Streit um Versetzung von Flensburger sh:z-Redakteuren geht vor Gericht
Kritische Berichterstattung über lokales Wirtschaftsunternehmen als Grund für Strafversetzung?
Die Diskussion um die rätselhafte Entkernung der alten Flensburger Stadtredaktion beim sh:z bekommt neuen Zündstoff. Das vom Deutschen Journalistenverband herausgegebene Medienmagazin „Journalist“ geht in seiner Oktober-Ausgabe Vermutungen nach, die plötzlichen Versetzungen des ehemaligen Flensburger Ressortleiter Carlo Jolly (nach Husum) und der Redakteure Holger Ohlsen (nach Leck) und Joachim Pohl (nach Schleswig) seien womöglich auf Druck Dritter erfolgt, die ihre wirtschaftlichen Interessen durch eine kritische Berichterstattung berührt sahen. Diesen Gedanken hatte Ende August schon Arnold Petersen, der Vorsitzende des schleswig-holsteinischen DJV-Landesverbandes in einer Pressemitteilung des djv geäußert.
Jetzt legt das Medienmagazin des djv „Journalist“ mit einem Beitrag von Lars Radau unter dem Titel Turbulenzen bei Tante Maaß nach. Die „wie eine Strafaktion anmutende personelle Maßnahme“ könnte etwas mit gemeinsamen Interessen der Nord-Ostsee-Sparkasse (Nospa) und des stellvertretenden sh:z-Chefredakteur Jürgen Muhl zu tun haben, die den Fußball-Viertliga-Club SC Weiche 08 mit einem neuen Stadion ausstatten wollen, schreibt Radau. Und weiter heißt es dazu im Journalist:
„Es gibt indes noch einen weiteren Erklärungsansatz, den der DJV-Vorsitzende Arnold Petersen ins Spiel bringt. Für ihn sind und bleiben die Hintergründe des Personalkarussells „nebulös“: Im Verlagshaus und der Stadt kursierten verschiedene Varianten, von denen eine „besonders pikant“ sei: Danach werde „die Lokalredaktion wegen unliebsamer Berichterstattung auf Druck eines Wirtschaftsunternehmens ausgetauscht“. In der Tat muss man sich in Flensburg nicht allzu lange umhören, um diesen speziellen Flurfunk aufgetischt zu bekommen: Die regional bedeutsame Nord-Ostsee-Sparkasse (Nospa) habe Einfluss auf die Geschäftsführung und/oder die Chefredaktion des sh:z genommen und so die Lokalredaktion „umgekrempelt“ – aus Ärger über die eine oder andere kritische Berichterstattung. Das wäre ein Skandal, für alle Beteiligten. Genau deshalb wäre das Gerücht auch hanebüchen genug, es unkommentiert stehen zu lassen. Wie ernst es genommen wird, offenbart ein Anruf des journalists bei Nospa-Sprecherin Birthe Thiel. Noch bevor überhaupt Detailfragen gestellt werden, dementiert sie im Vorgespräch proaktiv, dass das Institut und sein Vorstandschef aufgrund von Berichten oder einer Karikatur des Tageblatt-Hauszeichners Kim Schmidt, die sich satirisch den kürzlich eingeführten Gebühren für Bargeld-Einzahlungen bei der Nospa widmet, interveniert oder ihr Anzeigenbudget verändert hätte. Ein offizielles Statement gibt es von der Nospa nicht, schreibt Thiel im Anschluss an das Gespräch in einer Mail. Gleichwohl wolle sie „aber noch einmal unterstreichen, dass wir keinen Einfluss auf Medienhäuser und ihre Berichterstattung nehmen!““
Ganz fremd scheinen sich Muhl und die Nospa aber nicht zu sein. Radau legt dar, wie eng die Nospa-Führung und der stellvertretende sh:z-Chefredakteur und -Sportchef zusammenarbeiten – beim sh:z-Fußballsommer und beim Flensburger Regionalligisten SC Weiche 08 zum Beispiel:
„Zum einen ist die Nord-Ostsee-Sparkasse einer der Sponsoren des „sh:z-Fußballsommers“, bei dem der Verlag seit Jahren Fußball-Freundschaftsspiele organisiert – und auf diese Weise auch Bundesliga-Vereine wie Mönchengladbach oder den HSV zum Kick in den hohen Norden lockt. Eine wichtige Figur dabei – nicht nur als Spiel-Organisator – ist der sh:z-Sportchef und stellvertretende Chefredakteur Jürgen Muhl, der zudem als guter Bekannter des Nospa-Vorstandschefs gilt. Zum Zweiten ist ein Sparringspartner dieser Spiele zuweilen der Regionalligist SC Weiche Flensburg 08, dessen Hauptsponsor wiederum die Nospa ist und in dessen Beirat nach Auskunft des Beiratsvorsitzenden auch Nospa-Marketingchef Thomas Beirer und eben Jürgen Muhl sitzen.
Nicht erst, seit der SC Weiche Flensburg 08 überraschend die zweite Runde des DFB-Pokals erreichte und Ende Oktober gegen Werder Bremen spielt, haben die Verantwortlichen große Pläne – und Wünsche. Am liebsten hätten sie ein drittligataugliches Stadion – ein Anliegen, das Vereinsbeirat Jürgen Muhl in den Zeitungen des sh:z sowohl mit eigenen Beiträgen als auch mit Texten und Interviews seiner Sportredaktion unterstützt. Dass die Grenzen zwischen Muhls Fußballinteressen und journalistischem Engagement zuweilen verschwimmen, war auch Ende Juni im Branchenportal Meedia nachzulesen.( am 28.06.2018 auf meedia.de: Nur Journalist oder auch Organisator? Die fragwürdige Rolle des SH:Z-Vize beim abgebrochenen HSV-Trainingslager) Der HSV hatte ein Trainingslager in Flensburg nach 21 Stunden wieder abgebrochen, weil die Bedingungen auf den Fußballplätzen in der Marineschule Flensburg zu schlecht gewesen seien. In verschiedenen Medienberichten, unter anderem der Bild-Zeitung, taucht Muhl als „Organisator“ des Camps auf. In seinen eigenen Zeitungen schickte er als Sportchef dem abreisenden HSV einen geharnischten Kommentar hinterher.“
Dem Fachblatt der deutschen Journalisten stößt diese unprofessionelle Nähe des Berichterstatters zu seinem Thema jedenfalls sauer auf. Und vielleicht nicht nur den Profis. Weiter heißt es:
„Wohl auch wegen solcher Episoden wird in der Flensburger Stadtgesellschaft mittlerweile sehr fein zwischen privatem und beruflichem Engagement und privaten und beruflichen Äußerungen unterschieden. Als der Flensburger Stadtpastor Johannes Ahrens aus jener Zeitungsausgabe vom 3. September vom Personalaustausch in der Flensburger Lokalredaktion erfuhr, postete er noch vor sieben Uhr morgens auf seinem privaten Facebook-Account, er sei „entsetzt über die geistige Entkernung“ der Redaktion. Rhetorisch fragte er: „Was muss man eigentlich getan haben, um nach jahrzehntelanger Arbeit so „verabschiedet“ zu werden?“
Der Chefredakteur des schleswig-holsteinischen Zeitungsverlages, Stefan Hans Kläsener, gab sich auf Anfrage des „Journalist“ wortkarg:
„Man werde, „wie bei Personalien üblich, aus rechtlichen Gründen keine Aussagen über die Angaben hinaus machen, die wir bereits in unseren Medien verbreitet haben“, teilt Kläsener dem Journalist mit.“
Zwei der drei betroffenen Redakteure haben inzwischen vor dem Flensburger Arbeitsgericht Klage gegen ihre Kündigung eingereicht. Der erste Termin steht: Dienstag, 16. Oktober, um 9.30 Uhr.
Rasmus Andresen, Flensburger Landtagsabgeordneter der Grünen in Kiel, schreibt zur Mitteilung des Flensburger Tageblatts am 3. September auf seiner Facebook-Seite
„Das Verhalten des SHZ Verlags ist skandalös!! Der SHZ Verlag hat langjährige und in Flensburg hoch anerkannte Journalisten nach jahrzehntelanger Arbeit in andere Redaktionen zwangsversetzt. Carlo Jolly, Joachim Pohl und Holger Ohlsen sind faire Journalisten, die in der Stadt stark verankert und anerkannt sind. Menschlich ist das Vorgehen unmöglich, medienpolitisch wird eine gut arbeitende Redaktion ohne erkennbare Gründe zerschlagen. Die Qualität der Berichterstattung wird dadurch leiden. Ein Beispiel dafür kann man Heute beobachten. Über 1000 Menschen gehen für Seenotrettung und gegen Hetze auf die Straße. Dem neuen Chefredakteur ist dies nur 2-3 Sätze plus Foto wert.
Dass diese Entscheidung ohne öffentliche Erklärung der Chefredaktion geschieht, führt dazu dass in Flensburg viele Gerüchte über politische oder ökonomische Einflussnahme existieren.
Chefredakteur Stefan Hans Kläsener und der SHZ sollten die Vorgänge transparent machen und die Redakteure in der Stadtredaktion wieder arbeiten lassen.“
Mehr zum Thema auch in den untenstehenden Medien-Beiträgen
Im Zusammenhang mit der Versetzung von drei Redaktueren des Flensburger Tageblattes in die Provinz gibt es untenstehend einen Beitrag von Esther Geißlinger in der TAZ vom 11.10., als PDF-Datei den Offenen Brief von Clemens Teschendorf, Pressesprecher der Stadt Flensburg, den Pressesprecher/innen der Universität Flensburg, des Flensburger TBZ sowie der Wohnungsbaugenossenschaft SBV. Dazu ein Link zu einem Beitrag von Gregory Lipinski vom 18.09.2018 auf meedia.de der sich mit den möglichen Gründen dieser Versetzung beschäftigt und gleich zu Beginn ein Link zu einem Beitrag des NDR vom 23.10.2018.
„Flensburger Tageblatt“ versetzt Mitarbeiter
In Flensburg sind es dieser Tage die Medien, die die Schlagzeilen machen. Allerdings unfreiwillig. Das „Flensburger Tageblatt“ versetzt drei seiner Redakteure – gegen deren Willen und sehr plötzlich. Mit dem Thema beschäftigen sich inzwischen nicht mehr nur die Leserschaft und der Verlag, sondern auch die Justiz. Weiterlesen unter: https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Flensburger-Tageblatt-versetzt-Mitarbeiter,flensburgertageblatt100.html
Unruhe beim „Flensburger Tageblatt“ – Zwangsversetzte Redakteure
taz. Das „Flensburger Tageblatt“ hat drei langjährige Lokalredakteure versetzt. Die Hintergründe sind unklar, einige vermuten Interessen aus der lokalen Wirtschaft. Weiterlesen hier
Offener Brief
von Clemens Teschendorf, Pressesprecher Stadt Flensburg; Kathrin Fischer, Pressesprecherin Universität Flensburg; Geoffrey Warlies, Pressesprecher TBZ und Matthias Weiß, Pressesprecher SBV: Offener Brief zum Wechsel in der Lokalredaktion Flensburg des shz
Zoff beim Flensburger Tageblatt: Chefredakteur Stefan Kläsener stößt Lokalredaktion vor den Kopf
Unruhe beim Flensburger Tageblatt. Überraschend hat Chefredakteur Stefan Kläsener drei langjährige Redakteuren aus der Flensburger Lokalredaktion in die tiefste Provinz versetzt. Möglicher Auslöser hierfür soll laut Journalistenverband DJV eine unliebsame Berichterstattung über ein Flensburger Unternehmen gewesen sein. Weiterlesen unter: https://meedia.de/2018/09/18/zoff-beim-flensburger-tageblatt-chefredakteur-stefan-klaesener-stoesst-lokalredaktion-vor-den-kopf/
Veröffentlicht am 10. Oktober 2018, in Flensburg News, Soziales, Wirtschaft. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 6 Kommentare.
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