„Die Wohnungsnot ist politisch gemacht worden“ – Auch in Flensburg

Ein Beitrag von Jörg Pepmeyer

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum vor allem in den Großstädten und auch in Flensburg nimmt weiterhin dramatisch  zu. Der Wohnungsbauexperte Volker Eichener hält das Problem für von der Politik verschuldet. Er forderte in einem Interview mit dem Deutschlandfunk eine Lockerung der Bauvorschriften. Und er beschreibt eine Erkenntnis, die auch für Flensburg gilt: „Ja nun, es ist eine ganz, ganz alte Erkenntnis, dass der Markt es allein nicht schafft, den nötigen Wohnungsbedarf zu decken. Das ist schon seit über 100 Jahren der Fall und deshalb gibt es auch schon seit über 100 Jahren eine staatliche und vor allen Dingen auch eine kommunale Wohnungspolitik, beispielsweise indem man eigene Wohnungsbaugesellschaften gründet, indem man den Wohnungsbau fördert.“ Das ganze Gespräch mit Volker Eichener  und Tobias Armbrüster im Deutschlandfunk unter: http://www.deutschlandfunk.de/wohnungsbau-die-wohnungsnot-ist-politisch-gemacht-worden.694.de.html?dram%3Aarticle_id=390298

Kaum Neubau von Sozialwohnungen in Flensburg – Wohnungsnot ist politisch gewollt

Auch die von der Flensburger Ratsversammlung vor einiger Zeit aktualisierten Leitlinien für den Wohnungsbau in Flensburg nützen den wohnungsuchenden Familien, Alleinerziehenden, RentnerInnen und Singles mit kleinen Einkommen nichts. Da heißt es in den Leitlinien: „Vom Sozialen Wohnungsbau werden mietpreisdämpfende Wirkungen erwartet, die auch auf nichtgeförderte Bestände ausstrahlen.“ Aber: „Voraussetzung ist eine ausreichend große Quote an geförderten Wohnungen, die nicht unter 10% aller Mietwohnungen in der Stadt (z.Z. ca. 30.000) fallen sollte. Auslaufende Bindungen sollen bei Modernisierungen und Neubauten ersetzt werden.“

Gebundener Wohnraum in FlensburgImmer weniger Sozialwohnungen in Flensburg: Oben die Prognose bis 2045. Achtung, der in der Grafik genannte prozentuale Anteil über den gebundenen Wohnraum bezieht sich auf a l l e Wohneinheiten in Flensburg, also inklusive Eigentumswohnungen und Eigenheime. Mehr als 2500 Sozial-Wohnungen in Flensburg müssten bis 2030 neu geschaffen werden, um die zu ersetzen, die bis dahin aus der Sozialbindung fallen und diejenigen, die zusätzlich aufgrund des Bevölkerungswachstums in der Stadt notwendig sind. – Quelle: Ziegruppenorientierte Wohnungsmarktanalyse Flensburg 2012, S. 30

Es droht weiter massive Wohnungsnot vor allem für Rentner und Geringverdiener

Offensichtlich hat die neue Landesregierung in Kiel begriffen, dass in Schleswig-Holstein und damit auch in Flensburg erheblich mehr Sozial-Wohnungen gebaut werden müssen. Stellt sich nur die Frage, was will sie dafür tun?

Aber im Gegensatz zum Jahr 2004, in dem es bei einer erheblich geringeren Bevölkerungszahl in Flensburg knapp 4.200 geförderte Wohnungen gab, ist die in den Leitlinien genannte Quote von 10% nicht ausreichend und wird die Verschärfung der Wohnungssituation für Rentner, Geringverdiener und Zufluchtsuchende nicht aufhalten. Und für das Leitlinien-Ziel von 8.000 neuen Wohnungen in Flensburg bis 2030 hieße es, selbst um die 10%-Quote zu erreichen, dass bis dahin mehr als 1.800 neue Sozialwohnungen entstehen müssten. Tatsächlich müssten aber sogar mehr als 2500 Sozial-Wohnungen in Flensburg bis 2030 neu geschaffen werden, um die zu ersetzen, die bis dahin aus der Sozialbindung fallen und diejenigen, die zusätzlich aufgrund des Bevölkerungswachstums in der Stadt notwendig sind. Beim derzeitigen Bautempo und dem mangelnden Interesse von Investoren und Wohnungswirtschaft sind die oben geannten Zahlen auch nicht annähernd zu erreichen. Aber es ist nicht zu erkennen, dass den Mitgliedern der Ratsversammlung mehrheitlich die besondere Dringlichkeit klar ist. Und angesichts der vielen Fürsprecher, die die private Wohnungswirtschaft in der Ratsversammlung und Stadtverwaltung hat, will man offensichtlich keine höhere und zwingende Mindestquote bei den Sozialwohnungen festlegen, damit der Druck auf dem Wohnungsmarkt erhalten bleibt. Damit wird die private Bau- und Wohnungswirtschaft einseitig bevorteilt und kann ordentlich Kasse machen. Das dokumentieren auch die derzeitigen Wohnungsbauvorhaben in Flensburg, bei denen eben nicht im notwendigen Umfang die Wohnungen ersetzt werden, die aus der Sozialbindung bereits gefallen sind oder in den nächsten Jahren herausfallen, sondern vor allem hochpreisige Miet- und Eigentumswohnungen gebaut werden, mit Netto-Quadratmeter-Mieten von 9 Euro und darüber. Die können sich aber selbst Normalverdiener mit ihren Familien nicht leisten.

Es braucht daher dringend die Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, die den Bau von Sozialwohnungen federführend in die Hand nimmt. Und es braucht den politischen Willen aller in der Flensburger Ratsversammlung vertretenen Parteien genau das zu beschließen. Ansonsten wird sich die Wohnungssituation in Flensburg weiter verschärfen. Aber am 6. Mai 2018 sind ja wieder Kommunalwahlen, vielleicht ist das ja Motivation.

Die bereits genannten Leitlinien gibt es für alle Interessierten hier  Entwurf_Grundsaetze_-_Leitlinien_Steuerung_Wohnungsbau

Wie man es von Anfang an richtig machen kann, zeigt der Beitrag von Susanne Kippenberger im Tagesspiegel vom 25.02.2016: Wohnungsbau in Wien: Das Mieter-Paradies
In Deutschland wurde der soziale Wohnungsbau praktisch eingestellt – in Wien hat man munter weiter gebaut. Die Devise: nicht nur günstig, sondern gut. Eine Exkursion.
unter: http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/sonntag/wohnungsbau-in-wien-das-mieter-paradies/12989410.html

Und dass das Wohnungsproblem in Flensburg nicht neu ist, zeigt der untenstehende AKOPOL-Beitrag mit den Ergebnissen der Zielgruppenorientierten Wohungsmarktanalyse vom 6.4.2013: Zielgruppenorientierte Wohnungsmarktanalyse Flensburg: Immer weniger Wohnungen für Menschen mit kleinen Einkommen Zukünftig dramatische Verschärfung der Situation auf dem Flensburger Wohnungsmarkt – Studie fordert mehr Engagement im sozialen Wohnungsbau unter: https://akopol.wordpress.com/2013/04/06/zielgruppenorientierte-wohnungsmarktanalyse-flensburg-immer-weniger-wohnungen-fur-menschen-mit-kleinen-einkommen/

Siehe hierzu auch den AKOPOL-Beitrag vom 28.11.2015 Kehrtwende in der Flensburger Wohnungsbaupolitik? Nichts anderes als propagandistische Weißwäscherei!
unter: https://akopol.wordpress.com/2015/11/28/kehrtwende-in-der-flensburger-wohnungsbaupolitik-nichts-anderes-als-propagandistische-weisswaescherei/

Hier geht es zu einem Beitrag von Holger Ohlsen vom 26.10.2015 auf shz.de Zu wenig günstiger Wohnraum – Der Druck wächst unter: http://www.shz.de/lokales/flensburger-tageblatt/der-druck-waechst-id11043281.html

Zum Thema Neugründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft siehe den AKOPOL-Beitrag vom 23.10.2015 DIE LINKE in Flensburg beantragt Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Finanzausschuss und Ratsversammlung sollen im November über Gründung entscheiden https://akopol.wordpress.com/2015/10/23/die-linke-in-flensburg-beantragt-gruendung-einer-kommunalen-wohnungsbaugesellschaft/

Ebenso zum gleichen Thema auch der AKOPOL-Beitrag vom 6.10.2015 Flensburg: Kommunale Wohnungsbaugesellschaft gründen! – Dramatische Situation auf dem Wohnungsmarkt zwingt zum Handeln unter: https://akopol.wordpress.com/2015/10/06/flensburg-kommunale-wohnungsbaugesellschaft-gruenden/

Wie auch ein Beitrag in der taz vom 8.8.2015 Neugründung Wohnungsbaufirma – Dresden baut staatlich unter: http://www.taz.de/!5218576/

Ein Beitrag auf shz.de vom 6.10.2015 Kampf um bezahlbaren Wohnraum Wohnungen in SH: Gemeinden suchen dringend Unterkünfte für Flüchtlinge unter http://www.shz.de/schleswig-holstein/wirtschaft/wohnungen-in-sh-gemeinden-suchen-dringend-unterkuenfte-fuer-fluechtlinge-id10884521.html

Ein Beitrag auf shz.de von Holger Ohlsen vom 03.04.2015 Ende der Mietpreisbindung – Flensburg: Sozialwohnungen werden knapp unter: http://www.shz.de/lokales/flensburger-tageblatt/flensburg-sozialwohnungen-werden-knapp-id6181621.html

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Veröffentlicht am 5. August 2017 in Bürgerbeteiligung, Daten und Zahlen, Flensburg News, Hartz IV und Bürgergeld, Inklusion und Integration, Rat & Ausschüsse, Soziales, Stadtplanung, Wirtschaft und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 14 Kommentare.

  1. Zitat aus dem Tagesspiegel: „Statt die Stadt (Wien ist gemeint, Anm. Verfasser) sich selbst und profit-orientierten internationalen Investoren zu überlassen, gestaltet man sie lieber selber, mit Hilfe von Bauträger-Wettbewerben. Wohnungsbaugesellschaften oder Genossenschaften…“ – Die LINKE in Flensburg hatte erfolglos für die Gründung einer Wohnungsgenossenschaft plädiert und wurde von der Ratsversammlung abgeschmettert.
    Denn jeder Versuch, Flensburg mal etwa freier von Höft & Co zu gestalten, liegt offensichtlich nicht auf der SPD/CDU/SSW Agenda 2020 – Bauten wie der „Volkspark“ oder die Alte Gärtnerei, die kaum oder keinen sozialen Wohnungsbau beinhalten, beweisen mir die Sturheit dieser Stadtvertreter.
    Im Wilhelminental werden (aus dem Gedächtnis jetzt) etwas über 300 Wohneinheiten hochgezogen, davon sind nur 123 sozialer Wohnungbau, heißt auch, dass die meisten ruhigen und grünen Lagen überwiegend an die Besserbetuchten verloren gehen.
    Aber auch, wenn sozialer Wohnungsbau nicht in der Lage ist, den Quadratmeterpreis bei 6,50 Euro zu halten, können Jobcenter & Co den vielen netten Menschen das Leben schwer machen. Mietervereine zweifelten schon vor 25 Jahren an der Unfähigkeit, günstiger zu bauen: ganz bestimmte Versorgungsleitungen könnten günstiger auf der Wand liegen und nicht darunter, ohne dass eine Gefahr ausginge.

    Fazit: Leute, wählt Links und wir sind vermutlich besser dran.

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