) Habt Ihr Kontakt zu https://www.reinhard-christiansen.de/index.html + https://www.gruenstrom-event.de/ + https://bentuss.de/ ? Er ist ein langjähriger BWE-Freund und stark im Wasserstoff involviert.
    Frische Grüße vom @Windotto, und: bleibt auch gesund, Du, Deine Familie und Dein neues Netzwerk in FL !!!

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  2. Siegfried Manzel

    Moin, ich möchte mich einmal für den Artikel über unsere Veranstaltung bedanken und den Fokus auf einen anderen, aus meiner Sicht deutlich relevanteren Aspekt richten als auf die Bereitschaft der Stadtwerke – hier in der Person des technischen Leiters Müller-Janßen – sich mit neuen Technologie-Ansätzen zu beschäftigen. Ich hatte die Gelegenheit, mit ihm noch einige Worte nach der Veranstaltung zu wechseln und mein persönlicher Eindruck war, dass Herr Müller-Janßen sich sehr wohl mit den Inhalten der Vorträge auseinandersetzt.

    Doch jetzt zu meinem Fokus:
    In unserer Veranstaltung am 04.Juni 2020 hat der Aufsichtsrats-Vorsitzende Rolf Helgert explizit gesagt, dass die Geschäftsführung der Stadtwerke Flensburg vom Aufsichtsrat beauftragt und kontrolliert wird und somit der Aufsichtsrat für die technologische Entwicklung der Stadtwerke die Weichen stellt. Der Aufsichtsrat ist überwiegend durch die politischen Parteien besetzt.
    Deshalb:
    Wir müssen die politischen Parteien überzeugen, den Stadtwerken andere Prioritäten zu geben. Natürlich ist der wirtschaftliche Erfolg der Stadtwerke für den Haushalt der Stadt von beachtlicher Bedeutung, doch die Einhaltung des Pariser Abkommens ist auch für Flensburg verbindlich.
    Kurzer Exkurs:
    Nach Aussagen der Stadtwerke wird die CO2-Emission nach der Inbetriebnahme des Kessel 13 (fossiles Erdgas) bei 420.000 Tonnen liegen. Das bedeutet für jeden Bürger Flensburgs eine tägliche Emission von 11,5 kg CO2. Zur Zeit liegt die Zahl bei ca. 15kg.

    Es gibt zur Zeit keinen Plan, wie nach der Inbetriebnahme von Kessel 13 die Emissionen weiter gesenkt werden sollen als durch die Annahme, dass „Grüner Wasserstoff aus erneuerbarem Strom“ eingespeist werden kann. Woher diese Mengen kommen sollen, wäre ein relevanter Bestandteil des für 2021 unter der Führung des neuen GF Dr. Wernicke zu erstellenden Strategieplanes der Stadtwerke.
    Hier muß die Politik durch klare Vorgaben dafür sorgen, dass der Weg der weiteren Emissionssenkung mit konkreten Maßnahmen hinterlegt wird. Wir haben mehrfach dafür geworben, dass es zur Festlegung der Strategieplanung einen öffentlichen Prozeß geben muß, damit neben den Gremien auch die Bürger unmittelbar ihre Wünsche vortragen können.Denn wir erleben an vielen Stellen, dass mangelnde Transparenz der „Politik“ zu immer größer werdendem Vertrauensverlust bei den Bürgern führt.

    Ich fordere deshalb die politischen Gruppierungen und Gremien auf, hier eine durchgängige Transparenz exemplarisch umgesetzt wird.

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  1. Pingback: Flensburger Klimadialog am 24.09.2020 im Borgerforeningen Flensburg | AKOPOL - Arbeitskreis Kommunalpolitik

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