Insolvenz des Campusbadbetreibers in Flensburg: Stadt hofft auf vernünftige Lösung

Konstruktive Verhandlungen aufgenommen

(Pressemitteilung der Stadt Flensburg) Die Arbeitsgruppe Campusbad, der neben dem Oberbürgermeister Simon Faber Vertreter der Stadtverwaltung sowie einige Mitglieder der Ratsversammlung angehören, hat in den vergangenen Tagen Gespräche mit den derzeitigen Akteuren in Sachen Campusbad aufgenommen. Dazu gehören neben den direkten Vertragspartnern Marbana KG und der CommerzReal, auch der Insolvenzverwalter der Aqua Vital GmbH sowie die finanzierende Bank.

„Die Gespräche sind bisher in sehr angenehmer und konstruktiver Atmosphäre verlaufen, allerdings gilt es auch noch etliche Hürden zu überwinden“, bewertet Oberbürgermeister Simon Faber die aktuelle Situation. „Oberstes Ziel muss es nun sein, Lösungen zu entwickeln, wie ein durchgehender Badebetrieb gewährleistet werden kann: Insbesondere für das Schul- und Vereinsschwimmen ist dies von großer Bedeutung. Aber auch die lokale Bevölkerung braucht ein funktionierendes Bad“, so Faber weiter.

Weiterer Schwerpunkt der Gespräche sind dabei die über 30 Beschäftigten des Bades, die zeitnah eine Perspektive erhalten müssen, wie es mit ihren Arbeitsplätzen weitergehen wird. Oberbürgermeister Simon Faber: „Eine Hängepartie auf dem Rücken der Beschäftigten darf es nicht geben.“

Die derzeitigen Gespräche lassen jedoch darauf hoffen, dass das Damoklesschwert der Schließung überwunden und eine vernünftige Lösung im Sinne der Flensburger Bürgerinnen und Bürger gefunden werden kann.

Clemens Teschendorf, Stadt Flensburg, Pressestelle des Rathauses

ÖPP-Projekt Campusbad – Mal eben ein paar Millionen versenken:

Angesichts der Pleite des Campusbades dokumentieren wir untenstehend noch mal den Leserbrief des Arbeitskreises Kommunalpolitik in der Flensborg Avis vom 11.4.2008, der sich kritisch mit dem Beschluss der Ratsversammlung zum Neubau des Campusbades auseinandersetzt. Schon damals wies der Arbeitskreis eindringlich auf die Risiken dieses ÖPP-Projektes hin.

37,5 Mio. Euro für das Hallenbad?

Leserbrief in Flensborg Avis vom 11.04.2008

Nicht nachvollziehbar ist die Entscheidung der Stadt Flensburg und der Ratsversammlung, auf dem Campus-Gelände ein kombiniertes Sport- und Freizeitbad im Rahmen einer Öffentlich-Privaten-Partnerschaft (ÖPP) mit einem Privatinvestor, der Commerzbank-Tochter Commerz Real AG, zu bauen. Offensichtlich kennt die Mehrheit der Ratsmitglieder nicht mal mehr ihren Beschluss vom letzten Jahr, in dem sie sich zwar für den Neubau eines Hallenbades aussprach, aber ebenso den Kostenrahmen vorgab. So hieß es, bei einem Neubau und Betrieb eines Hallenbades im Rahmen eines ÖPP-Projektes, sollten sich die Aufwendungen der Stadt am aktuellen Betriebskostenzuschuss für das bestehende Hallenbad von 600.000 Euro jährlich orientieren.

Davon ist nicht mehr die Rede. Nun soll der städtische Betriebskostenzuschuss sogar im Rahmen des kürzlich beschlossenen Projektes auf 1,5 Mio. Euro jährlich steigen! Somit zahlt die Stadt Flensburg dem Investor, also der Commerz Real AG, bei einer Vertragsdauer von 25 Jahren insgesamt 37,5 Mio. Euro. Das ist mehr als das Zweieinhalbfache der geplanten Baukosten von 14 Mio. Euro! Vorab der Betriebskosten, Besuchererlöse und Einnahmen aus dem Wellness- und Gastronomiebereich, hat der Investor somit sein Risiko mit einer Kapitalrendite von etwa 11% p. A. weitestgehend abgesichert! Gibt es zudem noch öffentliche Fördermittel, wird das ganze Geschäft sogar noch lukrativer für ihn.

Andererseits ist die Stadt damit noch nicht aus dem Schneider, denn die Kalkulationsgrundlage für den kostendeckenden Betrieb des neuen Bades sind 200.000 Besucher jährlich. Das Glücksburger “Spaßbad”, die Fördeland-Therme, schreibt erst bei einer Jahresquote von 250.000 Besuchern schwarze Zahlen und ist davon noch meilenweit entfernt. Eine jährliche Besucherzahl von 450.000 für beide Bäder anzunehmen (im Abstand von nicht einmal acht Kilometern) ist aber schlichtweg illusorisch. Voraussehbar werden beide Hallenbäder Verluste einfahren, für die aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit der Gemeinde Glücksburg die Stadt Flensburg doppelt geradestehen muss.

Die Betreiber des neuen Campus-Bades haben zudem eine Preisstruktur vorgestellt, die im Schnitt einer Preis-Erhöhung von ca. 35% entspricht, zieht man die Eintrittspreise des jetzigen Hallenbades zum Vergleich heran. Auch das lässt sich mit dem Ratsbeschluss vom letzten Jahr nicht vereinbaren.

Stutzig macht in diesem Zusammenhang, dass die umfassende Modernisierung und Sanierung des alten Hallenbades nach Angaben städtischer Finanzexperten mit 1,2 Mio. Euro jährlich zu Buche schlagen würde (wobei die tatsächliche Investitionssumme nicht genannt wurde). Das ist auf die Laufzeit des angedachten ÖPP-Vertrages gerechnet, immerhin eine Ersparnis von 7 Mio. Euro oder 300.000 Euro jährlich.

Warum man sich bei der Stadt und in der Ratsversammlung im Rahmen dieser Variante nicht entschieden hat, einen Hallenbad-Neubau alleine zu realisieren, ist angesichts der städtischen Schuldenlast völlig unverständlich. Denn es macht sicherlich keinen Sinn, ein überdimensioniertes und gegen alle finanzielle Vernunft sprechendes Hallenbad zu bauen, bei dem offensichtlich der Investor den größten Nutzen hat. Wie das im Zweifelsfall enden kann, zeigt exemplarisch das Scheitern eines ähnlichen Projektes auf Sylt. Übrigens unter der Beteiligung des gleichen Investors, der am Bau und Betrieb der Glücksburger “Fördeland-Therme” beteiligt ist.

Jörg Pepmeyer, Flensburg / Arbeitskreis Kommunalpolitik

Mehr Artikel zum Thema Campus-Bad Flensburg wie auch zu ÖPP bzw. PPP  im AKOPOL-Blog unter: https://akopol.wordpress.com/category/campusbad/

 

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Veröffentlicht am 8. Dezember 2012 in Campus-Bad, Campusbad, Daten und Zahlen, Flensburg News, Wirtschaft und mit , , , , , , , , , , , , , , , getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 3 Kommentare.

  1. Ich halte in diesem Zusammenhang bei ähnlichen Projekten eine transparente und öffentliche Debatte für zwingend notwendig. Insbesondere hat uns als Arbeitskreis Kommunalpolitik damals besonders geärgert, dass unsere Bedenken gegen das ÖPP-Projekt Campusbad, wie auch gegen das undurchsichtige Finanzierungsmodell schlichtweg nicht ernst genommen wurden. Es ist ja nicht so, dass wir uns nicht ausgiebig und detailliert mit dem Thema beschäftigt hätten. Ebenso ist uns schleierhaft, warum ein Flensburger Konsortium, das ein transparentes und finanziell tragfähigeres Modell zum Neubau eines Sportbades am Campus vorgestellt hatte, faktisch ausgebootet wurde. Insofern sollte man in der politischen Debatte den Sachverstand und die Kritik der BürgerInnen nicht ignorieren. Zudem gibt es auch positive Beispiele, ich erinnere hier an das angedachte sog. Crossborder-Leasing Geschäft mit den Stadtwerken, das im letzten Augeblick durch das zivilgesellschaftliche Engagement von attac Flensburg und von AKOPOL, wie auch durch eine Änderung des US-Steuerrechts nicht zustande kam. In diesem Zusammenhang gab es so etwas wie ein Hearing mit Vertretern der beteiligten Bank, hochrangigen Verwaltungsmitarbeitern der Stadt Flensburg sowie Vertretern von attac und AKOPOL. Wir haben dort sehr umfangreich unsere Kritik angesichts der möglichen Folgen dieses Crossborder-Leasing-Geschäfts vorgetragen. Ähnliches gilt auch für hochriskante Geschäfte der Stadt Flensburg mit Zinsderivaten bzw. sog. SWAPS, mit denen der Haushalt entlastet werden sollte. Für viele deutsche Kommunen endeten solche Geschäfte mit enormen Verlusten, weshalb diverse Klagen gegen die Deutsche Bank und die West LB anhängig sind. In Flensburg ist man glücklicherweise zwischenzeitlich und auch aufgrund der öffentlichen und zivilgesellschaftlichen Debatte komplett ausgestiegen. Zusammengefasst, mehr Transparenz, Öffentlichkeit und die Beteiligung von sachverständigen BürgerInnen innerhalb solcher Diskurse und Entscheidungsprozesse verhindert im Zweifelsfall böse Folgen. Gleichzeitig werden durch die Einbeziehung der BürgerInnen politische Entscheidungen konsensualer abgestützt.

    Zum Thema Crossborder-Leasing auch noch ergänzend ein Artikel aus DIE ZEIT: http://www.zeit.de/2009/12/DOS-Cross-Border-Leasing und zum Thema SWAP-Geschäfte http://www.bundestag.de/presse/hib/2011_04/2011_150/01.html

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  2. Stefanie Schlicht

    Auf eine vernünftige Lösung hoffe ich auch,schließlich geht es um „Mein noch nicht ausgezahltes Gehalt“
    Ich war Mitarbeiterin vom 1.10.12-11.11.12 in diesem Bad.
    Am 28.11.12 wurde mir per Post mitgeteilt,dass ein Insolvenzgeldantrag gestellt wurde.
    Ich kein Gehalt bekomme und mich bei derAgentur für Arbeit melden solle.
    Seitdem warte ich auf mein Gehalt aus dem November,schön so kurz vor Weihnachten…
    Laut Agentur für Arbeit dauert es auch NUR noch bis nächstes Jahr!
    Vielen Dank für die rechtzeitige Info Ihrerseits…
    Schade,dass es auf dem Rücken der „Mitarbeiter bzw.ehemaligen“ ausgetragen wird.
    Ich wünsche auf diesem Weg allen Mitarbeitern des Campusbades Frohe Weihnachten und ein gefülltes Konto.

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  3. „Vernünftig“ reagieren heißt jetzt nicht, dass man Geld in den Laden hineinpumpt. Wenn wirklich zuwenig da ist, muss man (1) erst mal schauen, wohin in den letzten drei Jahren Geld floss. Oft entdecken Insolvenzverwalter dann doch hier und da ein gut gefülltes Reservetöpfchen.
    Sollten diese Töpfchen nicht auffindbar sein, sollte man (2) den Weg beschreiten, den jeder normale Unternehmer geht – ohne Pardon. Warum sollte ein Schwimmbad anders abgewickelt werden als eine Pommesbude oder ein Bierstand? Bei der (3) Zwangsversteigerung bietet die Stadt dann mit und bekommt das Haus fürn Appel und ’n Ei. Dann übergibt die Stadt alles für 1 Euro an die Uni und die FH (4) und die Studiengänge Energie- und Umweltmanagement, Medien, Kunst, Technik sowie die Schiffsbetriebstechniker machen aus dem Laden ein (5) Forschungsprojekt: Wie macht man aus einem energiepolitisch unsinnigen Projekt ein ökologisch, aber trotzdem interessantes Projekt – wie schafft man es, Personal so zu erziehen, dass sie jeden Schwimmgast lächeln begrüßen, Behinderten ins Wasser helfen, mit der Uni zusammenarbeiten, die ab sofort alle Themen fächerübergreifend mit dem Hauptthema Wasser verbinden werden. Die Managementstudiengänge werden halbjährlich neu berechnen, wieso diese Projekt zur Insolvenz führen konnte und werden allen Stadtparlamenten in der ganzen Welt sagen, worauf es ankommt, wenn man sich als Bürgervertreter darauf einlässt, mit privaten Unternehmern zusammenzuarbeiten.
    (6) Der Clou wird sein, dass man das Wesentlich an der Marktwirtschaft erkennt. Es ist nämlich nicht die nette Gastwirtschaft am Wochenmarkt gemeint, sondern ein Geschäft, dass darin besteht, mit möglichst geringem Eigeneinsatz eine gute Rendite zu erwirtschaften.
    (7) und diese Rendite dann herauszuziehen, um wieder andere Dinge damit zu machen. Ein Schwimmbad ist ein Gebäude, mit dem man Gewinne erwirtschaften will.
    Als der Staat sich noch in solchen Dingen auskannte, war das anders. Da baute man (8) ein Schwimmbad, damit dort zum Schwimmen geht. Oder (9) Fahrradwege, damit man darauf bequem zur Uni kam. Oder (10) Eisenbahnen, damit man regelmäßig von Ort zu Ort fahren konnte – nach einem genauen Fahrplan, der es möglich macht, Termine einzuhalten. Oder (11) Kraftwerke und Umspannwerke, die es möglich machten, dass überall ohne Stromausfall Computer, Kühlschränke und Kochgelegenheiten bereit stehen.
    Allerdings meist nur mit kleiner Rendite oder mit ein paar Steuerzuschüssen. Aber dann wusste der Bürger wenigstens, wofür er seine Steuern zahlt.

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