Grundeinkommen für alle in Schleswig-Holstein? – Armut bekämpfen sieht anders aus

Es war eine ziemliche Überraschung, als die Vertreter der neuen Jamaika-Koalition in Kiel vor einigen Wochen ihr Projekt Grundeinkommen auf einer Pressekonferenz vorstellten. In Schleswig-Holstein könnten zukünftig bedürftige Menschen anstatt Hartz-IV-Leistungen, wie auch alle anderen erwerbsfähigen Menschen, ein Grundeinkommen in Höhe von 1.000 Euro bekommen. Natürlich erst mal nur im Rahmen eines überschaubaren Pilotprojektes. Wenn man sich den Jamaika-Koalitionsvertrag durchliest ist da allerdings von einem konkreten Vorhaben mit einem zeitnahen Start keine Rede. Und von einem „bedingungslosen“ Grundeinkommen schon erst recht nicht. So heißt es dort auf Seite 31 ziemlich vage:
„Damit sich die Menschen in Zukunft eigenverantwortlich und flexibel im Arbeitsmarkt bewegen können, muss auch das Verhältnis von Arbeit und Absicherung neu austariert werden.
Wir werden daher ein Zukunftslabor mit den Akteurinnen und Akteuren der Arbeitsmarktpolitik und aus der Wissenschaft ins Leben rufen, in deren Rahmen die Umsetzbarkeit neuer Absicherungsmodelle, z.B. ein Bürgergeld, ein Grundeinkommen oder die Weiterentwicklung der sozialen Sicherungssysteme, diskutiert und bewertet werden sollen. Ebenso wichtig wie die soziale und ökonomische Flexibilisierung des Arbeitslebens soll dabei auch die Entbürokratisierung der Arbeits- und Sozialverwaltung sein.
Die Ergebnisse dieses Prozesses wollen wir in die bundespolitische Debatte tragen, um unser Land fit für die Herausforderungen der Zukunft zu machen und um Existenzängste von den Bürgerinnen und Bürgern fern zu halten.“
Dazu gibt es untenstehend einen kritischen Beitrag von Jörg Pepmeyer. Vorher mehr und ausführliche Informationen in einem Beitrag von Henning Baethge vom 25.Juni 2017 auf shz.de: CDU, Grüne, FDP : 1000 Euro? „Jamaika“-Koalition will Grundeinkommen für alle testen unter: https://www.shz.de/regionales/schleswig-holstein/1000-euro-jamaika-koalition-will-grundeinkommen-fuer-alle-testen-id17146886.html

Dazu ein Beitrag von Jörg Pepmeyer

Armut bekämpfen sieht anders aus

Es ist schon erstaunlich, dass sich die Kieler Jamaika-Koalition derartig medienwirksam aus dem Fenster lehnt. Vielleicht  eine Konzession an die Grünen und ihre Basis? Allerdings ist die Begründung für die mögliche Einführung eines Grundeinkommens / Bürgergeldes nicht ganz ohne, man erwarte sich damit auch einen Abbau der teuren Sozial-Bürokratie. Da geht es also vorrangig um Kosten, die man dort einsparen will. Das bedeutet aber auch, dass damit der Zwang des Staates mehr für diejenigen zu tun, die alleine nicht in der Lage sind, für sich und ihre Familien zu sorgen und auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind, weg fällt. Im schlimmsten Fall läuft das auf die Erosion des Sozialstaates hinaus. Jeder muss dann sehen, wie er mit sich und dem Grundeinkommen klarkommt. Aber nicht jeder kann das. Und es ist sicherlich sinnvoller, wenn Menschen ihren Lebensunterhalt über eine würde- und sinnvolle Beschäftigung sichern können, anstatt auf staatliche Almosen angewiesen zu sein. Es geht also darum entsprechende und fair bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen und ein repressionsfreies und armutsfestes Existenzminimum für alle zu sichern, aber nicht den Staat und die Politik so aus ihrer Verantwortung zu entlassen.

Und vielen Befürwortern des Grundeinkommens ist offensichtlich nicht klar, dass die am meisten diskutierten Modelle um keinen Deut die Arbeitslosigkeit verringern und viele Menschen noch stärker in die Armut drücken würden. Rechnet man die Leistungen, die von Arbeitslosen neben dem Hartz IV-Regelsatz und der Kosten für Unterkunft (in Flensburg für einen Single zusammen monatlich etwa 830 Euro) zusätzlich in Anspruch genommen werden können, z. B. Hilfe in besonderen Lebenslagen, Sozialpass, GEZ-Befreiung, Bildungsgutscheine, Befreiung von Zuzahlung bei Rezepten etc., dann kommen wir auf Beträge, die netto über dem liegen, was Menschen bekommen würden, wenn sie ausschließlich auf das derzeit anvisierte Grundeinkommen in Höhe von 1.000 Euro angewiesen wären. Denn von den 1.000 Euro müssten noch der Krankenkassen- und der Beitrag zur Pflegeversicherung bezahlt werden. Somit liegt der Netto-Betrag auf Hartz IV-Niveau und angesichts der oben beschriebenen zusätzlichen Leistungen für Hartz-IV-Bezieher sogar darunter und damit unter dem Existenzminimum. Und allein in Schleswig-Holstein leben mehr als 300.00 Menschen ganz oder teilweise von Hartz IV-Leistungen.

Und erwerbsfähig zu sein, heißt nicht unbedingt einem regulären Job nachgehen zu können. Denn viele arbeitsfähige und arbeitswillige Arbeitslose haben auch nicht andeutungsweise die Chance auf einen Job. Entweder, weil sie für die Arbeitgeber zu alt sind, die Qualifikation nicht ausreichend ist, sie durch Kindererziehung nicht jeden Job machen können, behindert oder gesundheitlich eingeschränkt sind, etc. Für all diese Menschen müssten ja eigentlich staatliche Maßnahmen zur Integration in den Arbeitsmarkt in´s Auge gefasst werden. Mit fairen Löhnen und würdevollen Arbeitsplätzen. Das kostet natürlich viel Geld, auch die Arbeitgeber.

Zahlt man diesen Menschen jedoch quasi das gleiche Geld wie vorher, kürzt dann aber im Bereich der Leistungen für die Arbeitsmarktintegration, berufliche Weiterbildung und Hilfen in besonderen Lebenslagen usw., hat man eine ganze Menge Geld gespart.

Aber was geschieht dann mit denjenigen, die zukünftig Hilfe, Beratung und Unterstützung in besonderen Lebenslagen oder bei der Suche nach Arbeit und der nachhaltigen Integration in den Arbeitsmarkt, bei beruflicher Aus und Weiterbildung brauchen? Alleinerziehende Mütter, junge und ältere Arbeitslose, Behinderte, überschuldete Menschen, um nur einige zu nennen? Ohne eine funktionierende „Sozialbürokratie“ und entsprechende Zusatzleistungen geht das nicht. Vor allem die FDP will nicht nur in Schleswig-Holstein mit dem Grundeinkommen, das bei ihr „Bürgergeld“ heißt, genau diese staatlichen Aufgaben am liebsten loswerden. Das kostet ihr nämlich viel zu viel Geld. Anschließend sollen die Menschen das dann von ihrem Grundeinkommen als Dienstleistung von privaten Unternehmen einkaufen. Das würde gleichsam der vollständigen  Ökonomisierung und Privatisierung des Sozialsystems Tür und Tor öffnen.

Dann doch lieber eine höhere und armutsfeste Grundsicherung und weiterhin die Übernahme der Mietkosten (KDU) im Rahmen des SGB II und XII, aber ohne das repressive Hartz IV-System. Jeder sollte sanktionsfrei bleiben, auch wenn er sich aus welchen Gründen auch immer entscheidet, nicht lohnabhängig zu arbeiten. Zudem sollten die Grenzen für die Anrechnung von eigenem Erwerbseinkommen und Vermögen auf die Grundsicherung erhöht werden. Und ebenso stellt sich die Forderung nach einer armutsfesten Basis-/Altersrente für alle. Gleichzeitig darf der durch das SGB gesicherte Rechtsanspruch auf Unterstützung, Hilfe und Beratung in schwierigen Lebenslagen, im Bereich der Arbeitsmarktintegration, Erziehungshilfen, Inklusion, etc. auf keinen Fall angetatstet werden. Somit wäre ein BGE überflüssig, von dem vor allem die vermögende Mittelschicht und die Reichen profitieren würden. Und das faktisch dann für diese Gruppe eine ungerechtfertigte Steuererleichterung darstellen würde.

Zur Ehrenrettung des Grundeinkommens: Es kann eine ergänzende Alternative sein, allerdings nicht, wie es von der Jamaika-Koaliton vorgestellt wurde. Aber die Debatte darüber muss sich viel stärker mit den aktuellen sozial- und arbeitsmarktpolitischen Bedingungen und Herausforderungen beschäftigen. Es wäre fatal, wenn das Grundeinkommen dazu führt, dass sich der Staat aus der ihn durch die Verfassung verpflichtenden sozialen Fürsorge der BürgerInnen zurückzieht. Insofern sollte das Projekt Grundeinkommen in Schleswig-Holstein zukünftig kritischer diskutiert werden. Sonst könnte es passieren, dass es zum trojanischen Pferd des Neoliberalismus wird, um den Sozialstaat „platt“ zu machen.

Nachtrag vom 22.102017:

Alternativen zum Grundeinkommen/BGE

Von verschiedenen Menschen bin ich aufgrund meiner obigen Ausführungen gefragt worden, was ich mir als Alternative zum Grundeinkommen/BGE vorstellen könnte. Hierzu möchte ich folgende Gedanken präsentieren:

Unabhängig davon welches Grundeinkommen-Modell gewählt wird, bei einer bundesweiten Einführung würde dies grundsätzliche Änderungen des Sozial- und Steuerrechts notwendig machen. Dies gilt insbesondere für das SGB II, SGB III, SGB IX und SGB XIII, aber auch selbst für das SGB VIII und Einkommensteuergesetz. Und die Gefahr besteht, dass bisherige und rechtswirksame Ansprüche durch die Einführung eines Grundeinkommen beschnitten werden könnten. Zudem wäre das ein Gesetzespaket, das ebenso vergleichbar mit den Hartz-„Reformen“ wäre, von denen „Hartz IV“ ja nur ein Teil ist. Deshalb halte ich einen anderen Weg für erheblich gangbarer, nämlich

1. Eine höhere und armutsfeste Grundsicherung im Rahmen des SGB II und XII und ohne das repressive Hartz IV-System.

2. Jeder sollte sanktionsfrei bleiben, auch wenn er sich aus welchen Gründen auch immer entscheidet, nicht lohnabhängig zu arbeiten.

3. Zudem sollten die Grenzen für die Anrechnung von eigenem Erwerbseinkommen und Vermögen auf die Grundsicherung deutlich erhöht werden.

4. Ebenso sollte es eine armutsfeste Basis-/Altersrente für alle im Rahmen des SGB XII (Grundsicherung im Alter) geben.

5. Die Gewährung eines Grundeinkommens/Grundsicherung sollte weiterhin abhängig davon sein, in welcher Höhe bereits ein Einkommen erzielt wird oder Vermögen vorhanden ist. Und dann wird das anteilig auf die Gewährung des Grundeinkommens/Grundsicherung angerechnet. So ähnlich, wie das jetzt auch beim SGB II der Fall ist. Allerdings bei Erhöhung der Anrechnungbeiträge.
Auch steuerrechtlich bräuchte man dann nicht viel zu ändern, außer die Freibeträge zu erhöhen und es wäre die einfachste Lösung. Weiterhin sollte die Gewährung von staatlichen Leistungen als Sicherung des Lebensunterhaltes an die Frage der Bedürftigkeit gekoppelt werden. Denn alles andere wäre letzlich nur eine massive Steuererleichterung vor allem für diejenigen, die bereits über ein eigenes Einkommen und Vermögen verfügen, um ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Familie ausreichend zu sichern. Das wäre gegenüber den wirklich Bedürftigen nicht fair.

6. Gleichzeitig ist es notwendig, den durch das SGB gesicherten und individuellen Rechtsanspruch auf Übernahme der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, Unterkunfts- inkl. Heizkosten (KDU), Unterstützung, Hilfe und Beratung in schwierigen Lebenslagen, im Bereich Arbeitsmarktintegration, Erziehungshilfen, Inklusion, etc. nicht anzutasten bzw. ihn sogar auszubauen.

Und abschließend möchte ich hinzufügen, dass es keinen Sinn macht ein BGE zu fordern, zu dem es völlig uneinheitliche Modelle gibt, wenn die Risiken für das bestehende Sozialsystem und die Rechtansprüche für die einzelnen Menschen zu groß sind. Dann doch lieber auf bestehender Rechtsgrundlage entsprechende Veränderungen vornehmen, wie ich sie oben geschildert habe. Und da weite Teile der Sozial-Leistungen steuerfinanziert sind, was man auch beibehalten sollte, ist es dann Aufgabe des Gesetzgebers, somit des Parlaments, diese Änderungen mit der entsprechenden Finanzierung zu beschließen. Dafür muss aber auch der entsprechende politische Druck von allen daran interessierten gesellschaftlichen Akteuren erzeugt werden.

Grundeinkommen: Bedingungslos neoliberal

Ein kritischer Kommentar von Prof. Christoph Butterwegge vom 11.12.2017 in GEGENBLENDE dem DGB Online-Magazin:

Wer die Armut in Deutschland wirklich bekämpfen will, darf nicht auf das Bedingungslose Grundeinkommen setzen. Die derzeit diskutierten Modelle lassen Vermögende finanziell ungeschoren und sorgen nicht für sozialen Ausgleich.

 Momentan wird wieder vermehrt über das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) diskutiert. Es handelt sich um einen steuerfinanzierten Universaltransfer, den alle BürgerInnen erhalten sollen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, ohne dass ihre Bedürftigkeit geprüft würde und sie zur Erwerbsarbeit verpflichtet wären. Gegenwärtig haben BGE-Modelle vor allem deshalb Hochkonjunktur, weil sie dem neoliberalen Zeitgeist entsprechen, also die Freiheit des (Wirtschafts-)Bürgers nicht gefährden. Sie glorifizieren vielmehr „Privatinitiative“, „Eigenverantwortung“ und „Selbstvorsorge“.

Gleichzeitig problematisieren die BGE-Modelle die tradierten Mechanismen der kollektiven Absicherung von Lebensrisiken, auf die prekär Beschäftigte und Erwerbslose angewiesen sind. Dabei hinterlassen sie auf den ersten Blick nicht einmal den Eindruck sozialer Kälte. Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen wird suggeriert, dass ein politischer Befreiungsschlag möglich sei. Dem ist aber nicht so. Aufgrund seiner mangelnden Treffsicherheit und Zielgenauigkeit ist das Grundeinkommen kein geeignetes Mittel, um Armut und soziale Ungleichheit in Deutschland zu bekämpfen, sondern ein Instrument, das den Sozialstaat zerstören würde. Weiterlesen hier

Zum Thema auch ein ausgezeichneter Beitrag von Patrick Spät in „der Freitag“ Ausgabe 21/2017 64

Keine Almosen

Zukunft Die Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens verharren in der Logik des Kapitalismus – anstatt ihn abzuschaffen unter: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/keine-almosen

Hier ein kurzer und zusammenfassender Auszug: „(…) Ein BGE wäre einzig in einer Welt wünschenswert, in der die Großeigentümer enteignet sind und alles allen gehört. Aber da sind wir schon am springenden Punkt: Eine solche Welt wäre eben nicht mehr kapitalistisch. Anders formuliert: Die Befürworter eines BGE müssen sich darüber klar werden, dass sie innerhalb der Logik des Kapitalismus denken – sie wollen ihn nicht mit einer Revolution abschaffen, sondern mit einer Reform bestätigen. „Realpolitik treiben, heißt, an Bestehendes anbauen, heißt, Verzicht leisten auf Abbruch und Erneuerung, heißt, das Dach flicken, wo der Unterbau morsch ist“, notierte Erich Mühsam. Reformen tun not, aber sie werden das kapitalistische System nicht auf links drehen, erst recht nicht ein BGE.
Wenn wir uns das Ende des Kapitalismus vorstellen wollen, sollten wir uns von der plüschigen Wohlfühlwelt des BGE verabschieden. Die Welt gehört niemandem – und deshalb allen. Die Produktionsmittel – Anbauflächen, Rohstoffe, Grundstücke, Infrastruktur, Kraftwerke, Maschinen, Fabriken, Roboter, Rechenzentren, Server – müssen zurück in die Hände der Allgemeinheit. Dann kommen eine 15-Stunden-Woche und das Grundeinkommen ganz automatisch. Wir brauchen Genossenschaften, Kollektivbetriebe und Commons – hier liegt der Schlüssel zur Erlösung, und nicht im BGE.(…)“

Mehr Beiträge zum Bedingungslosen Grundeinkommen:

Ebenso ein lesenswerter Artikel auf Zeit-Online zum BGE: Das bedingungslose Mammut
Alle finden das Grundeinkommen super: Linke, Volkswirte, Chianti-Trinker. Nur unserem Autor ist die Idee nicht ganz geheuer. Von Felix Dachsel, 30. September 2017, unter: http://www.zeit.de/arbeit/2017-09/bedingungsloses-grundeinkommen-kosten-finanzierung-steuern

Gleichsam im Kielwasser der Überlegungen der Jamaika-Koalition möchte die Flensburger SPD, dass Flensburg Test-Stadt für das BGE wird. Dazu auch der Beitrag von Joachim Pohl im Flensburger Tageblatt vom 28. August 2017: Bedingungsloses Grundeinkommen in Flensburg : Geld ohne Gegenleistung
SPD-Vorsitzender Florian Matz schlägt vor, das bedingungslose Grundeinkommen in Flensburg zu testen / Skepsis bei CDU und Linken
– Quelle: https://www.shz.de/17673786 ©2017

Zum finnischen BGE-Modellversuch ein ausgezeichneter Kommentar von Ulrike Herrmann in der TAZ vom 02.01.2018 Subvention für die Unternehmen Da bleibt nicht viel von der Utopie: Das finnische Experiment zeigt, dass ein Grundeinkommen auch zum Lohndumping beiträgt. Unter: http://www.taz.de/!5473675/

Hier noch zwei Literaturhinweise mit den in der Öffentlichkeit am meisten rezipierten BGE-Modellen:

Thomas Straubhaar, Schweizer Ökonom und Migrationsforscher hat ein BGE-Modell entwickelt, dass besonders starke Resonanz in der Öffentlichkeit fand. Sein Buch Radikal gerecht – Wie das bedingungslose Grundeinkommen den Sozialstaat revolutioniert wurde zum Bestseller. Zum Buch auch ein Beitrag in DIE ZEIT von Thomas Straubhaar:
Das Grundeinkommen ist nichts anderes als eine Steuerreform
Das
Grundeinkommen könnte Rente, Kinder- und Arbeitslosengeld ersetzen – wie eine negative Steuer, sagt der Ökonom Thomas Straubhaar in seinem neuen Buch. Ein Vorabauszug
http://www.zeit.de/wirtschaft/2017-02/thomas-straubhaar-buch-bedingungsloses-grundeinkommen-auszug

Dazu noch ein Interview mit ihm über das Grundeinkommen in brand eins, Ausgabe  5/2017:
Wie überlebt der Sozialstaat die Digitalisierung?
Arbeit
finanziert einen guten Teil der öffentlichen Ausgaben. Was aber, wenn es immer weniger sozialversicherungspflichtige Jobs gibt? Dann brauchen wir ein Grundeinkommen und ein neues Steuersystem, sagt der Ökonom Thomas Straubhaar.
https://www.brandeins.de/archiv/2017/fortschritt/thomas-straubhaar-interview-grundeinkommen-wie-ueberlebt-der-sozialstaat-die-digitalisierung/

Zum Modell von Thomas Straubhaar und an seinen Motiven gibt es allerdings auch erhebliche Kritik, insbesondere seine Nähe und Zuarbeit zu neoliberalen Think-Tanks sorgt in der Debatte um das BGE für reichlich Zündstoff. Hierzu auch der Wikipedia-Beitrag über ihn: https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Straubhaar

Götz W. Werner, Unternehmer und Gründer der Drogeriekette DM engagiert sich ebenfalls für das BGE und hat mit Adrienne Göhler ebenfalls ein Buch dazu verfasst: 1.000 Euro für jeden – Freiheit. Gleichheit. Grundeinkommen

Dazu auch ein erhellendes Interview, dass Business Insider mit ihm vor einem Jahr führte: dm-Gründer fordert 1.000 Euro monatlich für jeden — seine Begründung ist verdammt gut
http://www.businessinsider.de/dm-gruender-goetz-werner-grundeinkommen-befeuert-das-spiel-wie-beim-monopoly-2016-6

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Veröffentlicht am 28. Juni 2017 in BGE Grundeinkommen, Daten und Zahlen, Flensburg News, Hartz IV und Bürgergeld, Inklusion und Integration, Soziales und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 11 Kommentare.

  1. Ich verstehe nicht wieso sich die Diskussionen um ein allgemeines BGE dreht. Das kann man doch variieren – es also Harz IV gebunden machen. Wie im Artikel beschrieben: ein sanktionsfreier Grundbetrag. Es soll ja nicht komplett alles abdecken. Wer mehr braucht muß das eben dazuverdienen. So wird auch eine überzogene Einmischung des Staates in das eigene Leben gedrosselt, was von bestimmten Politikern gerne als die „Pflicht des Sozialstaates“ bezeichnet wird und doch nur eine renitente Kontrolle und Entmündigung des Bürgers bedeutet. Zudem ist ein misstrauisches Menschenbild mancher Politiker schädlich für die Gesellschaft. Viele Menschen werden erst durch Harz IV stillgelegt…und durch Schulungen in diesem repressiven System überqualifiziert entsorgt.

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    • Lieber Marcel, die komplette Agenda 2010 gehört vom Tisch gefegt! Ich sage es noch offener: wir sprechen hier nämlich von einer Art von Sozialfaschismus! Es gibt bundesweit keine einzige Gruppe von Menschen, denen man derartig die Einbahnstraße für ihr Leben vorbestimmt und denen man solche Entrechtungen und Demütigungen zumutet. Sollte dir noch eine andere Gruppe einfallen, bitte nenne sie.

      Im FL Tageblatt wurde vor 3 Tagen die Zahl von 88 Milliarden Sozialausgaben für 2016 genannt. Wer glaubt, die 88 Milliarden wären nur an die hartz-4 Bezieher gezahlt, der irrt schwer. Es müssen Mieten an die Immobilieneigentümer von Sozialzentren, Jobcenter, Arbeitsämter gezahlt werden, denn nicht alle gehören dem Bund oder den Kommunen. Deren Betriebskosten und übriger Unterhalt wie z.B. Hausmeister u.s.w. Dann kommen die Gehälter von zigtausend Mitarbeiter dazu u. die Spitzengehälter der sogenannten Manager. Herr Weise/Herr Alt sollen an die 100.000 euro Jahresgehalt bekommen haben. Weiter werde ich mich nicht über H-4 auslassen, über das völlig verkorkste H-4 System werden seit 2005 komplette Gerichte außer Gefecht gesetzt, Soziologen u. andere Wissenschaftler füllen mit ihrer Literatur, die keinem Bezieher von Grundsicherung tatsächlich geholfen haben, Bücherregale und Bibliotheken.

      So, wer tatsächlich glaubt, die fortschreitende Automatisierung ginge an dieser Gesellschaft schleichend vorbei, denkt schlicht gesagt, nur nach aber nicht vor.

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    • http://www.deutschlandfunk.de/die-arbeit-im-anthropozaen-eine-knappe-weltgeschichte-der.1184.de.html?dram:article_id=384687

      Lieber Marcel, ich füge einen Link bei zu der Sendung Essay und Diskurs, die im DLF gesendet wurde. Es bleibt dir überlassen, ob du es hier liest; es ist aber nicht nur für die Allgemeinbildung wichtig, sondern auch, um sich über das BGE und die Arbeitsgesellschaft der Zukunft eine Meinung bilden zu können.
      Freundlicher Gruß

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  2. Klicke, um auf Straubhaar_Radikal-gerecht_Leseprobe.pdf zuzugreifen

    Aus Wikipedia zu Prof. Thomas Straubhaar: „Straubhaar ist Botschafter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Er gehört den Kuratorien der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (seit 1994 Vertrauensdozent) und der HASPA Finanzholding an, ist im Stiftungsrat der Körber-Stiftung und der Edmund Siemers-Stiftung und Mitglied im BahnBeirat. Seit 2013 ist er Policy Fellow des Instituts zur Zukunft der Arbeit. Straubhaar ist zudem Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech). Er ist Mitglied des Konzernbeirats der Deutschen Bahn“

    „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ kurz INSM genannt, ein Sprachrohr für den Arbeitgeberverband.
    Komisch seine dargestellte Euphorie für das BGE – nachdem er seit 2005 ein Verfechter der Agenda 2010 war. Stellt sich, siehe Link oben zu Körber-Stiftung, nun als vehementer Kritiker von Hartz 4 dar. Er ist nicht vom Saulus zum Paulus gewechselt, sondern seiner Strategie INSM treu geblieben, so lese ich das jedenfalls.

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  3. Vielen Befürwortern des Grundeinkommens ist hoffentlich bewusst, dass unabhängig davon welches Grundeinkommen-Modell gewählt wird, bei einer bundesweiten Einführung dies grundsätzliche Änderungen des Sozial- und Steuerrechts notwendig machen würde. Dies gilt insbesondere für das SGB II, SGB III, SGB IX und SGB XIII, aber auch selbst für das SGB VIII und Einkommensteuergesetz. Das wäre ein Gesetzespaket, das vergleichbar mit den Hartz-„Reformen“ wäre, von denen „Hartz IV“ ja nur ein Teil ist. Deshalb halte ich einen anderen Weg für erheblich gangbarer, nämlich
    1. Eine höhere und armutsfeste Grundsicherung im Rahmen des SGB II und XII und ohne das repressive Hartz IV-System.
    2. Jeder sollte sanktionsfrei bleiben, auch wenn er sich aus welchen Gründen auch immer entscheidet, nicht lohnabhängig zu arbeiten.
    3. Zudem sollten die Grenzen für die Anrechnung von eigenem Erwerbseinkommen und Vermögen auf die Grundsicherung erhöht werden.
    4. Ebenso sollte es eine armutsfeste Basisrente für alle im Rahmen des SGB XII geben.
    5. Ich würde aber auch die Gewährung eines Grundeinkommens abhängig davon machen, in welcher Höhe bereits ein Einkommen erzielt wird oder Vermögen vorhanden ist. Und dann wird das anteilig auf die Gewährung des Grundeinkommens/Grundsicherung angerechnet. So ähnlich, wie das jetzt auch beim SGB II der Fall ist.
    Auch steuerrechtlich bräuchte man dann nicht viel zu ändern, außer die Freibeträge zu erhöhen und es wäre die fairste Lösung. Denn für mich ist die Gewährung von staatlichen Leistungen immer noch an die Frage der Bedürftigkeit gekoppelt. Alles andere wäre letzlich nur eine massive Steuererleichterung für diejenigen, die bereits über ein eigens Einkommen und Vermögen verfügen, um ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Familie ausreichend zu sichern, und das finde ich nicht fair.
    6. Gleichzeitig ist es wichtig, den durch das SGB gesicherten Rechtsanspruch auf Unterstützung, Hilfe und Beratung in schwierigen Lebenslagen, im Bereich Arbeitsmarktintegration, Erziehungshilfen, Inklusion, etc. nicht anzutasten.
    Damit wäre ein BGE überflüssig, bei dem bei allen Modellen de facto vor allem die Mittelschicht und die Reichen über Gebühr profitieren würden.

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  4. Allerdings gibt es einen erheblichen Dissens zwischen Grünen und FDP. Wobei man bemerken muss, dass ein erheblicher Unterschied, zwischen den Vorschlägen namhafter Experten zum BGE und der FDP besteht. Die will ein Grundeinkommen als „Bürgergeld“, und nicht als bedingungsloses Grundeinkommen. Man muss dieses Modell genauer ansehen, denn die FDP will damit tatsächlich auch die Axt an den Sozialstaat anlegen und vor allem sparen. Und im Übrigen wird im Kapitalismus den Menschen nichts geschenkt. Ein BGE, das tatsächlich eine Ergänzung zu den bisherigen sozialstaatlichen Leistungen darstellt und das der Kinder- und Altersarmut entgegen wirken und gleichzeitig den ökonomischen Druck insbesondere auch von den prekär Beschäftigten nehmen sollte, gibt es nicht umsonst. Und es wäre ein Wunder, wenn sich Parteien, die über Jahrzehnte hinweg die Deregulierung des Arbeitsmarktes mit den bekannten negativen Folgen für die Beschäftigten vorangetrieben haben, nun für die Einführung eines BGEs entscheiden, um genau diese Folgen zu mildern. Natürlich geht es darum, ein brauchbares und wirklich sozial ausgewogenes BGE-Modell zu entwickeln und das politisch mehrheitsfähig zu machen, aber wir sollten uns davor hüten, in eine Falle zu gehen. Und ich glaube, die wird gerade in Schleswig-Holstein aufgebaut.

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  5. Dem Kommentar von Jörg Pepmeyer ist wegen seiner Vollständigkeit fast nichts mehr hinzuzufügen; Ergänzend muss man dann auch auf die „Nicht-armutsfesten“ Renten schauen, die teilweise unter dem Exi-Minimum liegen od. kurz darüber. Arme Rentnerinnen*ner tauchen begrifflich in dieser Thematik nicht auf, man hat sich hier nur auf die ALG II Bezieher konzentriert. WARUM? Weil die nicht als erwerbsfähig gelten? Viele sind aus der Not geboren Erwerbs-angewiesen. Sinn würde es für diese Gruppe machen, ihnen die Differenz zwischen Renten-Existenzminimum und BEDINGUNGSLOSE 1.000 Euro zu zahlen. Damit wäre ihnen der Gang zum Sozialamt und der Darlegung ihrer finanziellen Situation UND der jährlichen Wiederholungsgänge zum weiteren Antrag zumindest erspart. Für diese Rentnerinnen*ner Gruppe müssen die GEZ-Gebühren entfallen aber die anderen Vorteile der Krankenkassen erhalten bleiben.
    …………………….
    Ich habe gestern Flensburger Tageblatt nur Online gelesen und darin taucht ein Kommentar des Telekomchefs Tim sowieso… auf, der sich mit dem 1.000 EuroModel der Koalition gut anfreunden konnte mit seinem Hinweis auf die erwartete neue Arbeitsgesellschaft 4.0 (Digitalisierte Arbeitswelt) und von dem zu erwartetendem Wegfall oder die „Flexibilisierung“ von Arbeitnehmern.

    Ich fühle mich immer gewarnt vor Sympathiebezeugungen aus solchen Ecken!!
    ……….
    Ich empfehle einen dicken Pott Kaffee und ein paar Stullen: Lesen Sie die 144 Seiten des Koalitionsvertrages! Bitte. Findet sich bei google unter diesem Stichwort. Auf Seite 31 findet sich ganz wenig über die Pilotphase BGE. Dafür findet sich die Handschrift CDU/FDP in diesem Vertrag über das neue Baurecht für SH und für die neue Generation Windkraftanlagen, sprich mehr und mehr und höher und höher mit kaum veränderten Abständen… ABer die Siedlungen/Zersiedlung/neue Gewerbegebiete werden sich dem anpassen müssen… Auweia. Mein Freund, der Baum, du wirst fallen müssen.

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